Großer Frust wegen Projekt Klima Mobil in Burgstetten
Trotz jahrelanger Untersuchung ist keine Verbesserung der Lärmsituation in der Gemeinde Burgstetten in Sicht. Erarbeitete Maßnahmen zu Lärmschutz und Verkehrssicherheit sollen jedoch weiterverfolgt werden. 226 Ideen zur Verbesserung der Situation waren eingetragen worden.

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Klaus Jenne, Heinz Brenner und Hans Walker (von links) engagierten sich in Sachen Reduzierung des Verkehrslärms in der Gemeinde Burgstetten bereits vor drei Jahren. Archivfoto: Alexander Becher
Von Simone Schneider-Seebeck
Burgstetten. Geduld ist eine Tugend. Das mag sich bei der jüngsten Sitzung des Burgstettener Gemeinderats nicht nur das eine oder andere Gremiumsmitglied gedacht haben, sondern vielleicht auch manch ein Zuschauer der Sitzung.
2020 hatte sich die Gemeinde gemeinsam mit der Bürgerinitiative als Modellkommune beim Kompetenznetzwerk Klima Mobil beworben und war mit weiteren Kommunen in das Förderprojekt aufgenommen worden. Seither hatte man sich in regelmäßigen und kurzen Abständen digital zusammengesetzt, um Vorschläge zur Verkehrsverbesserung zu diskutieren und – nach Möglichkeit – auch umzusetzen. So kristallisierte sich vor allem heraus, dass der Durchgangsverkehr durch die Ortsteile verringert und auch eine Verkehrsberuhigungsmaßnahme auf der Friedhofstraße in Erbstetten durchgeführt werden sollte. Auch Rad- und Fußwege standen im Fokus.
Das Ergebnis der Untersuchungen fiel nun ausgesprochen ernüchternd aus. Als erfreulich stellte der Sachverständige Bodo Schwieger vom Büro Team Red (Berlin), Innovationsberatung zu Fragen neuer Lösungen für eine nachhaltige Mobilitätsentwicklung, heraus, wie hoch das Engagement im Rahmen einer Online-Beteiligung der Bürgerschaft gewesen sei. 226 Ideen zur Verbesserung der Situation waren eingetragen worden.
Insbesondere die Friedhofstraße, an der sich ein Kindergarten, eine Kirche sowie ein Veranstaltungszentrum befinden, habe sich als Problemstelle herausgestellt. Vermutlich aufgrund des Gefälles wird hier immer wieder die Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde überschritten. Zudem ist der Fußweg verhältnismäßig schmal, bei Begegnungen muss auf die Straße ausgewichen werden.
Temporeduzierung ist eine sofort wirksame Maßnahme
Wolfgang Herrmann (Büro Obermeyer, München) stellte die Ergebnisse der Lärmberechnungen aus den Jahren 2021/22 vor. Dabei ergab sich eine doch recht hohe Anzahl von betroffenen Bürgern, die unter einem als gesundheitsgefährdend eingestuften Lärmpegel leiden. Eine Reduzierung der Geschwindigkeit von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde sei eine sofort wirksame Maßnahme, um die Belastung tagsüber um fast die Hälfte zu verringern.
Allerdings war bereits früher ein Antrag auf Tempo 30 bei der Ortsdurchfahrt abgelehnt worden. Dennoch zeigte sich Herrmann zuversichtlich – das Lärmgutachten sei eine gute Grundlage für Gespräche mit der Straßenverkehrsbehörde.
Empfohlen wurde der Gemeinde nun die Erstellung eines umfassenden Lärmaktionsplans. „Ansätze sind da und sie sehen vielversprechend aus“, so Bodo Schwieger. Konkrete Umsetzungen der im Rahmen des Projekts erarbeiteten Maßnahmen sind aktuell jedoch noch nicht möglich gewesen.
Bislang ist kein Ergebnis zu sehen
Entsprechend zeigte sich Anja Geldner (Freie Wählervereinigung Burgstetten) enttäuscht: „Das Projekt hatte den Anspruch, hochwirksame Maßnahmen im Rahmen umzusetzen und auch neue Weg aufzuzeigen, auch als Vorbild für andere Kommunen. Damit habe ich damals super Hoffnungen verbunden, auch über Pop-up-Maßnahmen, also neue unbürokratische Wege zu gehen. Meines Erachtens wurde ich da ziemlich enttäuscht, da bislang kein sichtbares Ergebnis zu sehen ist. Man könnte sagen, dass das Projekt Klima Mobil als ein Paradebeispiel, wie Steuergelder auch verschwendet werden, gesehen werden könnte und viele sehr engagierte Ehrenamtliche frustriert waren, da es doch viel Zeit in Anspruch nahm und bisher nicht viel vorzuweisen ist.“ Sie verwies auf den Beitritt Burgstettens zum Bündnis „Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angepasste Geschwindigkeiten“. „Ich wünsche mir, dass alles unbürokratischer vonstatten gehen kann“, so Geldner.
Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz konnte dem nur zustimmen: „Es wurden immer alle Maßnahmen abgelehnt. Man hat sogar versucht, über das Regierungspräsidium und das Verkehrsministerium eine Pop-up-Maßnahme in der Friedhofstraße hinzubekommen. Das hat nicht geklappt.“
Bodo Schwieger gab zu bedenken, dass man sich innerhalb der Straßenverkehrsordnung bewege, die „seit 100 Jahren darauf ausgelegt sei, dass der Autoverkehr funktioniert“. Momentan sei jedoch alles im Wandel, ein Meinungsbildungsprozess finde statt, darüber, wie Verkehr anders gestaltet werden könne. „Ihre Stimme wird gehört“, so Schwieger.
Zwar sei das Projekt Klima Mobil nun abgeschlossen. Doch zumindest mit den Berechnungen habe man etwas in der Hand, auf das man aufbauen könne, sagte Bürgermeisterin Wiedersatz abschließend.
Start Das Kompetenznetz Klima Mobil wurde auf Initiative des Ministeriums für Verkehr von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) in Kooperation mit der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) ins Leben gerufen.
Förderung Gefördert wurde das Kompetenznetz Klima Mobil durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI).
Zweck Das Kompetenznetz bietet Kommunen in Baden-Württemberg mit einer landesweiten Anlaufstelle Orientierung bei allen Fragen rund um Klimaschutz im Verkehr. Dazu bietet Klima Mobil Beratung, Unterstützung und Vernetzung, wenn es für Kommunen darum geht, herausfordernde Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr anzustoßen, innovative Ansätze zu entwickeln und umzusetzen.
Schwerpunkte Im Fokus stehen die Schwerpunkte „klimaschutzorientierte Verkehrsplanung“ – insbesondere Klimamobilitätspläne und Aktionspläne für Mobilität, Klima und Lärmschutz – sowie „Straßen und Plätze aufwerten“ mit dem Fokus Parken. Das Netzwerk soll zu Instrumenten und Handlungsmöglichkeiten informieren und Angebote für Kommunen schaffen, sich miteinander zu ihren Erfahrungen und Projekten auszutauschen und zu vernetzen und so klimafreundliche Mobilität vor Ort voranzubringen.
Finanzierung Die Finanzierung geschieht aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat. Weitere Informationen unter: www.klimaschutz-bewegt.de