Gesundheit? Wer soll das bezahlen . . .

Auch eine Merz-Regierung wird sich um mehr Effizienz kümmern. Nur hat sie keine Idee zur Finanzierung.

Das deutsche Gesundheitssystem ist teuer, aber ineffizient. Die Aufgabe der künftigen Regierung ist also klar.

© dpa-tmn/Franziska Gabbert

Das deutsche Gesundheitssystem ist teuer, aber ineffizient. Die Aufgabe der künftigen Regierung ist also klar.

Von Norbert Wallet

Berlin - Auf den ersten Blick steht das deutsche Gesundheitswesen gar nicht schlecht da. In Deutschland erhält jeder Patient ohne Rücksicht auf seine finanzielle Situation die bestmögliche medizinische Versorgung. Die Zugänge zu den ärztlichen Leistungen sind – bei allen Problemen etwa mit Facharztterminen – vergleichsweise zügig. Das darf man nicht gering schätzen.

Allerdings gibt es da ein erstaunliches Missverhältnis, das Studie um Studie immer wieder neu bestätigt wird: Der deutsche Staat gibt für das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich viel Geld aus. Der finanzielle Aufwand lag im Jahr 2022 in Deutschland bei 12,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist viel. EU-weit lag dieser Wert bei nur 10,4 Prozent. Zieht man einen größeren Rahmen, erkennt man, dass nur die USA mehr für Gesundheit ausgeben, nämlich 16,5 Prozent. Auch die Arztdichte ist bei uns vergleichsweise durchaus gut. Die Zahl der Krankenhausbetten ist EU-Spitze.

Genau so bemerkenswert ist allerdings, dass dieser hohe Ressourcenaufwand nicht zu besseren gesundheitlichen Ergebnissen führt. Für den Geburtsjahrgang 2023 liegt die Lebenserwartung bei 81,2 Jahren. Das ist unter dem EU-Durchschnitt. Nimmt man nur die 15 EU-Staaten, die 2004, also vor den Erweiterungsrunden, zur EU gehörten, liegt Deutschland an letzter Stelle. In Italien, Spanien oder Schweden werden die Menschen im Durchschnitt über zwei Jahre älter. Mit anderen Worten: Das deutsche Gesundheitssystem betreibt sehr großen Aufwand bei zu geringer Effizienz.

Man muss dem scheidenden Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sehr dankbar dafür sein, hier notwendige Schritte zu einer Trendumkehr eingeleitet zu haben. Die begonnene Abkehr vom Fallpauschalensystem durch die Klinikreform wird nicht nur die Zahl unnötiger Eingriffe reduzieren, sondern auch das Risiko minimieren, das heute dadurch entsteht, dass sich kleinere Krankenhäuser an komplizierte Operationen wagen, für die sie zu wenig Expertise haben. Auch die elektronische Patientenakte wird zu passgenaueren Behandlungen führen.

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD macht deutlich, dass die künftige Regierung das Thema Patientensteuerung zu einem zentralen Thema machen wird. Das ist erfreulich. Das verabredete verpflichtende Primärarztsystem ist ein guter Weg, die zu hohe Zahl der Arztbesuche zu senken und das System zielgenauer zu machen. Verbunden mit Veränderungen im Vergütungssystem, schnelleren Arztterminen und wirkungsvolleren Präventionsprogrammen geht das alles in die richtige Richtung.

Aber das muss dann auch solide finanziert werden. Und da gibt es am Koalitionsvertrag nun gar nichts mehr zu loben. Zur Stabilisierung der sehr kritischen Finanzlage von Kranken- und Pflegekassen gibt es de facto gar nichts, jedenfalls dann, wenn man die Einrichtung von Kommissionen zu diesem Thema als das nimmt, was sie ist: Das Eingeständnis vollkommener Ratlosigkeit. Oder genauer: das Eingeständnis konträrer Standpunkte, die sich nur schwer zu Kompromissen führen lassen.

Hier zeigt sich jetzt schon die gesundheitspolitische Konfliktlinie, die die gesamte Legislatur prägen wird: Mehr Eigenbeteiligung einerseits oder mehr solidarische Finanzierung aus dem Steuertopf und durch eine gerechte Verbreitung der Einnahmebasis andererseits? Um die Entscheidung wird es gehen. Und niemand darf sich da täuschen: Immer wenn von „mehr Eigenverantwortung“ oder „mehr Selbstbestimmung“ die Rede sein wird, ist nur eines gemeint: mehr Lasten auf den Schultern der gesetzlich Versicherten.

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Erstellt:
21. April 2025, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
21. April 2025, 23:55 Uhr

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