Gemeinsam bauen statt nur kaufen
Im nächsten Jahr soll mit dem Bau des Mehrgenerationenwohnhauses auf dem früheren Klinikareal in Backnang begonnen werden
Das geplante Mehrgenerationenwohnhaus auf dem Areal des früheren Kreiskrankenhauses Backnang wird immer konkreter. Inzwischen stehen die Eckpfeiler des Zeitplans fest: Die Baugemeinschaft kauft das Grundstück im Herbst, Baubeginn ist kurz nach Neujahr, Fertigstellung im Laufe des Jahres 2020. Die Gesamtinvestitionskosten belaufen sich auf 8,5 Millionen Euro. Fast die Hälfte der 26 Wohnungen sind schon vergeben oder reserviert.

Elke Gassen und Heinz Göckler (Dritte und Vierter von links) sowie Sonja Janert (Zweite von rechts) und ihre Mitstreiter sind zuversichtlich, dass nun – nachdem das Projekt immer konkreter wird – die Nachfrage nach den Wohnungen kräftig steigen wird. Auch von jungen Familien. Fotos: privat
Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Auch wenn das Baufeld für das künftige Mehrgenerationenwohnhaus das einzige ist, an dem noch nicht gearbeitet wird, so geben sich die Mitglieder der Planungsgemeinschaft doch noch völlig entspannt. Das war nie anders geplant, erklären Sprecherin Elke Gassen und Geschäftsführer Gerhard Schramm. Im Gegenteil, für die Logistik der übrigen Baustellen ist es sogar ganz praktisch, dass das Projekt vor Ort noch nicht begonnen wurde. So können die derzeit aktiven Bauherren den Bauplatz als Parkplatz und Lagerfläche mitnutzen.
Auch die Tatsache, dass es erst Zusagen für 40 oder 45 Prozent der Wohnungen gibt, verursacht bei den Initiatoren keine Sorgenfalten. „Das ist völlig normal und im Vergleich mit anderen Projekten sogar ein guter Wert“, erklärt etwa Elke Gassen. Und Gerhard Schramm ergänzt: „Zum Baubeginn sollten es allerdings 70 bis 80 Prozent sein, dann werden die Banken für das Zeitfenster, bis die restlichen Wohnungen vergeben sind, die Finanzierung mittragen.“ Der Notartermin für den Kauf des Grundstücks von der Kreisbau GmbH wurde bereits auf den Herbst terminiert, der Bauplatz wird dann zum 1. Januar 2019 in das Eigentum Planungsgemeinschaft „Wohnen im Quartier GbR“ übergehen.
Die Kategorie „junge Familie“ ist derzeit noch unterrepräsentiert
Für die Bauherren ist die soziale Vielfalt in einer Stadtgemeinschaft außerordentlich wichtig. Sie bieten deshalb in dem Projekt die unterschiedlichsten Wohnungstypen und -größen in verschiedenen Preisklassen an. Die Gemeinschaft ist offen für alle Altersklassen, für Familien und Singles sowie für verschiedenste Lebensentwürfe. Allerdings räumt Gassen ein, dass derzeit junge Familien bis 40 Jahren bei den Interessenten noch unterrepräsentiert sind. Doch auch in diesem Fall wiegelt die 57-Jährige ab: „Das ist völlig normal. Die Flächen, die wir für die Gruppe 60plus gedacht haben, sind schon fast komplett vergeben. In den nächsten Monaten werden auch die jüngeren Interessenten nachziehen.“
Unter anderem sind auch sogenannte Clusterwohnungen in das Projekt integriert. Das sind Individualzimmer mit Bad und Küche innerhalb einer Wohnung mit großzügigen Gemeinschaftsflächen und einer Küche. Noch stehen die konkreten Wohnungsgrundrisse nicht fest. „Das ist alles ein Prozess“, beschreibt Schramm das Vorgehen, „der exakte Zuschnitt der Wohnungen erfolgt erst nach Belegung der verfügbaren Wohnungen.“ Wie sehr das gemeinschaftliche Wohnen im Vordergrund steht, verdeutlicht beispielsweise auch das Thema Gästezimmer. Solche sind nicht einer bestimmten Wohnung zugeordnet, sondern stehen jeweils dem Mitbewohner zur Verfügung, der ein solches Zimmer zum jeweiligen Zeitpunkt benötigt. Oder das Thema Badewanne. Es kann sein, dass ein individuelles Bad nur über eine Dusche verfügt, aber in dem Cluster-Badezimmer eine Wanne zur Verfügung steht.
