Gemeindetag: Angriffe auf Politiker müssen Weckruf sein
dpa/lsw Stuttgart. Angesichts der zunehmenden Aggression gegen Politiker müssen Bürgermeister und Mandatsträger nach Auffassung des baden-württembergischen Gemeindetags stärker von der Gesellschaft gegen Kritik geschützt und offen verteidigt werden. „Aggressivität und Gewaltübergriffe sind in immer größerer Zahl spürbar geworden“, sagte Gemeindetags-Präsident Steffen Jäger am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. „In der Situation muss aus der schweigenden Mehrheit eine laute Mehrheit werden“, forderte er. „Das kann man nicht allein den Vollzugsbehörden überlassen. Da muss man deutlich sagen „So geht das nicht!““
Nach Einschätzung Jägers werden Entscheidungen, die sich im Zweifel nicht zum eigenen Vorteil und sogar zum persönlichen Nachteil auswirken können, nicht so akzeptiert, wie das früher noch der Fall war. „Damals war noch stärker im Bewusstsein verankert, dass das Allgemeinwohl bisweilen auch mal das Zurücktreten des Einzelnen erfordert“, sagte der Gemeindetags-Präsident. „Dazu kommt eine Art der öffentlichen Diskussion, die in erster Linie nicht mehr von Respekt geprägt ist.“ Vor allem in den sozialen Medien werde die rote Linie oft bereits überschritten.
„Wir müssen die Debattenkultur wieder dahin entwickeln, dass es einen Grundrespekt gegenüber dem Verantwortungsträger gibt“, forderte Jäger. Das gelte nicht nur für Politiker, sondern auch für Lehrer, Polizisten oder Feuerwehrleute. Denn Angriffe auf einzelne Verantwortliche seien mehr als das Attacken gegen Einzelne: „Der Bürgermeister ist in dem Moment, in dem erst attackiert wird, der nächste Vertreter und der Repräsentant des Staates“, sagte Jäger der dpa. „Jeder Angriff auf einen Mandatsträger oder Bürgermeister ist somit auch ein Angriff auf den Rechtsstaat. Das muss auch so klar angesprochen werden.“
Nach neuen Zahlen des Landesinnenministeriums könnte die Zahl der gemeldeten körperlichen oder verbalen Angriffe auf Bürgermeister, Abgeordnete und Stadträte in diesem Jahr einen Höchststand erreichen. Nach den Zahlen des Ministeriums wurden in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres bereits 219 Ermittlungs- und Strafverfahren eröffnet, im gesamten vergangenen Jahr lag die Zahl der Verfahren im Südwesten bei 378.
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