Gastronomen im Raum Backnang schlagen zähneknirschend auf
Seit Jahresbeginn beträgt der Mehrwertsteuersatz für Speisen im Restaurant wieder 19 Prozent. Die Sonderregelung, die eine Absenkung auf sieben Prozent bewirkt hat, ist ausgelaufen. Die Gastronomen geben die Differenz überwiegend an die Gäste weiter, hadern aber mit der Situation.
Von Kai Wieland
Rems-Murr. „Wir haben den Fehler gemacht, uns auf das Wort des Kanzlers zu verlassen“, sagt Alexander Munz in aller Deutlichkeit. Seit 2021 betreibt er gemeinsam mit Jan Decker das Restaurant Einhorn in Oppenweiler. Anlass des Ärgers, der Munz ebenso wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen in der Gastronomie umtreibt, ist die Rückkehr zum Umsatzsteuersatz von 19 Prozent für Speisen im Restaurant (siehe Infotext), obwohl eine Verlängerung des ermäßigten Steuersatzes von Bundeskanzler Olaf Scholz in Aussicht gestellt worden war. Die Gastronomen standen und stehen nun vor der Frage, ob die Gäste eine dem Steuersatz entsprechende Preiserhöhung in Kauf nehmen.
Ein konkretes Beispiel: Wer vor dem Jahreswechsel im Gasthof Lamm in Althütte-Waldenweiler ein Allgäuer Rahmschnitzel mit Spätzle und Salatteller bestellte, bezahlte dafür 17 Euro. Wer sich für eine vegetarische Alternative, ein paniertes Kartoffel-Käse-Schnitzel mit Preiselbeeren und Salat, entschied, legte 13,50 Euro auf den Tisch. Im Januar 2024 stehen diese Gerichte mit 19 Euro beziehungsweise 15 Euro auf der Karte – beide Preisanstiege entsprechen ziemlich exakt der Differenz im Steuersatz von zwölf Prozent.
Das Einsparpotenzial ist gering
„Wir geben die Mehrwertsteuer weiter“, bestätigt der Betreiber Kai Heinrich. „Aufgrund der gestiegenen Kosten hätten wir eigentlich schon im Herbst aufschlagen müssen, aber wir wollten die Entwicklung noch abwarten. Die Preise konnten wir aber nur mit der verminderten Mehrwertsteuer halten.“ Der junge Gastronom, welcher den Betrieb der Eltern übernommen hat, ist besorgt, wie sich die höheren Preise auf die Gästezahlen auswirken werden, obwohl er bislang nur von wenigen Kunden darauf angesprochen werde. „Diejenigen sagen, dass ein oder zwei Euro mehr den Kohl nicht fett machen. Aber es ist natürlich klar, dass das nicht jeder so sehen kann und es womöglich auch nicht auf Dauer so bleibt.“ Gravierender als die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes an sich sei allerdings der Anstieg der Energie- und Personalkosten. An anderen Stellen zu sparen sei daher schwierig. „Es gibt vielleicht auch ein paar, die ihre Portionen kleiner machen, aber aus meiner Sicht legt man damit den Kunden aufs Kreuz.“
Auch Alexander Munz und Jan Decker haben die Preise im Einhorn bereits angepasst. „Nicht immer um exakt zwölf Prozent, aber eben überall dort, wo es notwendig war“, so Munz. Zugleich betont er allerdings, dass es sich um keine Preiserhöhung im eigentlichen Sinne handle. „Wir kalkulieren Nettopreise und dann kommt die jeweilige Steuer eben dazu, so wie in jedem anderen Gewerbe auch.“ Dass dies dennoch Auswirkungen auf die Zahlungsbereitschaft der Menschen und damit auf sein Geschäft haben kann, ist ihm aber natürlich bewusst. „Letztlich sind wir ein Stück weit Luxusgut, auf das die Leute in schwierigen Zeiten eher mal verzichten.“ Für ein Fazit, ob die angepassten Preise bereits Gäste abschrecken, sei es aber noch zu früh. Ohnehin spreche er diese nicht aktiv auf die Thematik an. „Wenn Menschen zu uns kommen, wollen sie nicht mit unseren Problemen konfrontiert werden, sondern einen schönen Tag erleben.“
Man könne bislang nur schätzen, wie die Menschen auf die Weitergabe des erhöhten Steuersatzes reagieren werden, sagt auch Markus Beier, Geschäftsführer der Bezirkskammer Rems-Murr in der IHK Region Stuttgart. Die Erfahrung zeige allerdings die Tendenz, dass die hochpreisige Gastronomie eher die Möglichkeit habe, die Steuererhöhung an die Kundschaft weiterzugeben. „Im mittel- und tiefpreisigen Segment ist die Kundschaft preissensibler“, so Beier. „Hier sehen wir bei den Gastronomen, dass manche von ihnen doppelt auszeichnen, um die Gäste auf den zukünftigen Preis vorzubereiten, oder sie erhöhen stufenweise.“ Auf eine Preiserhöhung völlig zu verzichten sei in Anbetracht der Kostenentwicklung aber für die wenigsten Gastronomen eine gangbare Option.
