Für den Film „Aspach“ stand der halbe Ort vor der Kamera

Der Regisseur Konrad Seitter alias Koni Hansen hat seinem Heimatort mit „Aspach“ ein filmisches Denkmal gesetzt. Mit seinem 84-minütigen Debütwerk porträtiert er einfühlsam den Alltag der Aspacherinnen und Aspacher. Eine Fortsetzung ist schon geplant.

Diese Szene mit Henriette Schwabe und Jan-David Bürger wurde an einer Bushaltestelle in Mittelschöntal gedreht. Foto: Ringo Paulusch

Diese Szene mit Henriette Schwabe und Jan-David Bürger wurde an einer Bushaltestelle in Mittelschöntal gedreht. Foto: Ringo Paulusch

Von Heidrun Gehrke

Aspach. Eine liebevolle Hommage an seine Heimat ist der Film „Aspach“: Der aus Aspach stammende Konrad Seitter zeigt, nach dem Vorbild des Episodenfilms, in 20 Spielszenen und Porträts fast 100 Menschen in ihrem Alltag. Die halbe Gemeinde stand vor der Kamera oder hat einen privaten Drehort zur Verfügung gestellt. Sieben Jahre hat es bis zur Fertigstellung des Regiedebüts des 47-Jährigen gedauert. Am 28. November feiert der Film „Aspach“ nun im Universum in Backnang Kinopremiere.

Regisseur Koni Hansen, wie sein Künstlername lautet, ist in Aspach aufgewachsen, wohnt in Berlin, lebt von seinem antiquarischen Buchladen, organisiert Bücherflohmärkte, studiert an der Humboldt-Universität berufsbegleitend Grundschul- und Sonderpädagogik. Und er filmt. Mit seinem 84-minütigen filmischen Porträt „Aspach“ wollte er einen Heimatfilm drehen, „aber keine typische lineare Geschichte erzählen“. Stattdessen hat er sich an die Fersen Einheimischer geheftet und sie bei typischen Alltagssituationen begleitet: bügeln, Skateboard fahren, Gassi gehen, einkaufen. Gedreht wurden Weinfestbesucher und Rosen schneidende Gartenbesitzer. „Es waren so viele spannende, liebenswerte, schöne Begegnungen und Situationen, dass ich gar nicht alle in einem Film unterbringen konnte.“ Eine Fortsetzung sei schon geplant. Bei seinen Pilgertouren zu den „Originalfilmplätzen“ stets auf Schritt und Tritt an seiner Seite war der Fotograf und Kameramann Ringo Paulusch aus Backnang. Für den Ton konnte Frank Richter (nicht aus dem Rems-Murr-Kreis) gewonnen werden.

Unter den geschätzt 200 Leuten, die im ersten Teil mitgewirkt haben (Akteure und Komparsen eingerechnet), waren auch viele alte Weggefährten aus Konrad Seitters Kindertagen. An verschiedenen Schauplätzen, quer durch die Region, auch außerhalb Aspachs, sind unzählige Puzzleteile entstanden. In monatelanger Regiearbeit hat er sie zu einem sensiblen, auch kuriosen, komischen Gesamtbild zusammengesetzt.

Der Film sei „melancholischer geworden“ als beabsichtigt. Seine Heimat sei ihm während des Projekts „wieder stärker ans Herz gewachsen“. Er habe es als schön empfunden, sich „so einem kleinen Fleck Erde, dem woanders auf der Welt nicht groß Bedeutung geschenkt wird, so verbunden zu fühlen“. Während der Dreharbeiten seien auch Tränen geflossen: „Einige Personen, die ich vor der Kamera hatte, sind leider inzwischen gestorben“, erzählt er.

