Frust über SEV zwischen Backnang und Marbach

Infolge der Hangrutschung bei Kirchberg an der Murr nach dem Unwetter in der vergangenen Woche verkehren zwischen Backnang und Marbach vorerst keine Züge. Pendler kritisieren den eingerichteten SEV als unzuverlässig, die Bahn verweist auf die komplizierte Situation.

Von Reparaturarbeiten im Nachgang der Hangrutschung ist im Bereich des Bahnhofs von Kirchberg an der Murr bislang noch nichts zu sehen. Einem Bahnsprecher zufolge läuft derzeit noch die Sichtung der Schäden. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Von Reparaturarbeiten im Nachgang der Hangrutschung ist im Bereich des Bahnhofs von Kirchberg an der Murr bislang noch nichts zu sehen. Einem Bahnsprecher zufolge läuft derzeit noch die Sichtung der Schäden. Foto: Tobias Sellmaier

Von Kai Wieland

Kirchberg an der Murr. Die Deutsche Bahn wird viel gescholten für ihr Schienennetz und dessen unzureichende Instandhaltung – sicherlich oftmals zu Recht, immerhin hat sich das Unternehmen im jüngsten Netzzustandsbericht vom Mai selbst nur die Bewertung „mittelmäßig“ verpasst. Vor allem pünktlichkeitsrelevante Anlagen wie Weichen, Bahnübergänge und Stellwerke im hochbelasteten Netz lägen nur im Notenbereich „mittelmäßig“ bis „mangelhaft“.

Für die Hangrutschung im Bereich des Bahnhofs von Kirchberg an der Murr im Zuge des heftigen Unwetters in der vergangenen Woche kann die Deutsche Bahn natürlich nichts. An seinem Umgang mit der Situation muss sich das Unternehmen allerdings sehr wohl messen lassen und hier ist „mittelmäßig“ wohl nicht gerade der Begriff, der vielen Bahnreisenden auf der sogenannten kleinen Murrbahn als Erstes in den Sinn kommt.

„So schlecht, dass ich zwischenzeitlich auf einen Roller umgestiegen bin“, meldet uns etwa ein User auf eine Instagram-Umfrage zurück. „Sehr schlecht und unzuverlässig“, meint ein anderer. Die Rede ist vom Schienenersatzverkehr, der aktuell auf der Strecke eingesetzt wird. Zwischen Backnang und Marbach am Neckar fahren bis auf Weiteres keine Züge, die S-Bahnen der Linie S4 verkehren nur im Abschnitt zwischen Stuttgart-Schwabstraße und Marbach. Am Donnerstag, dem Tag nach dem Unwetter, hatte die Deutsche Bahn eigenen Angaben zufolge zunächst einen „kurzfristig organisierten Notverkehr“ eingerichtet. Ab Freitag sollte laut VVS im Rahmen eines Ersatzverkehrs, durchgeführt von der Firma Weiss Touristik, für jede planmäßige S-Bahn ein Bus fahren.

Drei Busunternehmen sind im Einsatz

Die Realität sieht allerdings am gestrigen Dienstagmorgen noch immer anders aus. Lucia Streib aus Marbach am Neckar nutzt den ÖPNV für ihren Weg zur Arbeit in der Anzeigenredaktion der Backnanger Kreiszeitung. Sowohl am Montag als auch gestern wartete sie um 7.11 Uhr vergeblich auf den Bus S4E, in beiden Fällen musste sie mit einer Verbindung um 7.41 Uhr vorliebnehmen. Irritierend dabei: Es handle sich nicht um die Busse des angegebenen Unternehmens Weiss Touristik, sondern es seien noch weitere Busfirmen mit im Boot, welche sich den Fahrplan offenbar aufteilten – ob dabei wohl die eine oder andere Verbindung durch das Raster fällt?

Ein Sprecher der Deutschen Bahn bestätigt, dass zwischen Marbach und Backnang seit Freitag die drei Unternehmen 57 Tours, Thumm und Klingel aus der Region Weil der Stadt im Einsatz seien. Die Firma Weiss Touristik habe lediglich am Mittwoch des Unwetters und am Folgetag den Notdienst übernommen. „Bei der Beauftragung von Busunternehmen greifen wir nach Möglichkeit auf langjährige feste Partner zurück“, so der Sprecher weiter. Da der Arbeitsmarkt für Busfahrerinnen und Busfahrer aber sehr angespannt sei, kämen die Betriebe aus den unterschiedlichsten Regionen. Zudem verwies er auf die umfangreichen Ersatzverkehre, welche über die Sommermonate im Zuge der Arbeiten für den Digitalen Knoten noch organisiert werden müssten. „Da sind bereits sehr viele unserer Ressourcen gebunden und deshalb ist eine unvorhergesehene Situation wie diese natürlich eine zusätzliche Herausforderung für uns.“ Letztlich sei es aber dennoch gelungen, die notwendigen Kapazitäten zu beschaffen, um auf der Linie S4 jede geplante S-Bahn zu ersetzen. „Das heißt übrigens nicht, dass für eine S-Bahn nur ein Bus kommt, sondern dass zu den Stoßzeiten auch mehrere Busse pro S-Bahn fahren, um die Nachfrage bedienen zu können.“