Ein Gastronom, der angibt, vorerst noch nicht aufschlagen zu wollen, ist Roland Michaelis, der im Auenwalder Ortsteil Däfern das Waldhorn betreibt. „Wir hatten krankheitsbedingt zuletzt länger zu, da wollten wir nicht direkt aufschlagen“, erklärt er. „Deshalb warten wir jetzt erst mal den Umsatz im Januar ab.“ Die Rückkehr zu 19 Prozent hält er nicht per se für katastrophal, allerdings seien die Kosten gewaltig gestiegen. Ein noch größeres Problem sei zudem der Personalmangel. Wo immer es möglich ist, versuche er daher beim Einkauf zu sparen.
Die Branche ist noch nicht genesen
Die Sorgen der Gastronomen sind deutlich spürbar. „Wir beobachten, dass viele von ihnen derzeit geplante Investitionen zurückstellen und einige sich, je nach Alter, auch schon vorzeitig in den Ruhestand zurückziehen. Manche versuchen, damit umzugehen, indem sie etwa die Öffnungszeiten reduzieren oder hier und da weniger Personal einsetzen“, berichtet Markus Beier, der in den kommenden Monaten auch mit weiteren Betriebsschließungen rechnet.
Nicht alle haben indessen Verständnis für den Unmut der Gastronomen. Gegenüber der Pandemiezeit ist mittlerweile schließlich vieles zur Normalität zurückgekehrt, wieso sollte dies nicht auch für den Umsatzsteuersatz in Restaurants gelten? „Natürlich ist es zunächst einmal einfach nur eine Rückkehr zum Regelsteuersatz“, bestätigt Markus Beier. „Der trifft die Branche zum aktuellen Zeitpunkt aber hart, weil es ohnehin schon einen Mix von Unsicherheitsfaktoren wie Inflation und Fachkräftemangel gibt. Die Rückkehr zum Regelsteuersatz verkompliziert das zusätzlich.“ Seitens der IHK wie auch der Verbände wird nämlich nicht allein der Anstieg des Steuersatzes an sich kritisiert, sondern die damit verbundene Wiedereinführung der steuerlichen Ungleichbehandlung von Restaurant und Außer-Haus-Geschäft. „Es wäre die Gelegenheit gewesen, endlich die Besteuerung zu vereinfachen, indem man alles auf sieben Prozent setzt. Das wäre die sinnvollste Lösung gewesen“, findet Beier. Dass es steuerlich etwa einen Unterschied mache, ob man den Cappuccino mit Kuhmilch (sieben Prozent) oder mit Hafermilch (19 Prozent) zubereitet, findet er nicht mehr zeitgemäß. Es ist eine Argumentation, die von der Idee wegführt, den verminderten Steuersatz als Kriseninstrument zu sehen.
„Eine Katastrophe ist es nicht“, zeigt sich Alexander Munz vom Einhorn abschließend zuversichtlich. „Man muss sich als Gastronom eben darauf einstellen“ – wie auf so vieles in diesen Tagen.
Steuersätze Seit 1. Januar gilt für Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle wieder der Regelsteuersatz von 19 Prozent. Speisen im Außer-Haus-Geschäft (Imbiss, Lieferung und Abholung) werden hingegen weiterhin mit dem ermäßigten Satz von sieben Prozent besteuert. Der Umsatzsteuersatz für Getränke beträgt unverändert 19 Prozent.
Sonderregelung Aufgrund der Einschränkungen während der Pandemie wurde in der Gastronomie zum 1. Juli 2020 der Steuersatz auf Speisen zeitlich befristet auf sieben Prozent reduziert. Um das Gastgewerbe bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie sowie der Energiekrise zu unterstützen, wurde der ermäßigte Umsatzsteuersatz mehrmals verlängert. Zum 31. Dezember 2023 lief die Sonderregelung nun aus.