Fünf Jahre Haft für falschen Pizzaboten

Die Einweisung in eine Entziehungsanstalt wurde angeordnet. Das Backnanger Opfer hatten die Räuber gefesselt und geknebelt zurückgelassen.

66-Jähriger wurde in einem Backnanger Industriegebiet überfallen. Symbolfoto: Fotogestoeber/Stock-Adobe

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66-Jähriger wurde in einem Backnanger Industriegebiet überfallen. Symbolfoto: Fotogestoeber/Stock-Adobe

Von Heike Rommel

Backnang. Das Stuttgarter Landgericht hat den Räuber, der zusammen mit einem Mittäter im Dezember 2020 einen 66-jährigen Mann in einem Backnanger Industriegebiet überfallen hat (wir berichteten), gestern zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Weil der 30-jährige Angeklagte aber drogenabhängig ist, wird er in eine Entziehungsanstalt eingewiesen und kommt nach der Halbstrafenzeit nur dann auf Bewährung raus, wenn die Behandlung in der Entziehungsanstalt auch erfolgreich ist.

Der Vorsitzende Richter Volker Peterke bescheinigte dem 30-Jährigen „Brachialgewalt“, als er das Urteil sprach. Bei zwei Einbruchsdiebstählen in der Nacht auf den 24. Juli 2020 in einem Mobilfunkshop in Stuttgart-Weilimdorf und drei Tage später in einer Spielhalle in Sersheim (Kreis Ludwigsburg) entstanden zwar hohe Sachschäden, aber es kamen zumindest keine Personen zu Schaden.

Anders verhielt es sich bei der Haupttat am 19. Dezember 2020 gegen 20 Uhr in einem relativ einsamen Backnanger Industriegebiet. Dort tauchten der 30-Jährige und ein Mittäter, dessen Namen er nicht nennen will, als falsche Pizzaboten auf. „In der dunklen, einsamen Gegend“, so führte Richter Peterke bei der Urteilsbegründung aus, kontaktierten sie den 66-jährigen Bewohner zunächst über die Sprechanlage. Dieser meinte zwar, er habe keine Pizza bestellt, machte aber trotzdem auf. Die maskierten falschen Pizzaboten fesselten und knebelten ihn, damit er nicht um Hilfe rufen oder flüchten kann.

Sie zogen ihm etwa 600 Euro aus der Hosentasche und holten sich aus dieser auch einen Generalschlüssel. Der 30-Jährige bekam mit dem Code, den er dem Opfer abpresste, den Tresor nicht auf. Also wuchtete er ihn von der Wand weg und verfrachtete ihn samt 250 Euro Bargeld sowie Goldbarren im Wert von 150 Euro ins Fluchtauto. Das Opfer wurde gefesselt und geknebelt zurückgelassen. „Es hätte passieren können, dass der Mann das ganze Wochenende dort liegt und möglicherweise nicht mehr am Leben wäre“, verurteilte der Richter das brutale Vorgehen der Räuber. Der 66-Jährige habe es „wie beim Sackhüpfen“ ins Haus geschafft und sich nur unter enormer Kraftanstrengung von seinen Fesseln befreien können, um sich zu seinem Nachbarn zu retten, der die Polizei rief.

Was das Gericht bei der Urteilsfindung negativ bewertete, war, dass die Räuber „sehr rabiat“ vorgegangen sind und dass der 30-Jährige seinen Mittäter nicht preisgab. Der Vorsitzende Richter hatte bei der Urteilsverkündung immer noch das Bild von dem stark blutenden Backnanger Opfer im Kopf, das zum Glück keine schwerwiegende Innenohrverletzung erlitten hatte.

Der verurteilte Räuber war bereits zwölfmal vorbestraft und stand zur Tatzeit unter Bewährung. Das Gericht stufte ihn, gestützt auf ein psychiatrisches Gutachten, als voll schuldfähig ein, denn alle Taten seien gut geplant gewesen. Geschnappt wurde der Räuber, weil er in der DNA-Kartei steht und Spuren hinterlassen hat.

Vor der Untersuchungshaft war der gebürtige Stuttgarter ohne festen Wohnsitz. In seinen Straftaten erkannte das Gericht einerseits Beschaffungskriminalität für Drogen, andererseits aber auch ein hohes Gewaltpotenzial. Mit „Speed“, also Amphetaminen, sagte der Angeklagte, habe er sich leistungsfähig gefühlt und kaum mehr Schlaf gebraucht. Sein Geständnis war nicht unbedingt ein wertvolles, weil er nur einen seiner Mittäter aus den Einbruchsdiebstählen und nicht den aus der Haupttat in Backnang benannt hat.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft plädierte in diesem Fall auf fünfeinhalb Jahre Gefängnis und die Verteidigung plädierte auf unter fünf Jahre. Zu den Erfolgsaussichten der Einweisung in eine Entziehungsanstalt meinte der Richter, der Verurteilte müsse lernen, sich an Regeln zu halten, und mit seiner Malerausbildung aus dem Jugendgefängnis schauen, dass er ein normales Berufsleben führen kann. „So wie wir alle.“

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Erstellt:
2. März 2022, 11:30 Uhr

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