Grande Dame der Backnanger SPD wird 80
Christa Elser feiert ihren runden Geburtstag wegen der Pandemie nur im kleinen Rahmen. Die einstige Kreisrätin und Stimmenkönigin des Backnanger Gemeinderats appelliert an ihrem Wiegenfest, Empathie aufzubringen für alle, die unter den aktuellen Maßnahmen sehr leiden.

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Es ist ein Herzenswunsch der Sozialdemokratin Christa Elser, dass die Kontakte zu den Partnerstädten bald wieder stärker gepflegt werden können und die Schüleraustausche vor allem mit Annonay wieder in Schwung kommen. Foto: A. Becher
Von Matthias Nothstein
Backnang. An diesem Sonntag feiert Christa Elser ihren 80. Geburtstag. Als langjährige Backnanger Stadträtin und Fraktionsvorsitzende sowie Kreisrätin bestimmte die Grande Dame der örtlichen SPD viele Jahre maßgeblich das Geschehen im Rems-Murr-Kreis und insbesondere in der Stadt Backnang mit. Die pensionierte Gymnasiallehrerin hätte ihren runden Geburtstag sehr gerne in großer Runde gefeiert, aber aufgrund der Pandemie fällt die große Feier aus, selbst der Empfang der Stadt Backnang zu ihren Ehren im Rathaus ist gestrichen. Doch die einstige Stimmenkönigin des Gemeinderats zeigt sich kämpferisch. Sobald die Situation sich bessert, möchte sie zwei Reisen antreten und nachfeiern. Zuerst soll es zu ihrem 90-jährigen Bruder in die USA gehen, dann mit dem TGV nach Frankreich, wo sie mit einer guten französischen Freundin und einer ehemaligen Kollegin, die über viele Jahre den Schüleraustausch zwischen Annonay und Backnang begleitet hat, auf ihren runden Geburtstag anstoßen möchte.
Irgendwie bestimmt Corona auch den Wunschzettel Elsers. Ein Herzenswunsch von ihr ist beispielsweise, dass die Treffen der Partnerschaftsvereine und der Menschen in den Partnerstädten so schnell wie möglich wieder stattfinden können, um so die wichtigen Kontakte weiter pflegen und die Schüleraustausche, die nun seit zwei Jahren brachliegen, wieder beleben zu können. „Die junge Generation muss wieder Kontakte knüpfen können“, so der sehnlichste Wunsch der Seniorin.
Einen Empfang zu ihren Ehren lehnt Elser ab und spendet das so eingesparte Geld
So sehr Elser die Bedeutung der Kontakte betont, so sehr hat sie auch Verständnis für die aktuellen Maßnahmen. So hat sie etwa den Empfang im Rathaus abgelehnt, „eine solche Zusammenkunft wäre ein zu großes Wagnis“. Sie bittet, das so eingesparte Geld an die Lebenshilfe und den evangelischen Krankenpflege-Förderverein zu spenden. „Ich kann doch nicht in großer Zahl feiern und gleichzeitig dafür werben, Abstand zu halten“, lautet die Begründung des Geburtstagskindes, „das Risiko ist zu groß.“
Es spricht für die Bescheidenheit Elsers und für ihre soziale Ader, dass sie in dem Artikel über ihren Ehrentag weniger von ihren Verdiensten lesen möchte, sondern dass sie die Gelegenheit nutzt, all jenen zu danken, die während der Pandemie Großartiges leisten: Allen, die im Gesundheitswesen, in den Schulen oder den Kitas arbeiten oder sonst in beruflicher Verantwortung stehen. Ganz konkret erwähnt die Philologin auch die Verantwortlichen der Stadt, die etwa den Kultursommer und damit ein bisschen Normalität ermöglicht haben. Dies sei ein ganz wertvoller Beitrag für die Gesellschaft gewesen. Zufrieden zeigt sich die nun 80-Jährige auch, was ihre eigene Gesundheit angeht. „Ich habe die gesundheitlichen Sachen, die man in dem Alter halt hat. Aber ich habe auch den Eindruck, dass man sich zu Coronazeiten mehr beobachtet als sonst.“ Elser hat auf die Einschränkungen aufgrund der Pandemie auf ihre Art reagiert. Täglich geht sie spazieren, aber nicht in der Innenstadt, sondern über Feld und Flur. Die etlichen Treppenstufen zu ihrer Dachgeschosswohnung bilden daher für sie längt noch kein Problem. Eingestellt hat die begeisterte Sportlerin nur die jährlichen Segeltörns, die sie einst mit Freunden vom Segelklub der Universität Stuttgart durch die Ägäis geführt haben. Das Alter war ein Grund, ein anderer, „dass unser Skipper gestorben ist“.
