Geflüchtete ziehen in Heutensbacher Hotel

Nachdem der bisherige Pächter das Hotel Löwen Ende März geschlossen hat, übernimmt nun der Landkreis zunächst für ein Jahr die Immobilie im Ortskern. Ab Mai sollen dort bis zu 80 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine untergebracht werden.

Bis Ende März übernachteten Geschäftsreisende und Urlauber im Hotel Löwen, ab Mai können hier bis zu 80 Menschen wohnen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Bis Ende März übernachteten Geschäftsreisende und Urlauber im Hotel Löwen, ab Mai können hier bis zu 80 Menschen wohnen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Allmersbach im Tal. Als Gunnar Stuhlmann mit seiner Projektgesellschaft Weissacher Tal im November 2021 das Hotel Löwen in Heutensbach kaufte, hatte er noch ganz andere Pläne mit der Immobilie. „Wir wollten das Haus gerneralsanieren und dann als Bio-Plus-Hotel wiedereröffnen“, erzählt der Geschäftsführer, der zugleich eine Anwaltskanzlei in Weissach im Tal betreibt. Der Vertrag mit dem bisherigen Pächter wurde auf Ende März gekündigt, die Planungen für den Umbau liefen bereits auf Hochtouren.

Doch dann marschierten am 24. Februar russische Truppen in die Ukraine ein und Millionen Menschen, überwiegend Frauen und Kinder, flohen vor dem Krieg. Als Gunnar Stuhlmann die Bilder im Fernsehen sah, beschloss er spontan, seine Pläne zu ändern: „Wenn Menschen in Not sind, dann hat man zu helfen“, findet der Rechtsanwalt. Deshalb schrieb er einen Brief an Landrat Richard Sigel, in dem er das Haus mit seinen 27 Zimmern als Unterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine anbot. Insgesamt könnten bis zu 80 Menschen im Hotel Löwen und der ebenfalls leer stehenden Pächterwohnung unterkommen.

Bei einem Ortstermin mit Vertretern des Landratsamts wurde die Sache wenig später fixiert. Zum 1. April hat der Landkreis das Hotel Löwen nun als Flüchtlingsunterkunft gemietet, zunächst für ein Jahr mit der Option auf Verlängerung. Nicht betroffen ist davon das benachbarte Restaurant Löwen, das wie bisher von Wirt Matthias Häußer betrieben wird.

Tagungsraum wird zur Küche, Saunabereich zur Waschküche

Die Bewohner des Allmersbacher Ortsteils Heutensbach wurden bereits in der vergangenen Woche schriftlich über die Pläne informiert. Negative Reaktionen hätten sie bisher nicht erreicht, erklärt die Bürgermeisterin Patrizia Rall. Im Gegenteil: „Ich spüre eine große Hilfsbereitschaft.“ Neben dem örtlichen Asylkreis hätten sich auch andere Vereine und Bürger gemeldet und ihre Unterstützung angeboten.

So wolle etwa die Dorfgemeinschaft Heutensbach Spiel- und Bastelangebote anbieten, sobald die ersten Kinder die Unterkunft beziehen. Wann genau das sein wird, steht im Moment noch nicht fest. „Wir rechnen mit Mai“, erklärt Bürgermeisterin Rall. Bis dahin sind noch einige Vorbereitungen nötig, denn das 1990 gebaute Hotel ist laut Eigentümer Gunnar Stuhlmann zwar in einem „prima Zustand“, allerdings wollen Dauerbewohner im Gegensatz zu Urlaubern oder Geschäftsreisenden auch gerne selber kochen und Wäsche waschen. In einem Tagungsraum im Obergeschoss wird deshalb eine Gemeinschaftsküche mit zehn Herden eingerichtet, der ehemalige Saunabereich des Hotels wird zur Waschküche mit Trockenraum. Der frühere Frühstücksraum soll zu einem Spielzimmer für die Kinder umfunktioniert werden.

Großen Wert legt die Kreisverwaltung auch auf eine gute Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner vor Ort. Dabei könne man „auf sehr erfahrenes und bewährtes Personal zurückgreifen, das größtenteils schon seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 in diesem Bereich beschäftigt ist“, heißt es in einer Pressemitteilung. Unter anderem kümmern sich eine Sozialbetreuerin der Caritas und ein Hausmeister von der Kreisbau um die Menschen. Bei Bedarf wäre auch ein Securitydienst verfügbar.

Stuhlmanns Hotelpläne wandern in die Schublade

Mit größeren Problemen rechnet allerdings niemand. „Ich habe keine Bedenken, dass es Probleme mit der Nachbarschaft geben könnte“, sagt Gunnar Stuhlmann. Auch Bürgermeisterin Rall glaubt an ein gutes Miteinander. Der Standort ist aus ihrer Sicht für eine Flüchtlingsunterkunft gut geeignet, da sich direkt gegenüber eine Bushaltestelle befindet: „Die Anbindung ist sehr gut“, erklärt die Bürgermeisterin.

Das Hotel Löwen in Heutensbach ist bereits das zweite in der Region, das vorübergehend für die Unterbringung von Geflüchteten eingesetzt wird. Vor einem Monat hatte das Land Baden-Württemberg das Hotel am Südtor in Backnang angemietet: Dort wurde eine Isolierunterkunft für Geflüchtete aus den vier Erstaufnahmestellen des Landes eingerichtet, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben.

In beiden Fällen handelt es sich aber nur um eine zeitlich befristete Zwischennutzung. Seine Pläne für ein Bio-Plus-Hotel in Heutensbach seien damit keineswegs vom Tisch, betont Gunnar Stuhlmann: „Wir holen sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder aus der Schublade.“ Der Investor hofft, dass dies so schnell wie möglich der Fall sein wird – aber nicht wegen seiner Hotelpläne, sondern weil er sich wünscht, dass der Krieg in der Ukraine bald vorbei ist und die geflüchteten Menschen in ihre Heimat zurückkehren können.

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Erstellt:
26. April 2022, 06:00 Uhr

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