Verkehrssituation wirkt sich aus

Wieso dann sowohl am Montag als auch am Dienstag die Verbindung von Lucia Streib um 7.11 Uhr nicht bedient wurde, kann der Unternehmenssprecher auf die Schnelle nicht beantworten. „Die Kapazitäten sind grundsätzlich vorhanden, aber dann kommt natürlich immer die Verkehrssituation dazu. Da kann es dann auch mal passieren, dass zu einer bestimmten Uhrzeit kein Bus vor Ort ist.“ Wieso dies zweimal um 7.11 Uhr der Fall gewesen sei, wolle man nun prüfen und gegebenenfalls korrigieren. „Auch wenn wir für die Durchführung des Schienenersatzverkehrs diese drei Busunternehmen beauftragt haben, ist es uns wichtig, zu betonen, dass vor allem wir als Deutsche Bahn in der Verantwortung stehen.“

Das klingt gut, doch die Ausgestaltung vor Ort steht bekanntlich auf einem anderen Blatt. Isolde Fleuchaus, Leiterin der Gewerblichen Schule Backnang, berichtet von einer regelrechten Irrfahrt am vergangenen Freitag, welche ihr Teile des Kollegiums geschildert hätten. Ein Bus des Schienenersatzverkehrs sei demnach zunächst gar nicht gemäß Plan in Backnang eingetroffen, ein späterer Bus habe teilweise Stationen ausgelassen. „Das war unglaublich, denn der Fahrer wusste überhaupt nicht, wo er zu halten hatte.“ Zudem habe er, offenbar mangels Erfahrung im Rangieren langer Busse, teilweise Bürgersteige mit dem Hinterreifen überfahren. „Ich fürchte, dass unsere Schüler aus dieser Richtung und aus den Dörfern auf der Linie kaum eine Möglichkeit haben, die Schule irgendwie rechtzeitig zu erreichen.“

SEV kämpft mit Startschwierigkeiten

Weitere Themen

Die Startschwierigkeiten des Schienenersatzverkehrs zwischen Marbach und Backnang sind der Deutschen Bahn durchaus bekannt. „Die Busunternehmen sind ja alle nicht von hier und hatten auch keine Gelegenheit, ihr Personal vorab in die örtlichen Gegebenheiten einzulernen“, so der Bahnsprecher. „Das passiert jetzt sozusagen im laufenden Prozess. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich der Ablauf immer weiter verbessert.“

Daran wäre wohl nicht nur Lucia Streib und den anderen Pendlerinnen und Pendlern gelegen, sondern auch den eingesetzten Busfahrern. „Sie haben einen wirklich gestressten Eindruck gemacht, einer sagte auch, er habe den ganzen Tag über keine Pause gehabt“, so Streib. Ein Sprecher der Deutschen Bahn betonte, dass Arbeitsrecht und Vorschriften zu Lenkzeiten selbstverständlich eingehalten werden müssten. Auch hier mache die Verkehrssituation aber bisweilen einen Strich durch die Rechnung. „Es kann passieren, dass ein Fahrer vielleicht während seiner Pausenzeit noch im Stau steht und dann erst am Ziel ankommt, wenn laut Plan schon die nächste Abfahrt ansteht“, sagt er. Aus diesem Grund habe man aber Koordinatoren vor Ort, die in solchen Fällen einschritten und versuchten, durch Anpassungen die Pausenzeiten wieder sicherzustellen.

Wie lange dauern die Reparaturarbeiten?

Für Irritationen sorgt bei den Bahnreisenden auch der Umstand, dass an den beschädigten Gleisen bislang offenbar noch keine Reparaturmaßnahmen angelaufen sind. „Insgesamt ist wenig Anstrengung zu verspüren, dass die Strecke schnell repariert werden soll“, beklagt sich ein User über Instagram.

Wie lange die Einschränkungen auf der kleinen Murrbahn noch andauern, ist derzeit tatsächlich noch nicht bekannt. „Der Gleisbereich ist teilweise mehr oder weniger zerstört, sodass wirklich ein Neuaufbau notwendig ist“, erklärt ein Bahnsprecher. Derzeit laufe noch die Sichtung, sodass noch gar nichts abgeschätzt werden könne.

Zum Artikel

Erstellt:
3. Juli 2024, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

100 Jahre CVJM Kirchberg – und dabei keineswegs alt

100 Jahre Tradition, Innovation und Mission: Dem CVJM Kirchberg ist es ein wichtiges Anliegen, Jesu Botschaft im Ort erlebbar zu machen. Gemeinschaft soll erlebbar werden. Dabei werden auch gesellschaftlicher Wandel und Veränderung nicht außer Acht gelassen.

Stadt & Kreis

Frust über SEV zwischen Backnang und Marbach

Infolge der Hangrutschung bei Kirchberg an der Murr nach dem Unwetter in der vergangenen Woche verkehren zwischen Backnang und Marbach vorerst keine Züge. Pendler kritisieren den eingerichteten SEV als unzuverlässig, die Bahn verweist auf die komplizierte Situation.

Im Kochstudio des ZDF ist alles für die Kandidatinnen und Kandidaten vorbereitet. Daniel Schmidt ist bereit für die Herausforderung.
Top

Stadt & Kreis

Ein Kirchberger bei „Die Küchenschlacht“

Hobbykoch und Grillspezialist Daniel Schmidt aus Kirchberg an der Murr präsentiert seine liebsten Gerichte demnächst bei der Kochsendung „Die Küchenschlacht“. Die Folgen mit ihm werden ab 1. Juli ausgestrahlt.