Gespräche bei Kaffee und Hefezopf
SPD-Bundestagsabgeordneter Christian Lange nimmt von seiner Sommertour durch den Wahlkreis viele Erkenntnisse mit
Eine Woche war Christian Lange im Rahmen seiner alljährlichen Sommertour im Wahlkreis unterwegs – in verschiedenen Kommunen, Einrichtungen und Firmen. Sein Fazit: Der Streit zwischen CDU und CSU hat alle anderen Themen überschattet und der Demokratie massiv geschadet.

Ein Bürger lädt ein, Christian Lange bringt den Hefezopf mit: Nach diesem Prinzip funktionieren die Treffen im Rahmen der Sommertour des Politikers. Foto: privat
Von Lorena Greppo
BACKNANG. Ob auf Streife mit der Gmünder Polizei, zu Gast bei der Firma Holz in Maubach, zur Besichtigung des Trinkwassertanks in Großerlach oder zum Kaffeekränzchen bei den Bürgern des Wahlkreises: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Christian Lange war in der vergangenen Woche viel unterwegs. Seine alljährliche Sommertour bedeute zwar einen recht vollen Terminkalender, Lange versichert aber: „Ich mache das total gerne und bin jedes Mal wieder gespannt, was mich alles erwartet.“ Einen Themenschwerpunkt gab es in diesem Jahr keinen, vielmehr deckte der Politiker ein breites Spektrum ab. Ehrenamtliches Engagement in Welt- und Tafelläden sowie dem Deutschen Roten Kreuz würdigte er ebenso wie den Einsatz der Polizei, die er in Schwäbisch Gmünd für einen Abend begleitete. Mit Sorge habe er feststellen müssen, dass der Respekt für Beamte und Einsatzkräfte bei Weitem nicht mehr selbstverständlich sei. „Ich finde das bedenklich und hätte auch nicht gedacht, dass es so krass ist, wie ich es nun erlebt habe“, sagt Lange. Aber auch erfreulichere Erkenntnisse waren dem Backnanger gewiss.
Wow-Effekt in Maubacher Unternehmen
Dass die Firma Holz automation den deutschen Innovationspreis gewonnen hat, nahm Lange zum Anlass, in Maubach vorbeizuschauen und sich vor Ort ein Bild des Unternehmens zu machen. Es sei ein richtiger Wow-Effekt gewesen: „Das ist die Zukunft“, habe er sich gedacht. Die Räume seien kreativ gestaltet, es gebe viele Gemeinschaftsaktivitäten für die Mitarbeiter und einen tollen Zusammenhalt. So könne ein vergleichsweise kleines Unternehmen auch der Konkurrenz der ganz Großen in der Region Paroli bieten, ist Lange überzeugt. Dass aber auch der Maubacher Maschinenbauer den Fachkräftemangel zu spüren bekommt, habe sich im Gespräch mit den Verantwortlichen gezeigt.
Für Lange warf dies aber auch die Frage auf: Wenn alle die gut ausgebildeten Mitarbeiter brauchen, was passiert mit jenen, die solche Qualifikationen nicht aufweisen können? Und weil die großen, bundespolitischen Entscheidungen eben nicht auf die Sommertour eines einzelnen Abgeordneten Rücksicht nehmen, musste Lange zwischendurch auch noch eine Kabinettssitzung besuchen, in der beschlossen wurde, ab dem kommenden Jahr vier Milliarden Euro in den sozialen Arbeitsmarkt zu investieren. Das komme vor allem den Langzeitarbeitslosen zugute, erklärt Lange, und spannt den Bogen zurück in den Wahlkreis. „Davon verspreche ich mir auch für uns hier vor Ort einen Schub.“ Dass die allgemeine wirtschaftliche Lage im Rems-Murr-Kreis gut ist, habe er vor allem an der Stimmungslage der Bürger gemerkt: „Den Leuten geht es im Großen und Ganzen ganz ordentlich“, die meisten blickten optimistisch in die Zukunft.
Wie es inzwischen schon Tradition der Sommertour geworden ist, trifft sich Lange mit den Bürgern seines Wahlkreises in deren Zuhause zu „Politik und Hefezopf“. Das Prinzip ist einfach: Eine Privatperson lädt den eigenen Freundeskreis zum Kaffee ein, der Politiker kommt dazu, bringt Hefezopf mit und spricht mit den Anwesenden über alle möglichen Themen, die sie beschäftigen. Lange betont: „Dabei ist es keine Bedingung, dass jemand SPD-Mitglied ist.“ Er freut sich im Gegenteil darüber, mit Leuten in Kontakt zu kommen, die sonst eher keine politischen Veranstaltungen besuchen. Zur Sprache gekommen seien folglich auch jede Menge Themen.
Wie die Zukunft aussehen wird, insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung, habe einige seiner Gesprächspartner beschäftigt, erzählt Lange. „Als es zum Beispiel um das autonome Fahren ging, wurde die Frage aufgeworfen, was denn dann mit den Taxi- und Busfahrern geschehe.“ Es gebe so viele ethische, rechtliche und arbeitsmarktbezogene Fragen, die im Vorfeld geklärt werden müssten, „das treibt die Leute um“. Dann seien natürlich viele aufgrund der drohenden Dieselfahrverbote verunsichert gewesen. Für sie gebe es nun die Möglichkeit der Musterfeststellungsklage, merkt Lange an, eine „Wahnsinnserleichterung“ für viele. Denn sie könnten sich nun einer Klage eines großen Klägers, wie beispielsweise des ADAC, einfach anschließen.
Unionsstreit bestimmt
die Gespräche
Das „Megathema“ aber, das alles andere überschattet habe, war bei dieser Sommertour der Zwist zwischen den Unionsparteien. Dafür findet Christian Lange klare Worte: „Fassungslos“ habe ihn die Sache gemacht, die CSU hält er für „regierungsunfähig“. Die Demokratie sei massiv beschädigt worden, der Politikverdrossenheit mancher Bürger weiteres Futter geliefert. Gelitten hätten darunter alle, mit Ausnahme der AfD. Wichtige andere Themen – wie, dass die Krankenversicherungsbeiträge von Arbeitgebern und Beschäftigten künftig wieder gleich hoch sein werden – seien im Getöse um Merkel und Seehofer untergegangen. Und was war das Ergebnis des Unionsstreits? „Schlussendlich wird es kein nationaler Alleingang, sondern eine europäische Lösung. Seehofer bekommt kein Geld für solche ‚Lager‘, sondern soll mit anderen Ländern Rücknahmevereinbarungen aushandeln“, fasst Lange zusammen. Damit könne der Innenminister offenbar leben, trotz seiner lautstarken Forderungen nach Transitzentren. „Und dafür hat er die Regierung fast aufs Spiel gesetzt.“ Der Backnanger SPD-Politiker vermutet daher, dass die Sache nicht das eigentlich Ziel war. „In erster Linie ging es gegen die Bundeskanzlerin“, ist er überzeugt. Mit den anstehenden Landtagswahlen in Bayern im Oktober werde sich das Problem wohl noch verschlimmern, befürchtet Lange.
Obwohl auch die Mehrzahl der Gespräche seiner Sommertour maßgeblich von diesem Thema bestimmt war, zieht Christian Lange ein positives Fazit der Woche: „Interessant und abwechslungsreich war es.“ Eine Wiederholung im kommenden Jahr sei geplant.