Gemarkungslauf: Unterwegs in Backnangs kleinsten Weilern
Bei seinem Gemarkungslauf sucht Maximilian Friedrich vor Ort im Ungeheuerhof, in Germannsweiler und im Stiftsgrundhof den Kontakt mit den jeweiligen Teilortsanwälten. Der Oberbürgermeister fragt Landwirte und Geschäftsleute, wo bei ihnen der Schuh drückt.
Von Florian Muhl
Backnang. Einmal im Jahr begibt sich Oberbürgermeister Maximilian Friedrich auf Markungsbegehung. Dabei will sich das Stadtoberhaupt verschiedene Stellen anschauen und vor Ort mit den Leuten in Kontakt kommen. Gibt es Probleme oder Anregungen? Bereits für seinen Vorgänger, Frank Nopper, war dies geübte Praxis. „Wir haben uns diesmal Ortschaften mit Teilortsanwälten ausgesucht“, sagt der Rathauschef, und erklärt auch warum: „Einerseits als Wertschätzung der Arbeit der Teilortsanwälte gedacht, die hier vor Ort ganz wichtige Multiplikatoren sind.“ Andererseits wolle er in Backnang mit allen Stadtteilen und Ortschaften für alle gleiche beziehungsweise vergleichbare Lebensbedingungen schaffen. „Uns sind die kleineren Ortschaften genauso wichtig wie die Menschen in der Kernstadt“, so Friedrich. In den gestern besuchten Weilern leben zusammen knapp 350 Menschen, rund ein Prozent der Einwohnerzahl Backnangs.
Germannsweiler „Das ist das Backhäusle, das ist bei uns in Germannsweiler der Treffpunkt. Da findet alles statt“, erklärt Teilortsanwalt Michael Haan und zeigt dem OB und dem Ersten Bürgermeister Stefan Setzer die dazugehörige Sitzgruppe. „Die Bänke sind schon ziemlich kaputt.“ Der Bauhof hätte signalisiert, dass man die abbauen und gegen neue austauschen könne, die bereits vorrätig seien. Friedrich und Setzer signalisieren Zustimmung.
Weiter geht’s zur Biolandgärtnerei von Ottmar Dänzer. Durch die Coronazeit sei er gut durchgekommen. „Die Leute haben zu Hause mehr gekocht und dafür auch bewusster eingekauft“, so der 66-Jährige. Das vergangene Jahr sei ein schwieriges gewesen, weil er sein Personal aufgestockt habe und alle Kosten zudem deutlich gestiegen seien. Dieses Jahr läuft es wieder etwas besser, sagt der Gärtner, der 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
Gut angenommen werde sein relativ neues Angebot: Tomaten zum Selbstpflücken. „35 Tonnen haben wir hier verkauft“, sagt Dänzer. Und fügt hinzu: „Erdbeeren und Tomaten sind beim Selbsternten der Renner. Mangold und Ackersalat interessiert keinen Menschen.“ Es sei ein Glücksgriff gewesen, als er 2003 von Cottenweiler weggegangen sei und in Germannsweiler die Ländereien übernommen und dann 2005/2006 den Laden ausgebaut habe. „Ich bin mit dem Standort hier sehr zufrieden.“
Ein paar Schritte weiter liegt die Pferdepension Weigleshof: 40 Pferde hat Christine Haan in ihren Ställen stehen, davon drei eigene. Vor elf Jahren hat die heute 51-Jährige den Hof von ihren Eltern übernommen, die bereits von Landwirtschaft auf Reiterhof umgestellt hatten. Auch sie ist mit dem Standort zufrieden. Trotz des Regens ist Friedrich voller Freude. Denn beschirmt blickt er auf „seine“ Stadt und schwärmt: „Ein Traum, man kann 20 Kilometer weit schauen. Da hinten ist die Hohe Brach.“
Aber ein Anliegen hat Christine Haan, die Ehefrau des Teilortsanwalts, dann doch: „Die Hunde auf der Wiese. Es werden mehr und mehr. Und es entstehen schon Trampelpfade.“ Sie habe schon Leute zur Rede gestellt. „Aber die sagen: Wieso, hier ist doch ein Weg!?“ Die wüssten gar nicht, dass die Wiese Privateigentum ist. Setzer schlägt vor, das Problem im Mitteilungsblatt zu thematisieren.
