Friedrich sagt Antragsstau den Kampf an

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger will Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich die Anträge der Fraktionen zügig abarbeiten. In der jüngsten Gemeinderatssitzung peitschte der OB 25 Anträge durch. Die Stadträte lobten die Idee, kritisierten aber die Vorgehensweise.

Ein Thema von 25: Sachsenweiler sollte laut BfB-Fraktion einen Ortschaftsrat erhalten, doch der Antrag wurde abgelehnt.Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Ein Thema von 25: Sachsenweiler sollte laut BfB-Fraktion einen Ortschaftsrat erhalten, doch der Antrag wurde abgelehnt.Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

Backnang. Für viele Stadträte war die Behandlung ihrer Anträge in der Ägide von Oberbürgermeister Frank Nopper ein Ärgernis. Oft wurden ihre schriftlich formulierten Anliegen überhaupt nicht behandelt, oft erst mit langer Verzögerung, oft erst nach mehrmaligem Nachhaken der Antragsteller. All dies soll der Vergangenheit angehören, zumindest wenn es nach dem Willen von Noppers Nachfolger Maximilian Friedrich geht. Er hat sich auf die Agenda gesetzt, dass die lange Liste der unbeantworteten Anträge und Anfragen innerhalb kurzer Zeit abgearbeitet wird und dass es in Zukunft überhaupt nicht mehr zu solch einem unbefriedigenden Antragsstau kommt.

Bei den Stadträten kam diese Willensbekundung gut an. Zumal Friedrich in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates den Worten auch Taten folgen ließ. Hinter dem Tagesordnungspunkt Anträge der Fraktionen/Stadträte versteckten sich 25 Punkte, zu denen die Stadtverwaltung Rede und Antwort stand. Zum Teil waren die Punkte innerhalb einer Minute erledigt, zum Teil nahmen die Themen aber auch viel Zeit in Anspruch. Zum Einstieg kündigte Friedrich an, jetzt bei jeder passenden Gelegenheit weitere Antragspakete abzuhandeln, bis es zu einem Zustand kommt, dass jede Anfrage – wenn möglich – bereits in der nächsten Sitzung beantwortet werden kann.

Antrag erhielt keine einzige Ja-Stimme, weil die Antragsteller der BfB fehlten

Die Räte waren zwar zufrieden mit der Absichtserklärung Friedrichs. Weil aber die Themen nicht angekündigt waren, kam es teilweise zu seltsamen Situationen. Etwa beim Antrag der BfB-Fraktion, die die Einführung eines Ortschaftsrates für den Wohnbezirk Sachsenweiler forderte. Als nun der Antrag behandelt wurde, fehlten ausgerechnet diejenigen BfB-Mitglieder, auf die die Initiative zurückging. Und Karl Scheib, der einzige BfB-Vertreter in der Sitzung erklärte, er werde sich bei der Abstimmung enthalten, da er in die Antragstellung nicht involviert war. Nach längerer Diskussion wurde der Antrag bei sieben Enthaltungen und keiner einzigen Ja-Stimme abgelehnt. Ein Umstand, der die Frage nach der Sinnhaftigkeit solcher Anträge befeuert. Denn in der Debatte wurde eindeutig klar, dass ein solcher Antrag keine Chance auf Erfolg haben würde. So erklärte etwa Timo Mäule, der Leiter des Haupt- und Personalamts, dass es für Sachsenweiler mit Hans Löffler einen engagierten Teilortsanwalt gebe. Mit ihm habe die Verwaltung gute Erfahrungen gemacht, er sei für die Bürger immer ansprechbar.

Der Trend gehe eher in die andere Richtung, erklärte Heinz Franke (SPD), vielerorts würden die Ortschaftsräte abgeschafft. Dies fordere er zwar nicht, aber man müsse bedenken, „dann könnten auch die Schöntale solch ein Gremium wollen“. Zudem erklärte Franke, die Tatsache, dass etwa Steinbach und Strümpfelbach einen Ortschaftsrat hätten, sei kein Argument, einen solchen auch in Sachsenweiler zu installieren, diese Stadtteile seien früher selbstständige Gemeinden gewesen, denen man bei der Eingliederung im Zuge der Verwaltungsreform in den 70er-Jahren einen Ortschaftsrat zugesprochen habe. Sachsenweiler jedoch sei früher ein Teilort der Gemeinde Unterweissach und nie eine selbstständige Gemeinde gewesen. Ulrike Sturm (Grüne) stimmte Franke zu. Ermutigt fühlte sie sich, weil es im Backnanger Bürgerhaus kein Publikum gab, „das mit faulen Eiern werfen könnte“. Am ehesten noch hätte sich Michael Malcher (AfD) ein solches Gremium vorstellen können, „es hätte schon seinen Charme“. Was er jedoch überhaupt nicht verstehen konnt, war die Begründung des Antrags durch die BfB. Diese lautete, auf dem Ortsschild von Sachsenweiler würde schließlich auch stehen, es handele sich um einen Stadtteil der Großen Kreisstadt. Diese Begründung bezeichnete Malcher als „Witz“. Wenn es darum gehe, könne man einfach das Ortsschild wechseln.