Foto: Ringo Paulusch

© Ringo Paulusch

Foto: Ringo Paulusch

Konrad Seitter sagt, er sei sich phasenweise vorgekommen wie ein „Jäger und Sammler“. Immer wieder hätten ihm Bewohner persönliche Gegenstände zur Verfügung gestellt, ihn auf den Dachboden oder in den Keller mitgenommen. Viele Requisiten habe er zunächst beiseite gelegt – „ich wusste nicht, was damit anfangen“. Denn er sei ohne festes Drehbuch, nur mit losen Szenen ohne Reihenfolge, in die Filmarbeiten reingegangen. Nach und nach habe sich für manches eine Verwendung gefunden. So wurde eine alte Straßenkarte des Dorfs, die ihm ein ehemaliger Nachbar und Krämerladenbesitzer gegeben habe, zum Opener (eröffnende Szene) des Films.

Ähnlich ergebnisoffen habe er bei einem Modelleisenbahnfan mit der Kamera auf die fahrenden Züge gehalten. „Uns haben die Züge fasziniert, alles gab so nette und tolle Bilder, ohne zu wissen, wie das in die Geschichte passen könnte.“ Der Groschen sei erst beim Schnitt gefallen. Auf einmal sah Konrad Seitter in der Miniaturlandschaft ein Abbild der Gemeinde. „Entlang der Gleise finden sich viele Elemente und typische Dorfszenen wieder: Schule, Sitzbänke, Sportplatz, Feuerwehr, Landwirt mit Traktor, Bäcker, Kuhweide“, zählt er auf. Die Filmszenen hätten durch das gefilmte Fahren der Eisenbahn von Station zu Station ein verbindendes Element bekommen.

Auch bei der Auswahl der Mitspieler und Komparsen wirkte oft das Prinzip Zufall. Fast alle hätten noch nie vor einer Kamera gestanden. „Sie brauchten ihre Zeit, um sich an die Kamera zu gewöhnen. Da habe ich Federn gelassen und viel gelernt“, bekennt Konrad Seitter. Ebenso blieben Überraschungen in die andere Richtung nicht aus: „Es gab Naturtalente, eine Marktverkäuferin, die ich aus Berlin kenne, hat sich als Einspringerin erwiesen.“ Ein Glücksfall für den Film sei auch Max Stadler, Laiendarsteller aus Backnang.

Mit dem Blick aufs Konkrete möchte er universelle Geschichten erzählen

Erzählt wird alles entlang der Protagonistin Rahel Hruby aus Kleinaspach, die jüngste Tochter seiner Schwester. Auch ihre Brüder David, Jonathan und Jeremias haben einen Auftritt. Engin, ein alter Kumpel von Konrad Seitter aus Jugendzeiten, spielt einen Fremden, der nachts um die Häuser schleicht. Ein kleiner Junge aus Rietenau spielt einen Steineklopfer. Auch viel Musik steckt in dem Film: Drei Aktive des Theaters Rietenau steuern Gesangseinlagen bei. Die Kantorei Rietenau mit Leiterin Simone Alex-Kummer hat einen Beitrag geleistet.

Konrad Seitter sagt, er habe eine Liebe zu seinen Figuren entwickelt, zugleich sei er sich bewusst, dass man manche vielleicht als Karikatur verstehen könnte. „Ich wollte aber nicht zeigen: ‚Schaut, so sind die vom Dorf.‘ Die einzelnen Geschichten könnten überall auf der Welt stattfinden.“ Mit einem universellen Film wolle er ein Gemeinschaftswerk anstoßen, an dem jeder seinen Anteil hat. „Es wäre schön, wenn man den Film so erleben würde, dass wir alle Teil von etwas Gemeinsamem sind.“

Vorführungen Gezeigt wird „Aspach“ erstmals am Dienstag, 28. November, um 19 Uhr im Kino Universum im Backnang. Weitere Aufführungen sind am Samstag, 2. Dezember, um 15.15 Uhr und Dienstag, 5. Dezember, um 19.45 Uhr. Der Kartenvorverkauf hat schon begonnen. Tickets sind erhältlich unter https://backnangerkinos.de. Sollten die Vorstellungen gut besucht sein, soll es noch zu weiteren Terminen kommen.

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Erstellt:
27. November 2023, 06:00 Uhr

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