Gemeinderat steht zur Brucher Kelter

Die Weissacher Räte stimmen für die Erschließung der alten Kelter. Beim Anschluss an das (Ab-)Wasser-, Strom- und Breitbandnetz unterstützt die Gemeinde die Besitzer Bernd Knödler und Monika Kaiser mit 120000 Euro. Ohne den Zuschuss wäre das Projekt am Ende gewesen.

Zu tun gibts genug: Als Nächstes würden Bernd Knödler und Monika Kaiser gerne das Mauerwerk der alten Kelter in Angriff nehmen. Unter dem Gebälk der Galerie (Foto) könnten nach dem Ausbau bis zu 30 Personen bei Sitzungen, Feiern oder Vorträgen Platz finden. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Zu tun gibts genug: Als Nächstes würden Bernd Knödler und Monika Kaiser gerne das Mauerwerk der alten Kelter in Angriff nehmen. Unter dem Gebälk der Galerie (Foto) könnten nach dem Ausbau bis zu 30 Personen bei Sitzungen, Feiern oder Vorträgen Platz finden. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

Weissach im Tal. Die Vision wird fast schon lebendig, wenn Bernd Knödler und Monika Kaiser von ihrem Traum erzählen. Die alte Kelter im Weissacher Ortsteil Bruch, 1762 erbaut und seit Langem leer stehend, soll zu einem Ort der Begegnung werden. Sitzungen, kulturelle Vorträge oder auch private Feiern kann sich das Ehepaar unter den historischen Eichendachbalken vorstellen, mit Blick auf die Wiesen und Weinberge. Bernd Knödler deutet auf die bei der Sanierung ins Dach gelassenen Fenster, durch die man auf Oberweissach beziehungsweise den Ebersberg schauen kann. „Man thront hier über dem Täle“, schwärmt der 51-jährige Kfz-Meister, der in der Motorenentwicklung arbeitet. Gerne würden er und seine Frau auch draußen, auf einer Terrasse, bewirten. Monika Kaiser, die selbst in der Gastronomiebranche tätig ist, zeigt Bilder vom Tag des Schwäbischen Waldes Mitte September auf ihrem Handy. Die Sonne scheint, die Bierbänke vor den Mauern sind voll besetzt. „Die Leute waren so begeistert!“, sagt die 57-Jährige.

Es war der erste Probelauf für die Kelter als Eventlocation. Für den Ort Bruch, der dem Paar zufolge zwar über eine lebendige Gemeinschaft, aber weder über ein Café noch ein Restaurant verfügt, wäre sie ein großer Zugewinn. Doch für eine Außenbewirtschaftung die Erlaubnis zu bekommen, ist nicht so einfach. Denn die Wiese neben der Kelter, wo eine Terrasse denkbar wäre, ist Teil eines Landschaftsschutzgebiets.

Das ist nur eins von zahlreichen Problemen, mit denen Bernd Knödler und Monika Kaiser konfrontiert worden sind, seit sie die Kelter 2019 erstanden haben – nachdem sie dem Vorbesitzer lange und gut zugeredet haben, wie Bernd Knödler in der jüngsten Sitzung des Weissacher Gemeinderats berichtet. Die Abstimmungen mit den Ämtern ziehen sich hin, denn bei der Kelter handelt es sich um einen denkmalgeschützten Bau ohne Strom- oder Wasseranschluss und ohne Parkplätze in der Nähe, dafür mit einer Bushaltestelle am Straßenrand, bei der die Fahrgäste derzeit keine sichere Querungsmöglichkeit haben. „Wir kämpfen hier mit den Irrungen und Wirrungen des Planungsrechts“, fasst Bürgermeister Ian Schölzel zusammen. Der Plan sei es, nun Schritt für Schritt vorzugehen, „damit wir vielleicht schon einmal den Spatz in der Hand haben, aber das große Ziel nicht aus den Augen verlieren“, sagt Schölzel und meint damit eine etwas abgespeckte Version von Bernd Knödlers und Monika Kaisers Vision. Um sie zu ermöglichen, schlägt die Gemeindeverwaltung vor, das Paar mit 120000 Euro für die Erschließungskosten und Ingenieurleistungen zu unterstützen.

