Gegner des NS-Regimes: Denkmal für Bekennerbischof Sproll

Die katholische Kirchengemeinde rückt Bischof Sproll mit einer Stele vor der Christkönigskirche als symbolischer Leuchtturm für Frieden, Vergebung und Menschenwürde in die Öffentlichkeit. Bischof Fürst segnete das Denkmal. Eine Broschüre erinnert an Leben und Wirken Sprolls.

Bischof Gebhard Fürst segnet die Stele, die auf dem neu gestalteten Platz vor Christkönig an Bischof Sproll erinnert. Foto: Alexander Becher

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Bischof Gebhard Fürst segnet die Stele, die auf dem neu gestalteten Platz vor Christkönig an Bischof Sproll erinnert. Foto: Alexander Becher

Von Nicola Scharpf

Backnang. Es ist der 23. Juli 1938. Der nationalsozialistische Mob bricht die Pforte zum bischöflichen Palais, der Wohn- und Arbeitsstätte von Joannes Baptista Sproll, auf, er stürmt Sprolls Wohnung und verwüstet sie. Das ist nur die letzte Eskalation einer Reihe von Ereignissen und schlimmen Ausschreitungen, die sich im Frühjahr und Sommer 1938 zwischen den Nazis und Bischof Sproll ereignen. Nationalsozialistische Gruppierungen belagern das Palais, werfen Steine durch die Fenster, beschimpfen und bedrohen den Bischof, schmieren Hetzparolen auf den Bürgersteig. Über Wochen gibt es lautstarke Unruhen vor dem Palais, die die Vertreibung, Abberufung oder den Rücktritt des Bischofs fordern.

Immer mehr Menschen werden von überall aus Württemberg herantransportiert, um die aktiv geschürten Exzesse gegen Sproll zu unterstützen und den Druck auf den Bischof systematisch zu erhöhen, damit er seine Diözese verlässt. Am 24. August 1938 schließlich holt die Gestapo Bischof Sproll gewaltsam mit einem Wagen ab. Die nächsten sieben Jahre, bis Kriegsende 1945, verbringt er zwangsweise im Exil. Während seiner Verbannung in Krumbad fordert ihn der Vatikan auf Druck der Reichsregierung zweimal dazu auf, seinen Bischofsstuhl für einen Nachfolger zu räumen. Beide Male widersteht Sproll.

Ein entschiedener und mutiger Gegner des NS-Regimes

Joannes Baptista Sproll hat sich als entschiedener, mutig die öffentliche Konfrontation suchender Gegner des Nationalsozialismus profiliert. Er war der einzige Bischof in Deutschland, den die Nazis vertrieben. Sein „widerständiges Wirken in der finsteren Zeit des Nationalsozialismus“, so der heutige Bischof von Rottenburg/Stuttgart Gebhard Fürst über seinen Vorgänger im Amt, sei allerdings schon zu dessen Lebzeiten von nur wenigen seiner Mitbrüder im Bischofsamt öffentlich gewürdigt und von der Mehrzahl eher verschwiegen worden. „Auch nach seinem Tod herrscht ein eigentümliches und beschämendes Vergessen dieses Mannes, der kaum über die Diözese Rottenburg/Stuttgart hinaus und auch innerhalb der Diözese nicht bei der Mehrzahl der Katholikinnen und Katholiken bekannt ist“, schreibt Fürst in einer Broschüre der katholischen Kirche Backnang.

Ein Zeichen gegen das Vergessen des Bekennerbischofs setzt nun die katholische Kirchengemeinde in Backnang, indem sie Sproll ein Denkmal auf dem neu gestalteten Vorplatz zur Christkönigskirche errichtet. Dessen Segnung fand am Sonntagabend statt. Der Bischof der Diözese Rottenburg/ Stuttgart war dafür nach Backnang gereist, ebenso wie der bischöfliche Pressesprecher im Ruhestand Thomas Broch. Die beiden Landtagsabgeordneten Ralf Nentwich (Grüne) und Gernot Gruber (SPD), den Backnanger Oberbürgermeister Maximilian Friedrich und den evangelischen Pfarrer der Matthäusgemeinde Tobias Weimer hießen Pfarrer Wolfgang Beck und die Vorsitzende der Gesamtkirchengemeinde Backnang Monika Schwartz willkommen. Ideengeber des Projekts Robert Antretter war sichtlich geehrt – „Ein amtierender Bischof war seit Jahrzehnten nicht bei uns“ – und erfreut, dieses Fest über die Parteien- und Konfessionsgrenzen hinweg als ein Zeichen gegen das Wiedererwachen von Antisemitismus, Rassismus und Behindertenfeindlichkeit feiern zu können. Die Stele in Form eines Leuchtturms hat der Backnanger Bildhauer Norbert Kempf geschaffen, dem es eine Freude ist, dass das Denkmal realisiert wurde. „Dazu gehört Mut. Man zeigt seine Position und macht sich dadurch angreifbar. Das ist ein Bekenntnis zum Bekennerbischof.“