Im Rückblick scheint es selbstverständlich, dass keine andere Partei als die SPD Elser eine politische Heimat bieten konnte. Und doch war dies kein Selbstläufer. So stammt sie zwar aus einer politisch interessierten Familie, aber ihr Onkel Alfred Elser zum Beispiel war der Gründer des CDU-Kreisverbands. Den Ausschlag für die Entscheidung zur SPD gab vor allem die Ostpolitik. Elser erinnert sich lebhaft, wie sie als junge Studentin in Rennes von einer französischen Kommilitonin gefragt wurde: „Wie könnt ihr mit der deutschen Teilung leben?“ Heute ist sie überzeugt davon, dass die SPD auch die Partei der deutschen Einheit ist. Sie schwärmt von Willy Brandts Ostpolitik, die menschliche Brücken in den Osten geschlagen hat. Der Besuch der Leipziger Buchmesse und die Begegnungen mit Freunden in der DDR gehörten zu den fixen Jahresterminen der Deutsch- und Französischlehrerin, die ihr gesamtes Berufsleben am Max-Born-Gymnasium in Backnang zugebracht hat. Oft diskutierte Elser mit ihren Ost-Freunden, die sich im kirchlichen Bereich geistige Unabhängigkeit bewahrt hatten. Landtagsabgeordneter Gernot Gruber schreibt über seine Parteikollegin: „Die Art und Weise, wie Oskar Lafontaine dann fast abfällig mit der Deutschen Einheit umging, konnte für Christa nur ahistorisch sein; einer der Momente, in der sich Frustration über die eigene Partei breit gemacht hat.“ Umso mehr ist die Sozialdemokratin stolz „auf unsere beiden Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt“.
Christa Elser ist in ihrem Leben sehr viel gereist, aber das steht nun im Alter nicht mehr an erster Stelle. Und trotzdem kritisiert sie jetzt einige Diskussionen in der Gesellschaft. Dass sie etwa manchmal den Eindruck hat, das Reisen sei für manche wichtiger als der Arbeitsplatz. „Ich weiß, ausgerechnet ich als Vielgereiste dürfte es nicht sagen, aber für einen 18-Jährigen, der jetzt einmal zwei Jahre lang nicht nach Australien fliegen darf, ist das Leben noch nicht vorbei. Die Nöte der Menschen sind ganz andere. Ich appelliere für mehr Empathie für Menschen in Kurzarbeit. Oder für Menschen, die ihre Kredite nicht mehr abbezahlen können. Oder für Familien, die ihre Kinder wegen geschlossener Kitas oder Schulen zu Hause betreuen und beschulen müssen.“ Ihr Wunsch zu ihrem Ehrentag: „Wir alle sollten diese Aspekte viel mehr berücksichtigen.“ Das passt zu der Würdigung von Landrat Richard Sigel. In seiner Laudatio schrieb er: „Sie haben sich viele Jahre lang für Ihre Mitmenschen eingesetzt und sind für deren Wohl und deren Belange eingetreten. Das zeichnet Sie als vorbildliche Demokratin aus.“
Zur Person: 1942 in Backnang geboren, in Murrhardt aufgewachsen; Studium: Germanistik (Deutsch) und Romanistik (Französisch) in Tübingen und Rennes; von 1968 bis 2006 Lehrerin am Max-Born-Gymnasium.
Politik und Ehrenamt:
1969 in die SPD eingetreten und Mitglied im Ortsverein Backnang, erst stellvertretende Vorsitzende, später fünf Jahre Ortsvereinsvorsitzende.
1980 bis 2004: Gemeinderätin; 1988 bis 2004 Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat; 1994 Stimmenkönigin in Backnang.
1984 bis 2014 Kreisrätin (langjährige stellvertretende Fraktionsvorsitzende);
Elser ist im Partnerschaftskomitee Backnang/Annonay, im Vorstand des Fördervereins der Jugendmusikschule und seit 1974 im Vorstand der Volkshochschule.
Ehrungen:
Backnanger Bürgermedaille
Bundesverdienstkreuz
Willy-Brandt-Medaille