Bevor die Räte darüber abstimmen, führt Bauingenieur Hans-David Riker vom Ingenieurbüro Riker und Rebmann aus Murrhardt aus, was für die Erschließung zu tun wäre. Er erklärt, wo die Rohre verlegt werden könnten und wie genau die Zuwegung vom Friedhof zur Kelter verlaufen soll – denn die ursprüngliche Idee, auf der Wiese gegenüber der Kelter Parkplätze zu schaffen, ist aufgrund der fehlenden Querungsmöglichkeit nicht umsetzbar. Die Besucher könnten die Parkfläche neben dem Friedhof nutzen, dann die Ruhestätte durchqueren und über Streuobstwiesen und Feldwege bis zur Kelter „marschieren“, erklärt Riker. „Ich habe bewusst marschieren gesagt, denn der Weg ist natürlich nicht befestigt.“ Für problematisch hält er das aber nicht: „Man braucht festes Schuhwerk und ein bisschen Enthusiasmus, dann ist das auch für Familien mit kleinen Kindern gut machbar.“

Bernd Knödler bezeichnet die nachfolgende Abstimmung des Gemeinderats als einen „historischen Moment“. Er erinnert daran, dass die alte Kelter bereits von vielen Generationen genutzt wurde. „Wir können jetzt unseren Beitrag dazu leisten, dass sie auch für die kommenden Generationen eine Bedeutung hat.“ Die Sanierung des Dachs hätten seine Frau und er von eigenen Ersparnissen und einem Kredit bezahlt. Nun aber stehe sein Herzensprojekt an einem Scheideweg – denn ohne die Unterstützung der Gemeinde könne es nicht weitergehen.

Bürgermeister Schölzel spricht sich dafür aus, das Vorhaben weiter zu unterstützen. „Als Gemeinde kann man sich glücklich schätzen, wenn man solche Bürgerinnen und Bürger hat, die sich mit so viel Leidenschaft und Idealismus einbringen. Und man muss auch ehrlich sagen: Hätten wir als Gemeinde das Projekt selbst gestemmt, hätten wir 800000 bis 900000 Euro in die Hand nehmen müssen. Die Hauptlast tragen nun die Familie Knödler sowie deren Familie, Freunde und Bekannte.“

Auch Gemeinderat Thomas Obermüller (LWB), der selbst in Bruch wohnt, plädiert eindringlich für die Kelter: „Außer einem Briefkasten gibt’s in Bruch nichts Öffentliches.“ Sollte der Gemeinderat entscheiden, das Projekt nicht weiter zu unterstützen, „dann wäre der Herr Knödler im Worst Case der Besitzer von einer Scheune mit einem super restaurierten historischen Dach“.

Gemeinderätin Irmgard Hestler (SPD) bringt den Verkauf des alten Dorfhauses in Bruch ins Spiel, um einen Teil der Kosten für die Erschließung wieder hereinzuholen. Unabhängig davon findet auch sie es wichtig, das „ortsbildprägende Gebäude“ zu erhalten. Ihr Fraktionskollege Dietmar Schönberger spricht gar von einem „Leuchtturm in der Landschaft“, den es zu bewahren gelte. Wichtig ist ihm – und anderen Räten – aber, dass die Gemeinde die Kelter auch nutzen kann. Es sei bereits mit Bernd Knödler besprochen, dass die Kelter etwa für Hochzeiten, den Empfang von Partnerschaftskomitees oder Sitzungen in Anspruch genommen werden könne, versichert Schölzel. Die vertragliche Vereinbarung dessen sowie ein Vorkaufsrecht der Gemeinde werden vor der Abstimmung in die Beschlussvorlage mitaufgenommen.

Bis ins letzte Detail können nicht alle Fragen geklärt werden – etwa ob das Ziel, die Wiese nebenan für die Außenbewirtung zu nutzen, überhaupt angestrebt werden solle, wonach sich Carl Höfer (CDU/FWV) erkundigt. Sein Fraktionskollege Günter Sanzenbacher äußert Bedenken bezüglich der Zuwegung: „Liegt die Haftungsfrage bei der Gemeinde?“ Dennoch stimmen die Räte der Beschlussvorlage einstimmig zu.

Bernd Knödler und Monika Kaiser sind nach der Sitzung sichtlich erleichtert. Sie sind der Erfüllung ihres Traums einen großen Schritt näher gekommen. Es kann also wie geplant weitergehen mit der Sanierung des historischen Sandsteingebäudes. Als Nächstes möchte das Paar das Mauerwerk in Angriff nehmen. „Bei Grabungen haben wir festgestellt, dass die Standfestigkeit der Kelter nicht mehr gewährleistet ist.“ An ein paar Stellen haben sich bereits Risse an den Wänden gebildet. Mit Wantenspannern, Stahlseilen und Baustützen ist der Bau derzeit abgesichert. Eine dauerhafte Lösung ist das jedoch nicht. Im nächsten Bauabschnitt soll die alte Kelter deshalb teilweise unterbetoniert werden. Den Antrag dafür hat Bernd Knödler längst gestellt. Aber noch wartet er auf die Bewilligung des Denkmalschutzamts der Stadt Esslingen: „Ich hoffe, dass es im Frühjahr weitergehen kann!“

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Erstellt:
10. Februar 2022, 06:00 Uhr

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