Joannes Baptista Sproll wird am 2. Oktober 1870 in Schweinhausen bei Biberach geboren und wächst in einfachen Verhältnissen als Sohn eines Straßenwärters auf. Er studiert Theologie in Tübingen und wird nach dem Besuch des Priesterseminars in Rottenburg 1895 von Bischof Wilhelm von Reiser zum Priester geweiht. Nach Vikariat und Promotion folgt eine mehrjährige Tätigkeit als Pfarrer in Kirchen bei Ehingen. Ab 1912 sitzt er als Vertreter des Domkapitels im Stuttgarter Landtag. 1913 wird er Generalvikar und 1916 Weihbischof der Diözese Rottenburg. 1919 wird er als Vertreter der Zentrumspartei in die verfassunggebende Landesversammlung gewählt. Nach dem Tod von Bischof Keppler wählt das Domkapitel Sproll 1927 zu dessen Nachfolger– in schwierigen Zeiten:

Schon frühzeitig spricht sich Sproll gegen den Nationalsozialismus aus

Die Weltwirtschaftskrise am Ende der 1920er-Jahre führt zu einem Erstarken extremistischer Parteien, den Kommunisten und den Nationalsozialisten. Bereits 1931 verurteilt Bischof Sproll den Nationalsozialismus als „mit der katholischen Lehre unvereinbar“. Ab Sommer 1934 exponiert sich Sproll als entschiedener Gegner der Nazis. Er wendet sich öffentlich in Predigten gegen zentrale Inhalte der NS-Ideologie. Als Sproll im April 1938 ein öffentliches Zeichen der Verweigerung setzt, indem er sich nicht an der Wahl über den bereits vollzogenen Anschluss Österreichs an das Reich beteiligt, um nicht gleichzeitig Nationalsozialisten in den Reichstag wählen zu müssen, spitzt sich die Auseinandersetzung wie eingangs beschrieben zu.

Bei seiner Inthronisation im Juni 1927 wählt Sproll als Leitmotiv für sein bischöfliches Amt das Schriftwort „Fortiter in fide – tapfer im Glauben“ (1. Petrus 5,9). Dieser inneren Richtschnur sei Bischof Sproll zeitlebens gefolgt, so Bischof Fürst bei der Pontifikalvesper in der Christkönigskirche. Aus dem Exil sei er mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Juni 1945 nach Rottenburg zurückgekehrt – „als gezeichneter Mensch, aber dennoch als Wegweiser, als Leuchtturm“. Denn seine Haltung ist geprägt von Friedensethik und Versöhnungsbereitschaft. Noch am Tag seiner Rückkehr aus dem Exil hält Sproll eine Rede, in der er seinen Gegnern vergibt, auch jenen, die maßgeblich an seiner Vertreibung beteiligt gewesen waren. 1946 sagt Sproll: „Ohne Liebe, ohne Caritas gibt es keinen christlichen Glauben. Nur diese christliche Liebe kann und wird die Not der Zeit überwinden.“ Sproll stirbt am 4. März 1949.

„Ich danke Ihnen, dass Sie Ihrer Stadt diesen Erinnerungsort geben“, richtet Bischof Fürst das Wort an die Verantwortlichen für die Errichtung des Denkmals. „Wir hoffen, dass wir ihn eines Tage seligsprechen dürfen“, verweist der Bischof auf das Seligsprechungsverfahren, das die Diözese Rottenburg 2011 eingeleitet hat. Bereits fünf Jahre zuvor hat Fürst ein Gedenkstück in der Kirche San Bartolomeo auf der Tiberinsel in Rom, einer Erinnerungsstätte für die Märtyrer des 20. Jahrhunderts, niedergelegt: An Bischof Sproll erinnert ein Stein, mit dem die nationalsozialistischen Protestierer 1938 die Fenster des bischöflichen Palais zerstörten.

Das Denkmal von Norbert Kempf

Das Projekt Aus einer Bildstockidee zum Gedenken an die mit Backnang verbundenen Widerständigen ist ein kleiner Leuchtturm entstanden. Er thematisiert das leben und Wirken der standhaften Lichtgestalten und ist mit kleinen Sitzgelegenheiten umgeben. Das Material ist Beton. Bei Joannes Baptista Sproll sind die Hauptzuschlagstoffe Muschelkalk, Travertin und Geschiebesande. Der sich nach oben leicht verjüngende Schaft trägt einen Schriftring mit Namen und Leitspruch „Fortiter in fide“. Das Leuchtmittel im Kopfteil durchleuchtet die sechs bearbeiteten Marmortafeln von hinten und macht die chronologisch angeordneten Motive sichtbar. Die Hocker sind mit je einem Begriff versehen.

Die Motive Zum Thema Glaube ist die Einladungskarte zur Primiz-Feier von 1895 abgebildet. Ein Porträt Sprolls im Alter von 41 Jahren steht mit dem Thema Demokratie in Verbindung. Zum Thema Frieden sind Sproll-Zitate von 1917 gewählt. Ein Predigtausschnitt von 1935 begleitet das Thema Seelsorge. Beim Zitat „Wir haben geschwiegen als die Synagogen brannten“ von 1938 geht es um die Würde und beim Spruch „Ohne Caritas gibt es keinen christlichen Glauben“ von 1946 um die Vergebung.

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Erstellt:
17. Oktober 2022, 16:00 Uhr

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