Grün-Schwarz will neue Kredite von knapp einer Milliarde
dpa/lsw Stuttgart. Die Corona-Pandemie hat im Haushalt des Landes tiefe Spuren hinterlassen. Die Koalition will daher neue Schulden machen. Die Beratungen laufen.
Grün-Schwarz ist beim geplanten Nachtragshaushalt einen Schritt weiter. Die baden-württembergische Regierung plant, die Corona-Krise erneut zur Naturkatastrophe zu erklären, um neue Schulden aufnehmen zu können. Darauf hätten sich die Spitzen der Koalition um Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstagabend in der Haushaltskommission verständigt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch aus Koalitionskreisen in Stuttgart. Allerdings soll die Kreditaufnahme über das zeitweise Aussetzen der Schuldenbremse auf knapp unter eine Milliarde Euro begrenzt werden.
Dem Vernehmen nach wollen die Spitzen der Koalition damit weiteren Begehrlichkeiten von Ministerien und Fraktionen einen Riegel vorschieben. Das frische Geld soll demnach zum Großteil in eine Corona-Rücklage fließen, um auf weitere Folgen der Pandemie vorbereitet zu sein. Damit soll zum Beispiel der Weiterbetrieb der Impfzentren finanziert werden. Die Haushaltskommission soll am kommenden Mittwoch erneut tagen.
Der erste Schritt im Verfahren sei geschafft. Die Grundzüge seien besprochen, teilten der Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz und sein CDU-Kollege Manuel Hagel gemeinsam mit. „Alle weiteren Details - einschließlich der Frage, in welchem Umfang wir Geld benötigen - werden wir in einer weiteren Sitzung der Haushaltskommission klären und die offenen Punkte dann näher beleuchten.“ So viel sei bereits klar: Bei der benötigten Summe werde man sich streng am Bedarf orientieren.
Hagel sagte der „Südwest Presse“ (Donnerstag). „Dieser Nachtragshaushalt wird keine Happy Hour mit Freigetränken für alle werden. Wir waren in den vergangenen Jahren verwöhnt durch stetig steigende Steuereinnahmen.“ Am späten Dienstagabend hatten sich die Spitzen der grün-schwarzen Koalition auf die Eckpunkte verständigt. Da tagte die Haushaltskommission unter Leitung von Kretschmann. Nun sollen erst einmal die Koalitionsfraktionen über die Eckpunkte beraten.
Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) sagte, man werde sich auf das Wesentliche konzentrieren und das Land gegen weitere Corona-Risiken absichern. „Der Kampf gegen die Pandemie und ihre Folgen ist auch die beste Finanzpolitik, denn so stabilisieren wir die Konjunktur, und sorgen wieder für steigende Steuereinnahmen in der Zukunft.“
Der FDP-Finanzpolitiker Stephen Brauer sagte: „Außer Spesen nichts gewesen. Es reicht eben nicht, sich nur der gegenseitigen Wertschätzung zu versichern, sondern man muss auch klare Entscheidungen treffen und diese dann auch endlich klar kommunizieren.“ Die AfD sieht keinen Bedarf für einen Nachtragshaushalt. Sie warnte vor weiteren neuen Schulden.
Kretschmann hatte vor der letzten Sitzung der Kommission schon angedeutet, dass das Land erneut die Corona-Krise zur Naturkatastrophe erklären könnte, um an frisches Geld zu kommen. Das wurde vom Umweltverband BUND begrüßt. Dann könnten die Schuldenbremse gelockert und die Folgekosten der Pandemie besser gestemmt werden, erklärte die Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch. Die Infrastruktur müsse klimafest gemacht werden.
Der Nachtragshaushalt soll aus Kretschmanns Sicht auch ein Sofortprogramm zur Bewältigung der coronabedingten Lernlücken von Schülern abdecken. Hinzu kämen Hilfen für Kommunen, den Handel, die Innenstädte, die Gesundheitsämter und den öffentlichen Nahverkehr.
Die grün-schwarze Vorgängerregierung hatte Ende vergangenen Jahres zur Bewältigung der Pandemie im Nachtrag 13,5 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen - auch hier hatte man argumentiert, Corona sei als außergewöhnliche Notsituation zu verstehen.
Die neue Koalition will nun auch mit Investitionen eigene Akzente setzen, auch wenn die Kassen wegen der Pandemie ziemlich leer sind. So soll mehr Geld in den Ausbau des schnellen Internets und die Förderung der grünen Wasserstofftechnologie als Ersatz für fossile Brennstoffe fließen. Hier steht die Landesregierung unter Zugzwang, weil der Bund diese Projekte nur dann fördert, wenn das Land sie mitfinanziert. Zudem muss die Bildung der neuen Regierung, also etwa das neue Bauministerium und die zusätzlichen Staatssekretäre, finanziell unterfüttert werden.
Bei der Entscheidung über neue Schulden dürfte auch eine Rolle spielen, wie stark das Land den von Corona ebenfalls gebeutelten Kommunen erneut unter die Arme greift. Der Haushaltskommission gehören neben Kretschmann und Bayaz Innenminister Thomas Strobl (CDU), die Fraktionschefs von Grünen und CDU sowie die finanzpolitischen Sprecher der beiden Fraktionen an.
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