Größere Vielfalt im pädagogischen Alltag

Zwar arbeiten mehr Männer als Erzieher, trotzdem sind sie in Kindergärten noch Exoten

Größere Vielfalt im pädagogischen Alltag

WAIBLINGEN (teb). Männer ab in die Kita. So richtig durchgedrungen ist die Bundesregierung mit dem Ruf noch nicht. Zuwachs misst sich derzeit noch in Promille: 5,7 Prozent Männer gehören heute bundesweit zum pädagogischen Kitapersonal. 2011 waren es 3,8 Prozent. Allerdings: Es gibt Unterschiede beim männlichen Drang in die Kindertagesstätte. Im Rems-Murr-Kreis liegt der Anteil bei 3,1 Prozent – damit kletterte er um 0,2 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Und in der Bundesliga der Kindergärtner, pardon, Erzieher, belegt der Rems-Murr-Kreis den 283. Platz unter 402 bundesweit erfassten Stadtstaaten, Stadt- und Landkreisen. Die niedrigste Quote hat der Kreis Dingolfing-Landau in Bayern: 0,4 Prozent. Spitzenreiter ist Frankfurt am Main mit 15 Prozent.

Kindergärten und Kfz-Werkstätten haben eines gemeinsam. Es fehlt das jeweils andere Geschlecht. Noch sind Männer wahre Exoten in Kindergärten. Gender-Fans ist beides ein Dorn im Auge. Damit das im Kindergarten nicht so bleibt, legte das Bundesfamilienministerium das Programm „Männer in Kitas“ auf: 16 Träger von Kindertagesstätten in 13 Bundesländern erprobten zwischen 2011 und 2013 Konzepte und Strategien, um mehr männliche Fachkräfte für Kitas zu gewinnen. Die Arbeit der Modellprojekte zu den Themen Berufsorientierung, Öffentlichkeitsarbeit, Gender in der pädagogischen Arbeit, Männerarbeitskreise, Generalverdacht und Schutzkonzept, Väter und Elternarbeit wurden zu „Praxis-Handreichungen“ zusammengefasst.

Im Rems-Murr-Kreis zeigte der Ruf nach mehr Männern durchaus gewissen Erfolg: Hier erhöhte sich die Männerquote von 2,5 (Jahr 2011) auf 3,1 (Jahr 2017) Prozent. 2014 nach Ende der Kampagne lag die Männerquote im Rems-Murr-Kreis bei 2,7 Prozent. Bundesweit kletterte der Anteil von 2011 bis 2017 von 3,8 auf 5,7 Prozent. In Baden-Württemberg hat sich die Quote von 3,2 auf 4,6 Prozent entwickelt. Das ändert aber nichts dran, dass die Erziehungstätigkeit in den Kindertageseinrichtungen von Frauen dominiert wird.

Aber ist das schlimm? Männer verhalten sich anders als Frauen und können die Kinderbetreuung bereichern. Soweit der allgemeine Konsens. Und der wissenschaftliche Beleg? Das Bundesfamilienministerium verweist auf die von ihm geförderte Tandemstudie. Deren Autoren haben die Vorgabe so zusammengefasst: „Gegenwärtig wird im deutschen wie im europäischen Raum eine deutliche Erhöhung des bislang geringen Männeranteils an pädagogischem Personal in Kindertagesstätten politisch gewollt und aktiv gefördert. Dabei ist die Forderung nach mehr männlichen Fachkräften in Kindertagesstätten mit der Erwartung verbunden, dass hierdurch eine größere Vielfalt im pädagogischen Alltag entsteht. Unterstellt wird, dass zum einen Männer anders mit Kindern umgehen als Frauen und andere Lern- und Spielangebote machen. Zum anderen wird insbesondere bezogen auf Jungen darauf verwiesen, dass männliche Fachkräfte als Rollenvorbilder und männliche Identifikationsfiguren dienen können.“

Das Ergebnis: „Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass nur dann sinnvoll nach Wirkungen des Geschlechts der Fachkräfte gefragt werden kann, wenn zugleich das Geschlecht der Kinder miteinbezogen wird. Unterschiedliche Verhaltensweisen scheinen nicht mit dem Geschlecht der Fachkräfte zusammenzuhängen, sondern mit dem der Kinder.“

Arbeitskräftemangel

in Kitas

Also Fall erledigt? Nein, im Gegenteil. Denn es gibt mal abgesehen vom Gendern einen ganz handfesten Grund, warum das Interesse an Männern in Kitas bei der Politik so groß ist. Und zwar den gleichen, warum Mädels für Mint-Berufe umworben werden oder das Kraftfahrzeuggewerbe gerne mehr Mädels als Kraftfahrzeugmechatronikerinnen hätte: Die Arbeitskräfte werden knapp. Darauf deutet ein anderes Programm hin: Das nennt sich „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ und darin stellt das Bundesfamilienministerium für den Zeitraum seit 1. Juni 2015 bis Ende des Schuljahres 2020 rund 18 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Verfügung. Ziel: Männer und Frauen aus anderen Branchen abwerben. Oder im korrekten Ministeriumssprech: „Gefördert werden Modellprojekte, die vergütete Ausbildungen von Erzieherinnen und Erziehern erproben und speziell auf Berufswechslerinnen und Berufswechsler zugeschnitten sind.“ Oder eben: Fachkräfte abwerben.

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Erstellt:
21. August 2018, 06:00 Uhr

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