Freitags ist Kochabend im Jugendtreff Weissach
Jeden Freitagabend kochen Jugendliche im Jugendtreff in Unterweissach zusammen. Fünf bis zehn Teenager pro Woche nehmen das Angebot der Gemeinde wahr. Dabei geht es nicht nur ums gemeinsame Essen, sondern auch darum, nützliche Fähigkeiten fürs spätere Leben zu erlernen.
Von Melanie Maier
Weissach im Tal. Das Abendessen beginnt stets mit der Frage: „Was sollen wir heute Abend kochen?“ Die stellen Sozialarbeiterin Jana Kriegel und ihr Kollege René Schilke so gut wie jeden Freitag im Unterweissacher Jugendtreff in der Runde. Pizza bestellen, schlagen einige Jugendliche an diesem Abend vor. Das ist allerdings keine Option. Denn bei dem Kochabend geht es nicht nur um das gemeinsame Essen, sondern auch darum, nützliche Fähigkeiten und Kenntnisse fürs spätere Leben zu erwerben: das Wissen zum Beispiel, welche Lebensmittel man für ein Gericht braucht, welche Menge einer Zutat für eine bestimmte Anzahl von Personen nötig ist und selbstverständlich auch, wie eine Speise zubereitet wird. Dazu kommt, wie man sich am Esstisch verhält, dass man das Handy vorher beiseitelegt und nicht einfach aufsteht, wenn man selbst fertig ist, alle anderen aber noch essen.
Wie in der Schule soll das alles aber nicht vermittelt werden, der Wissenserwerb läuft quasi nebenbei. Für die Jugendlichen geht es in erster Linie darum, sich mit Freundinnen und Freunden zu treffen, eine gute Zeit zu haben. Gratis ist das Ganze auch noch – zumindest für diejenigen, die bei den Vorbereitungen oder beim Kochen mithelfen. Alle anderen, die mitessen, bezahlen einen Euro. Der symbolische Beitrag soll dafür sorgen, dass nicht plötzlich zehn Personen mehr als geplant am Tisch sitzen, es aber gleichzeitig ermöglichen, dass alle, die möchten, teilnehmen können – auch wenn sie mal keine Lust haben zu helfen.
Zum Einkaufen geht es in den Supermarkt um die Ecke
Doch was wird nun eigentlich gegessen? „Burger!“, ruft Joshua. Das kommt auch bei den anderen gut an. „Wir können Pommes selber machen, wenn wir die Kartoffeln aufschneiden“, schlägt Jana Kriegel vor. „So ist es ein bisschen gesünder.“ Sie schaut sich um. „Wie viele sind wir denn, hat das schon jemand gezählt?“ Sieben Kinder und Jugendliche heben die Hand; mit den beiden Sozialarbeitern und Nadine Arnold (23), die für ihr Studium der Sozialen Arbeit im Weissacher Jugendtreff und im Kinderhaus an der Weißach derzeit Erfahrungen sammelt, essen insgesamt zehn Personen mit. So viele sind es meistens.
„Wer geht einkaufen?“ lautet die nächste Frage. Mehrere Jungs melden sich freiwillig. Bevor es losgeht, sprechen Jana Kriegel und René Schilke sich noch kurz ab, schauen, was in der Küche fehlt. Das Salz ist leer, Mayo gibt es auch nicht mehr. Mit Tüten ausgerüstet geht die Gruppe mit René Schilke los; der Supermarkt ist nur wenige Hundert Meter entfernt. Auf dem Weg dorthin finden sich noch zwei weitere, die gerne mitessen. „Wir brauchen 1000 Gramm Hackfleisch, zwei Netze Kartoffeln, Käse, Tomaten, Salat, Gewürzgurken und Salz“, listet der Sozialarbeiter vor dem Eingang auf. „Wie viele Brötchen esst ihr?“, will er drinnen wissen. „So eineinhalb“, lautet die Antwort. „Das heißt, wir brauchen zwölfmal eineinhalb Brötchen – wer kann’s ohne Handy rechnen?“ Ganz ohne geht es zwar nicht, doch kurz darauf landen 18 Brötchen in einer Papiertüte. „Meistens kommen um die sieben, acht Leute zum Einkaufen mit“, berichtet René Schilke. So ruhig wie an dem Abend seien sie aber fast nie: „Es sind halt doch noch Jugendliche.“
Weitere Themen
Was gekocht wird, ist unterschiedlich. Nudelauflauf gehört zu den Speisen, die häufig auf dem Tisch stehen, Spaghetti sind beliebt, aber auch Thai-Curry. „Beim ersten Curry war ich skeptisch, aber die probieren tatsächlich alles“, sagt Jana Kriegel zurück im Jugendtreff über ihre Schützlinge. „Thai-Curry ist übel geil!“, bekräftigt der elfjährige Joshua. „Am schlimmsten ist es, wenn ich Maultaschen mit Ei koche, weil das langweilig ist“, scherzt René Schilke. In der Woche zuvor erlebten die Sozialarbeiter eine Überraschung. Ein ehemaliger Jugendtreffbesucher, Anton Vogel, kam vorbei und kochte für alle. Tortellini gab es, zum Nachtisch Tarte au citron. „Das war vorzüglich!“, schwärmt Jana Kriegel. „Anton Vogel war 2016 mein allererster Besucher im Jugendtreff. Mittlerweile ist er schon 18 und macht Schule und Studium gleichzeitig.“
Auf Essensvorlieben und Allergien wird Rücksicht genommen
Gemeinsam packen sie die Lebensmittel aus. Danach werden erst einmal die Hände gewaschen. „Mit Seife!“, ruft Jana Kriegel den Jugendlichen hinterher. Am Esstisch schneidet die Gruppe sodann die Brötchen auf, schnippelt Tomaten, Zwiebeln und Kartoffeln. In der Küche formt Joshua aus Hackfleisch und Zwiebeln Burgerpattys und brät sie in der Pfanne. Dass er das nicht zum ersten Mal macht, merkt man. Vorsichtig teilt er ein Patty mit dem Pfannenwender, um zu schauen, ob es durch ist. „Boah, das ist nicht nur gut, das ist besser als gut!“, freut er sich.
Für Vegetarierin Nadine Arnold erwärmt Joshua einen Grillkäse. Auf Essensvorlieben und Allergien wird Rücksicht genommen. „Bei Laktose bin ich raus“, sagt etwa Tim (16). Bald sind auch die Kartoffeln im Ofen. Die Wartezeit bis zum Essen überbrücken einige mit Uno-Spielen. Doch auch ernste Themen kommen zur Sprache. In der Küche erzählt der 16-jährige Ashour, dass seine Familie bald nach Mainz umzieht. Er hat sich auch in der Schule für das Fach Kochen entschieden. „Das bringt mir was, wenn ich später mal alleine wohne“, erklärt er.
Es ist schon dunkel draußen, als um kurz vor 19 Uhr das Essen auf dem Tisch steht. Nacheinander nehmen sich alle ein Brötchen und belegen es. Tim bringt noch eine Karaffe mit Eistee. „Ich wünsche euch einen guten Appetit, lasst es euch schmecken!“, ruft Jana Kriegel. Das lassen sich die Kinder und Jugendlichen nicht zweimal sagen.