Ungeheuerhof Wie lange er schon Teilortsanwalt ist, weiß Ulrich Braun gar nicht. „Ich glaub’, über 30 Jahre“, sagt der 59-Jährige. Sein Vater Karl, der Gemeinderat in Backnang war, habe immer gesagt: „Als Teilortsanwalt kannst du viel mehr bewegen als als Gemeinderat.“ Ulrich Braun jedenfalls ist zufrieden. Als Landwirtschaftsmeister ist es ihm wichtig, breit aufgestellt zu sein. So hält er zusammen mit seinem Sohn Simon (30), der einmal den Hof übernehmen wird, 83 Milchkühe im Boxenlaufstall und bewirtschaftet 100 Hektar Land. Zudem hat er Hühner, vermarktet all seine Produkte selbst und hat auch rund um die Uhr zugängliche Automaten aufgestellt.
Zu hohes Tempo und Verkehrsbelästigungen auf der Ortsdurchfahrt? Nein, das ist offensichtlich kein Thema, das Ulrich Braun unter den Nägeln brennt. Was er zur Sprache bringen will, sind die Feldwege. Da könne man immer mehr machen. „Was mir am Herzen liegt, ist das mit der Gemeinde Weissach.“ Da gebe es einen Weg ganz in der Nähe, „der gehört dringend gemacht“. Das eine Drittel auf Backnanger Gemarkung sei in Ordnung, aber der Rest nicht.
Nächstes Thema: der Mädlesbach und der geplante Radweg. „Da fehlen noch rund 200 Meter“, sagt Setzer. „Aber der entscheidende Punkt ist, wir müssen über den Bach drüber mit einer Brücke.“ Das Bauwerk selbst sei nicht das Problem. „Es geht um das Thema Wasserrecht. Sie greifen in ein Gewässer ein, auch wenn der Bach im Sommer teilweise trockenfällt. Aber Stichwort ‚Eingriff Schutzgut Natur und Landschaft‘.“ Trotzdem, Friedrich und Setzer versprechen, dass dieses Thema Priorität hat.
Stiftsgrundhof Ausklang des Gemarkungslaufs ist im Stiftsgrundhof, zusammen mit Horbach der südlichste Zipfel der Stadt Backnang. Stefanie und Denis Schwaderer erzählen, wie sie vor etwas über zwei Jahren Steffis Hofcafé gegründet haben (wir berichteten). Dank der Eltern der 38-jährigen dreifachen Mutter laufe das Café wirklich gut. Mittlerweile ist auch immer wieder abends geöffnet. Auch hier ist die Aussicht von der Terrasse aus traumhaft.
Denis Schwaderer (37) und auch sein Vater Thomas – der 64-Jährige ist der Teilortsanwalt im Stiftsgrundhof – berichten, dass der Verkehr durch die Ortschaft abgenommen habe, seitdem die B14 bis Waldrems ausgebaut worden ist. Ein Thema, das der Senior vorbringt, ist die für den Autoverkehr gesperrte Brücke über die Bahn. Nur Fußgänger und Fahrradfahrer dürfen drüber, aber keine Schlepper, was der Landwirtschaftsmeister bedauert. Doch Setzer macht ihm keine großen Hoffnungen, da die Sanierung weit mehr als eine Million Euro koste und es zudem eine Alternative in zumutbarer Entfernung gebe.
Fortsetzung Im kommenden Frühjahr findet der zweite Teil der jetzt begonnenen Gemarkungsbegehung statt. Dann geht’s zu den Schöntalen, also nach Ober-, Mittel- und Unterschöntal, die auch Teilortsanwälte haben, und nach Sachsenweiler.