Von der Stadtverwaltung überrumpelt fühlten sich die Räte schon beim ersten Antrag. Dieser stammte von der AfD-Fraktion und lautete: „Wir beantragen die Übertragung aller öffentlichen Gemeinderatssitzungen als Podcast im Internet.“ Die Verwaltung war wohl der Ansicht, dass alleine die Macht der Zahlen für eine schnelle Entscheidung, sprich Ablehnung, sorgen würden. Denn sie hatte ausgerechnet, dass eine solche Aufzeichnung pro Sitzung 2000 Euro kosten würde. Bei 36 Sitzungen im Jahr wären dies 72000 Euro. Und weitere 70000 Euro sollten als Fixkosten pro Jahr dazu kommen für Lizenz-, Programm- und Softwarekosten und fürs Personal, das sich um die Bearbeitung und Aufarbeitung der Beiträge kümmern muss. Zudem gebe es in ganz Baden-Württemberg nur eine Stadt, die solche Podcasts fertigt, nämlich Konstanz. Dass all die anderen davon Abstand nehmen würden, das habe Mäule zufolge seine Gründe. So müssten etwa alle eventuell Beteiligten ihr Einverständnis erklären. Steffen Siggi Degler (AfD) wollte die Segel nicht so einfach streichen. Er erklärte, dass die Bürger Interesse an den Themen haben würden und „daher sollten uns 150000 Euro im Jahr nicht zu viel sein“. Die Verwaltung hingegen verwies auf das geringe Publikumsinteresse, meist tagt das Gremium für sich, ein Dauergast und die Presse einmal ausgenommen.

Wer jedoch erwartet hatte, der Antrag würde in Bausch und Bogen abgeschmettert, der hatte die Rechnung ohne die Stadträte gemacht. So bezweifelte Lutz-Dietrich Schweizer (CIB) die Angaben der Verwaltung und fragte, „sind die Kosten realistisch“? Und Pia Täpsi-Kleinpeter (SPD) sagte: „Ich würde jetzt nicht abstimmen können, die Fraktionen sollten sich erst besprechen. Ich höre das jetzt vor zwei bis drei Minuten erstmals.“ Ute Ulfert (CDU) kritisierte ebenfalls, dass die Stadträte das Abarbeiten von Anträgen in dieser Form zum ersten Mal machen würden. Sie plädierte dafür, die Themen wenigstens zuvor im Ältestenrat zu erfahren. Auch Michael Malcher krittelte, „es wäre schon von Vorteil, wenn wir die Liste mit den Themen vorher gekannt hätten“. Er sagte: „Wir waren überrascht, dass unser Antrag überhaupt bearbeitet wird, und jetzt kommt er noch als erstes.“ Einzig Willy Härtner (Grüne) zeigte Verständnis für Friedrichs Antragskehrwoche. Er plädierte dafür, jetzt über den Antrag abzustimmen. Sollten in den Diskussionen danach noch andere Aspekte zum Vorschein kommen, so könnten die Fraktionen die Anträge nochmals neu stellen. Am Ende einigten sich die Stadträte darauf, den AfD-Antrag zurückzustellen.

Kommentar
Überraschungstüte kommt nicht gut an
Auszug aus den 25 Anträgen der Fraktionen

Stadtteile „Einzelne öffentliche Ausschusssitzungen des Gemeinderats sollten zukünftig auch in den Räumen der Backnanger Stadtteile stattfinden, da viele Räte wenig Bezug zu den Stadtteilen haben.“ Der BfB-Antrag wurde abgelehnt, sechs Räte stimmten mit Ja, 13 mit Nein.

Protokolle Die SPD-Fraktion beantragt die zeitnahe Veröffentlichung aller Protokolle über die Beratungen und Beschlüsse des Gemeinderats und seiner Ausschüsse auf der Homepage der Stadt. Beschluss: Geschieht ab 1. Januar 2022.

Digitalisierung „Die Verwaltung berichtet über den Planungs-/Sachstand der Digitalisierung an den Schulen und in der Stadtverwaltung.“ (CDU-Antrag). Verwaltung: Geschieht fortlaufend.

Social Media „Die Stadt Backnang richtet offizielle Seiten in den sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter ein und stellt das Konzept dafür im Gemeinderat vor.“ (CDU-Antrag).

„Verwaltung und OB sollten im Netz anzutreffen sein. Alle Aktivitäten und Angebote werden deshalb mit städtischen Profilen auf momentan relevanten sozialen Plattformen wie Facebook und Twitter beworben.“ (Grüne-Antrag). Beiden Anträgen wird entsprochen.

Straßenfest „Die Stadtverwaltung unterstützt die Initiative ,Plastikfreies Straßenfest‘ und stellt die Vorgehensweise dem Gremium vor.“ (Grüne-Antrag). Überholt durch Gesetzgebung.

Euerle-Halle „Wir bitten um Information über die Konzeption über die Durchführung von Sportunterricht und Vereinssport während der Bauzeit der Karl-Euerle-Halle.“ (CDU-Antrag). Verwaltung: Geschieht fortlaufend.

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Erstellt:
18. November 2021, 06:00 Uhr

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