Gerichtsurteil: Von der Räumungsklage zur Unfallflucht
Backnanger Amtsgericht entscheidet: Familie muss neue Bleibe suchen und junger Mann muss seinen Führerschein für drei Monate abgeben.

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Der Fall wird vor dem Backnanger Amtsgericht verhandelt. Archivfoto: Edgar Layher
Von Jutta Rieger-Ehrmann
Backnang. Ein unbedachtes oder falsches Verhalten im Alltag kann schnell vor Gericht landen, verbunden mit rechtlichen und finanziellen sowie sozialen Folgen. Das zeigten zwei Fälle, die dieser Tage in kurzer Zeit direkt hintereinander vor dem Backnanger Amtsgericht verhandelt worden sind.
Fall eins, eine Räumungsklage
Rein rechtlich hätte diese auch Aussicht auf Erfolg, erklärte die Richterin in der Abteilung Zivilsachen. Die junge Familie mit drei Kindern und einem Hund hatte die Frist für einen schriftlichen Widerspruch verstreichen lassen. Der Kläger hingegen hatte Eigenbedarf abgemeldet, er brauche die Wohnung für seinen Sohn und möchte sie vorher noch renovieren.
Obwohl die Beklagten schon längere Zeit eine neue Wohnung suchen, haben sie bisher noch keine gefunden. Hauptproblem sei der Hund. Die Angst der Familie, auf der Straße zu stehen, ist groß. Daher bemühte man sich um einen Vergleich. Die Frist für den Auszug wurde bis zum 31. Dezember diesen Jahres verlängert. Im Gegenzug ermöglichen die Mieter ihrem Vermieter, Fotos in der Wohnung zu machen, um die Renovierungsarbeiten schon mal in die Wege leiten zu können. Außerdem werden sie die Wohnungssuche verstärkt fortsetzen, schon im eigenen Interesse, eventuell auch mit Hilfe eines Maklers. Ein früherer Auszug ist jederzeit ohne weitere Mietkosten unter Einhaltung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist möglich.
Man könne sich auch an die Stadt wenden, die im Notfall eine Unterkunft oder Wohnung vermitteln würde, so der Hinweis der Richterin. Das oberste Ziel sei auf jeden Fall, Obdachlosigkeit zu vermeiden. Die Beteiligten erklärten ihr Einverständnis, damit war der Streitgegenstand erledigt. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagten. Der Streitwert wurde auf 8100 Euro beziffert. Rechtlich gesehen ein „klarer Fall“, doch für die Familie absolut existenziell.
Fall zwei, eine Unfallflucht
Ein 24-Jähriger war Anfang des Jahres auf dem Parkplatz eines Supermarktes in einer Umlandgemeinde beim Rückwärtsausparken mit dem Wagen der Geschädigten zusammengestoßen. Durch das offene Autofenster erklärte der Angeklagte der Fahrerin des betroffenen Wagens, es sei nichts passiert, und verließ die Unfallstelle ohne Angabe seiner Daten. Doch es gab einen Schaden von rund 1000 Euro am Fahrzeug der Geschädigten. Da sich diese das Kennzeichen des Unfallverursachers merken konnte, war es möglich, den Halter zu ermitteln.
Der Angeklagte ist in der Autobranche tätig, hat vor kurzem geheiratet, das Paar hat einen kleinen Sohn. Seine Frau arbeitet in Teilzeit. Um zur Arbeit zu kommen und Fahrten für die Familie zu erledigen, sei er aufs Auto angewiesen, sagte er. Deshalb habe er Einspruch gegen den Strafbefehl erhoben. Seine Hoffnung: Das bestehende Fahrverbot von sechs Monaten wird verkürzt.
Die Miete halte sich in Grenzen, da sie im Haus der Schwiegereltern wohnten, er habe jedoch noch einen Kredit wegen der Hochzeit laufen. Die Staatsanwältin plädierte für ein Fahrverbot von drei Monaten und 60 Tagessätze zu jeweils 50 Euro, da der Angeklagte bereits einen einschlägigen Eintrag im Bundeszentralregister hat. Der Verteidiger sprach sich für ein Fahrverbot von einem Monat und 60 Tagessätze zu 40 Euro aus. Der Fall sei zwar zu ahnden, es handele sich jedoch um ein unterdurchschnittliches Verschulden. Letztlich lautete das Urteil: ein Fahrverbot für drei Monate und 60 Tagessätze zu 40 Euro.
Der Richter für Strafsachen begründete die Entscheidung damit, dass es sich mindestens um ein durchschnittliches Verschulden handele, da sich der 24-Jährige um die Angabe seiner Daten drücken wollte. Dass er ermittelt wurde, sei nicht sein Verdienst. Doch er habe durchaus Verständnis für die Leute, die jeden Tag aufstehen und zur Arbeit gehen, obwohl ihr Verdienst nicht weit über dem ALG II liege. Daher habe er versucht, eine Balance zwischen Fahrverbot und Geldstrafe herzustellen.