Für Schramm ist nicht nur die Durchmischung von Alter und sozialem Status der Hausbewohner wichtig, er will auch, dass die Bewohner wie in einer selbst gewählten Großfamilie leben können. Sie sollen sich in Gemeinschaftsräumen, in der Werkstatt, auf der Dachterrasse oder im gemeinsamen Garten treffen können und eventuell auch die Hausverwaltung gemeinsam übernehmen. Heute schon wächst die Planungsgemeinschaft zusammen. „Wir kennen uns alle gut, besuchen Ausstellungen und Veranstaltungen wie das Lümmelpicknick oder wandern gemeinsam“, verdeutlicht Gassen das besondere am Team der Bauwilligen. So weiß jeder, auf was er sich einlässt. Gleichzeitig ist laut Gassen sichergestellt, dass niemand von der Gemeinschaft überfordert wird. „Es wird akzeptiert, wenn jemand Ruhe braucht und sich zurückzieht. Niemand ist verpflichtet, dauernd dabei zu sein“, schildert sie ihre Vorstellung der Gemeinschaft.
Diesen Monat soll die Wohnungsliste beschlossen werden. Darin wird festgelegt, wer welche Wohnungen in welcher Größe und Lage erhält und was sie kosten soll. Wenn alles reibungslos vonstattengeht, rechnen die Initiatoren im Sommer 2020 mit dem Bezug der Wohnungen. Gassen: „Bei dem Tempo, das der Planer und die Architektin an den Tag legen, halte ich das für realistisch.“
26 Wohnungen mit 2500 Quadratmeter Wohnfläche Info Das Projekt: Das Gebäude besteht aus zwei im Erdgeschoss miteinander verbundenen Baukörpern von jeweils vier Geschossen. Die Wohnfläche summiert sich auf 2500 Quadratmeter in vermutlich 26 Wohnungen von 51 bis 130 Quadratmetern. Im Erdgeschoss ist die Praxis für einen Allgemeinmediziner vorgesehen. Gebaut werden 36 Stellplätze in einer Tiefgarage, die von der Weissacher Straße angefahren wird. Zudem soll es Stellplätze für Carsharing und Ladestationen für Elektrofahrzeuge geben. Auf dem Dach ist eine Fotovoltaikanlage und neben den Hauseingängen ein Fahrradabstellplatz geplant. Ökologie und Umweltschutz werden beim Bau des nachhaltigen Gebäudes großgeschrieben. So gibt es Parkettböden, Holzfenster und mineralische Putze. Das Haus erfüllt den Standard KfW-Effizienzhaus 55. Die Wohnungen werden mit mechanischen Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Die Wärmeversorgung erfolgt über das Nahwärmenetz. Im Sommer soll der Bauantrag gestellt werden. Im Januar 2019 erfolgt der Baubeginn, im Herbst 2019 ist das Richtfest vorgesehen. Eine Baugemeinschaft ist ein Zusammenschluss von mehreren bauwilligen Haushalten, die gemeinsam ein Grundstück erwerben und darauf bauen. Die juristische Form ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Die Kostenersparnis ist das stärkste Argument für eine Baugemeinschaft. Der Kaufpreis entspricht den Herstellungskosten, den Baukosten und den Planungs- und Nebenkosten. Bei einem Bauträger würde noch die Gewinnerwartung desselben dazukommen. Neben dem Preis ist aber auch die Erfahrung des gemeinsamen Bauens ein Hauptargument. In einer Baugemeinschaft baut man eine Wohnung, statt sie nur zu kaufen. Bauen in der Baugemeinschaft ist ein Mittelweg zwischen dem individuellen Einfamilienhaus und der Eigentumswohnung vom Bauträger. Man kann und muss als Bauherr bei planerischen Fragen mitentscheiden und lernt die zukünftigen Nachbarn schon früh kennen und wächst im Idealfall zusammen. Architektin ist Ursula Steinhilber des Büros Schilling/Escher/Steinhilber (SESA) Stuttgart/Berlin. Die Projektsteuerung übernimmt Pro.B Projektentwicklung & Projektsteuerung Tübingen. Kontakt: Planungsgemeinschaft „Wohnen im Quartier“ GbR, Untere Au 24 in 71522 Backnang. Ansprechpartner: Martin Schurr, Telefon 07071/910422 oder E-Mail m.schurr@pro-b.net.
Das Modell des Planungsbüros SESA vermittelt einen Eindruck, wie das Haus aussehen könnte.