Graffiti unter der Bundesstraße

Unterführungen haben oft eines gemein: Schön sind sie nicht. Doch genau das ändert sich in Oppenweiler gerade. Ein junger Graffitikünstler darf sich kreativ austoben und den unterirdischen Weg, der die Fußgänger von einer Seite der B14 zur anderen führt, verschönern.

Der 21-jährige Moritz Krämer darf bereits zum zweiten Mal die Unterführung in Oppenweiler mit seiner Spraykunst verschönern. Nicht fehlen dürfen dabei heimatliche Elemente. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Der 21-jährige Moritz Krämer darf bereits zum zweiten Mal die Unterführung in Oppenweiler mit seiner Spraykunst verschönern. Nicht fehlen dürfen dabei heimatliche Elemente. Foto: A. Becher

Von Silke Latzel

OPPENWEILER. Wer heute Vormittag gerne einmal zuschauen möchte, wie mehrere großflächige Graffiti entstehen, darf sich in die B-14-Unterführung wagen und Moritz Krämer über die Schulter schauen – mit ein bisschen Abstand allerdings, denn er bemalt nicht nur einen kleinen Teil, sondern die komplette Unterführung, beidseitig. „Ich habe insgesamt etwa fünf bis sechs Stunden Arbeit eingeplant“, erzählt der 21-jährige Backnanger. Doch es läuft überraschend gut und schon Freitagnachmittag ist er so weit, dass er eigentlich mit der zweiten Wand beginnen könnte.

Wand Nummer eins zieren bereits einige einzelne Graffiti, die am Ende miteinander verbunden werden: Krämers Spitzname „Jecs“, das Wappen der Gemeinde Oppenweiler sowie stilisierte Bilder der Burg Reichenberg und des Wasserschlosses. Krämer sprüht nicht das erste Mal in offiziellem Auftrag in der Unterführung (wir berichteten). „Ich habe schon 2014 hier gearbeitet. Damals habe ich den Bürgermeister einfach direkt angesprochen und angeboten, das zu machen.“ Doch seine Graffiti wurden im Laufe der Jahre durch Schmierereien immer wieder verunstaltet, selbst Ausbesserungen halfen am Ende nicht mehr. Die Gemeinde beschloss also, es sei nun an der Zeit, die Wände komplett neu zu grundieren und mit frischen Graffiti zu verschönern. „Damals war es der ausdrückliche Wunsch, dass ich Elemente unterbringen soll, die in Oppenweiler bekannt sind, also eine Verbindung schaffen. Das war mir diese Mal freigestellt, aber ich fand es eigentlich immer noch eine gute Idee, und so habe ich einfach wieder die Burg und das Schloss als Motive ausgesucht“, so der Student.

Die elterliche Garage dient in der

Anfangszeit als Übungsfläche

Die Zusammenarbeit mit der Verwaltung sei auch dieses Mal ganz unkompliziert gewesen, erzählt er. Bürgermeister Bernhard Bühler habe ihn angerufen und gefragt, ob er Zeit und Lust habe, sich der Unterführung noch einmal anzunehmen. Keine Frage für Krämer: „Ich hab sofort zugesagt, musste nur nach einem passenden Termin suchen.“ Nicht ganz einfach, da er mittlerweile nicht mehr in Backnang lebt, sondern in München studiert. Doch der Brückentag kommt ihm gerade recht und er legt los.

Etwa 40 Dosen mit verschiedenen Farben braucht der Graffitikünstler für sein Werk in Oppenweiler. Bestellt hat er sie selbst, die Gemeinde übernimmt die Kosten von rund 400 Euro. „Alles ganz easy also“, sagt Krämer lächelnd. Und nicht nur für das Material kommt die Verwaltung auf, auch eine Entschädigung für seine Arbeitszeit bekommt der junge Künstler.

Was für einen Laien aussieht wie „locker aus dem Handgelenk geschüttelt“ ist Arbeit und erfordert Konzentration. „Sprayen selbst kann vermutlich jeder, nur wie es dann aussieht, ist halt eine andere Frage.“ Der 21-Jährige lacht. „Die Linienführung ist nicht einfach, gerade Striche und klare Kanten hinzubekommen erfordert einfach Übung.“ Für die Dosen hat er mehrere Aufsätze, so kann er dünnere und dickere Linien sprayen. Und klar, je mehr man sprayt, desto besser wird man auch.

Moritz Krämer geht in die 8. Klasse, als ihn sein Nebensitzer das erste Mal zum Sprayen mitnimmt. „Ich hab gemerkt, dass mir das Spaß macht. Bis dahin war ich in Kunst eher einer der Schlechtesten, bin dann aber immer besser geworden und habe dann sogar den Kunst-Leistungskurs besucht.“ Von seinem Nebensitzer lernt er die Grundzüge der Graffitikunst, sie sprayen eine Weile gemeinsam, gehen dann getrennte Wege. „Ab da habe ich mir dann alles autodidaktisch beigebracht“, so Krämer.

In der elterlichen Garage sowie auf Leinwänden in seinem Zimmer übt der damalige Nachwuchskünstler. Und besucht er jetzt seine Eltern in Backnang, hängen seine Kunstwerke nicht nur im ehemaligen Kinderzimmer, sondern überall im ganzen Haus. Auch für Freunde, Verwandte und Bekannte sprayt er. Noch kann der junge Mann nicht von seiner Kunst leben, die Aufträge werden allerdings immer größer. „Neulich durfte ich mit anderen Künstlern zusammen die Buseinfahrt beim VfB Stuttgart neu gestalten, das war echt cool.“ Er möchte langsam versuchen, sich neben seinem Studium etwas Größeres aufzuziehen.

„Hip-Hop und Graffiti

passen einfach gut zusammen“

Angesprochen wurde Moritz Krämer gestern nicht, Passanten bleiben allerdings ab und zu stehen und schauen ihm zu. „Vielleicht schreckt es sie auch ab, dass ich Kopfhörer trage und bei der Arbeit Musik höre“, so seine Vermutung. Ohne sei die Hemmschwelle, ihn anzusprechen, vielleicht geringer. Doch für Krämer gehören Musik und Graffiti einfach zusammen. Und was hört er? Natürlich Hip-Hop. „Ich bin zwar mit Metal und Punk aufgewachsen, mag eigentlich alle Musik bis auf Schlager, aber Graffiti ist eine Disziplin im Hip-Hop und passt einfach gut zusammen.“

Heute Abend will Krämer seine Arbeit beendet haben. Und wer sich dann das Werk ganz genau anschaut, findet unter anderem heraus, an welchem Tag und um welche Uhrzeit der Künstler geboren wurde.

Künstler Moritz Krämer verschönert im Auftrag der Gemeinde die B-14-Unterführung in Oppenweiler

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Erstellt:
3. November 2018, 06:00 Uhr

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