Geht die Gastronomie im Ländle zugrunde?
Laut Deutschem Hotel- und Gaststättenverband könnte eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent deutschlandweit für 12.000 Betriebe das Aus bedeuten. Auch Gastronomen aus dem Raum Backnang sagen, dass es dann eng werden würde.
Von Simone Schneider-Seebeck
Rems-Murr. Die Mehrwertsteuer ist zum Reizwort geworden. Diesen Eindruck bekommt man zumindest, fragt man hiesige Gastronomen danach. Das ist auch kaum ein Wunder. Zum 1. Juli 2020 war die auch im Gastrobereich übliche Mehrwertsteuer befristet von 19 auf 7 Prozent abgesenkt worden, um die hiesige Gastronomie während der Coronapandemie zu unterstützen. Zweimal hatte man die Absenkung verlängert, zum 31. Dezember 2023 soll sie nun endgültig auslaufen.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) warnt jedoch vor einer Erhöhung auf die ursprünglichen 19 Prozent. Bereits im April hatten in Stuttgart über 3.300 Hoteliers und Gastwirte dagegen demonstriert. Laut einer Umfrage des Verbands sehen sich zahlreiche Betriebe vor dem Aus, etwa 2.000 müssten im Ländle aufgeben, sollte der verringerte Steuersatz auslaufen, heißt es.
Und was sagen die hiesigen Gastronomen zu diesem Thema? Zunächst einmal ist es gar nicht so einfach, einen Gesprächspartner zu finden. In Gaststätten, Restaurants und Cafés herrscht Hochbetrieb. Und aufgrund des Fachkräftemangels verteilt sich die Arbeit in den Betrieben oft auf weniger Schultern. „Bin unter Hochdruck“, so etwa eine Aussage.
Bei einem Preis von 20 Euro für eine Pizza kommt niemand mehr
Andere halten sich zu dem Thema wiederum zurück. Man merkt, dass die Mehrwertsteuer die Gemüter bewegt, und das nicht unbedingt zum Guten. Kein Wunder, dass Natale Mannara, Geschäftsführer des italienischen Restaurants Santa Lucia in Backnang, gleich ein Wort dazu einfällt: „Katastrophe!“ Die Preise könne man nicht weiter anpassen: „Man kann keine 20 Euro für eine Pizza verlangen, da kommt niemand mehr“, so Mannara.
Mit dieser Befürchtung steht er nicht allein da. In der Dehoga-Umfrage vom Juli treibt dies zahlreiche Mitglieder des Verbands um. Denn häufig sind keine Reserven mehr vorhanden, die Kosten für Personal, Energie, Rohstoffe seien gestiegen.
Im Backnanger Restaurant Stadtblick steht Chef Besnik Haliti selbst hinter dem Herd. „Wenn die 19 Prozent wiederkommen, dann müssen wir die Speisen wieder ganz neu kalkulieren“, sagt Haliti. Die Mitarbeiter haben erst eine Lohnerhöhung erhalten. „Das wird wirklich etwas schwierig für uns“, so seine Befürchtung. Die Coronakrise habe viel kaputtgemacht und nun laufe es etwas besser. Doch durch die Anhebung der Mehrwertsteuer sieht der Restaurantpächter den Aufschwung wieder in Gefahr. Bei den aktuell gültigen 7 Prozent würde er es gern belassen, denn trotz gestiegener Material- und Mitarbeiterkosten seien die Unkosten insgesamt noch im Rahmen. Doch wenn die 19 Prozent wieder gelten, dann „wird es für uns echt schwierig“.
Den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt
Erst Ende März hat Manuel Friz gemeinsam mit seiner Frau das Lamm in Aspach übernommen. Seit 2019 steht der gelernte Koch in der Traditionsgaststätte hinter dem Herd, nun hatte er den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt.
Er sieht nicht nur den Wiederanstieg der Mehrwertsteuer als Herausforderung in seiner Branche, sondern auch die Personalkosten: „Die Personalkosten steigen stetig, da es immer weniger Personal gibt.“ Und diejenigen, die in der Gastronomie weiterhin arbeiten möchten, seien sich ihres Wertes durchaus bewusst. Was an sich natürlich vollkommen in Ordnung sei. Allerdings: „Wenn jetzt auch die Mehrwertsteuer hochgeht, hat man zwei große Punkte, die früher nicht so da waren.“ Das könne durchaus einigen Betrieben das Genick brechen. Dazu komme noch, dass die Lebensmittel teurer geworden seien. Zwar seien die Preise aktuell wieder etwas niedriger als vor einem Jahr, doch immer noch auf einem hohen Niveau. Manuel Friz legt großen Wert auf eine gute Qualität seiner Zutaten. „Wenn die Mehrwertsteuer hochgeht, dann muss man an der Speisekarte feilen und auch die Preise anpassen“, so seine Befürchtung.
„Die Leute wollen wieder essen gehen.“
Schlechtreden möchte Friz die Situation aber dennoch nicht. Denn seiner Ansicht nach ist die Gastronomie auf einem aufstrebenden Ast. „Die Leute wollen wieder essen gehen, sie wollen rausgehen“, hat er festgestellt und hofft, dass dies auch so bleibt. Seine Befürchtung ist jedoch, dass die Freude am Essengehen durch die Mehrwertsteuererhöhung einen Dämpfer erleiden könnte. Eine weitere zeitlich befristete Verlängerung der abgesenkten Mehrwertsteuer, etwa um ein Jahr, könnte seiner Ansicht nach zur Erholung und Festigung der Branche beitragen. „Wenn es nachher nichts mehr gibt, dann hat keiner etwas davon.“
Quer durch die Parteienlandschaft finden sich Befürworter des abgesenkten Steuersatzes. Bereits im Bundestagswahlkampf vor zwei Jahren hatte Olaf Scholz sich für eine dauerhafte Mehrwertsteuersenkung im Gastrobereich ausgesprochen. Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut befürwortet ebenfalls eine Verlängerung des verringerten Steuersatzes, die Bundestagsabgeordnete Inge Gräßle (CDU) gibt zu bedenken: „Wenn ich mit den Gastronomen in meinem Wahlkreis spreche, wird klar, dass die Krise längst nicht überstanden ist. Viele leiden unter dem deutlich spürbaren Fachkräftemangel und können daher sogar nur verkürzte Öffnungszeiten anbieten. Zusätzlich stellen die hohen Energiepreise und die horrenden Lebensmittelpreise die Restaurants und Cafés wirtschaftlich vor enorme Herausforderungen. Dabei war der ermäßigte Umsatzsteuersatz in den vergangenen Monaten eine echte Hilfe.“
Vom Tisch ist das Thema noch nicht. Über alle Parteigrenzen hinweg wird das Thema im Bund voraussichtlich nach der Novembersteuerschätzung noch für Diskussionen sorgen.