Ricarda Lang bringt die Backnanger Grünen in Sachen Zusammenarbeit mit der AfD auf Linie

Die Parteivorsitzende spricht vor Verantwortlichen der Grünen ein Machtwort: keine Zusammenarbeit mit der AfD und keine Unterstützung von AfD-Anträgen.

Ricarda Lang zusammen mit Ralf Nentwich bei einem B-14-Ortstermin in Backnang im April. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Ricarda Lang zusammen mit Ralf Nentwich bei einem B-14-Ortstermin in Backnang im April. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Backnang. Zusammenarbeit oder nicht? Nach den Berichterstattungen in der Tageszeitung „Die Welt“ und der Backnanger Kreiszeitung sowie einem ARD-Beitrag in den „Tagesthemen“ schlagen die Wellen bei den Grünen in Stadt, Land und Bund hoch. Gegangen war es um einen Antrag der Backnanger AfD-Fraktion, dem der komplette Gemeinderat Anfang November vergangenen Jahres bei nur einer Gegenstimme zugestimmt hatte. Und das auch noch „ausgerechnet im Wahlkreis von Parteichefin Ricarda Lang“, wie in der heutigen Ausgabe der „Bild“ zu lesen war.

Grünen-Chefin setzt die Parteilinie in Backnang durch

Jetzt hat die 29-jährige Grünen-Vorsitzende offensichtlich vor Ort ein Machtwort gesprochen. „Es gibt eine Einigung unter Kreisvorstand, Ortsvorstand und auch der Gemeinderatsfraktion, dass sich so etwas nicht wiederholen wird“, sagte die Grünen-Bundeschefin bei RTL. Wie der „Spiegel“ heute online berichtete, habe sie Kontakt zu den verantwortlichen Kommunalpolitikern in Backnang gehabt.

„Wenn es um sinnvolle Anliegen geht, kann man selbst einen Antrag stellen“, wird Lang zitiert. Bereits am Sonntagabend hatte die Parteichefin das Abstimmungsverhalten der Backnanger Grünen im ARD-Sommerinterview verurteilt: „Ich finde es falsch. Wir haben da eine ganz klare Linie als Partei, und keine Zusammenarbeit heißt keine Zusammenarbeit.“ Auf Nachfrage, welche Folgen der konkrete Fall haben werde, sagte Ricarda Lang: „Wir klären das intern. (...) Wir werden da die Parteilinie durchsetzen.“

Unverständnis bei Ralf Nentwich

Ins gleiche Horn stößt Ralf Nentwich. Der Grünen-Landtagsabgeordnete fordert einen einheitlichen Modus der Abgrenzung zur AfD im Backnanger Gemeinderat. Besagter Gemeinderatsbeschluss vor neun Monaten, bei dem es um die Erhöhung der Fördergelder für das Bandhaus-Theater gegangen war, hat bei ihm für Unverständnis gesorgt, wie er heute mitteilte. Nentwich sieht den gesamten Gemeinderat in der Verantwortung, einen einheitlichen Modus in der Abgrenzung zur AfD zu finden: „Die Haltung gegenüber der AfD sollte eindeutig sein, um ein Signal zu setzen und möglichen Missverständnissen vorzubeugen.“

Ob sich die Backnanger Stadträte – welcher Couleur auch immer – solche Forderungen zu Herzen nehmen? „Klare Aussage: keine Zusammenarbeit mit der AfD“, versicherte SPD-Fraktionsvorsitzender Heinz Franke gegenüber unserer Zeitung. „Das kann aber nicht heißen, dass überall da, wo die AfD zustimmt oder ablehnt, wir auf unsere eigenen Forderungen verzichten.“

„Ich wurde von den Bürgern und Bürgerinnen der Stadt demokratisch gewählt zum Wohle der Stadt. Dementsprechend werde ich die Interessen der Bürger auch bei Abstimmungen vertreten“, schrieb CDU-Stadtrat Rolf Hettich heute auf Facebook. „Sollte hier ein vernünftiger Antrag der AfD eingebracht werden, dann wird hierüber demokratisch diskutiert und entschieden. Eine Zählgemeinschaft oder eine Absprache mit der AfD kommt natürlich überhaupt nicht infrage“, stellt Hettich klar.

Grünen-Stadtrat kann nicht aus Prinzip gegen einen AfD-Antrag stimmen

„Ich kann nicht aus Prinzip gegen einen AfD-Antrag stimmen, wenn ich ihn inhaltlich teile und er gut für die Stadt ist“, wird der Grünen-Stadtrat Mustafa Gül heute von der „Bild“ zitiert. Und weiter: „Ich bin mit beiden Backnanger AfD-Gemeinderäten per Du, weil ich sie privat kenne.“

Für eine Stellungnahme war keiner der Grünen-Stadträte Willy Härtner und Mustafa Gül sowie keine der Grünen-Stadträtinnen Ulrike Sturm und Juliana Eusebi heute telefonisch erreichbar. Am Nachmittag gab es eine gemeinsame schriftliche Stellungnahme der Backnanger Gemeinderatsfraktion, des Ortsvorstands sowie des Kreisvorstands der Grünen per E-Mail. „Eine Zusammenarbeit mit einer demokratie- und verfassungsfeindlichen und unsozialen Partei wie der AfD ist (...) ausgeschlossen.“

Weiter heißt es wörtlich: „Die öffentlichen Aussagen des Grünen-Fraktionsvorsitzenden in Backnang Willy Härtner über seinen Umgang mit den Gemeinderät*innen der AfD lehnen wir ab. Es ist in den Kommunen und auch im Land bislang und weiterhin unsere ganz klare Überzeugung, diese Partei rechts außen liegen zu lassen, wo sie auch hingehört. Das bedeutet unter anderem, keine Zusammenarbeit, keine Anträge zu unterstützen und auch keine Zusammenarbeit mit Verfassungsfeinden im Nachgang von Sitzungen. (...) Wir Grüne (...) sind uns mit der Gemeinderatsfraktion einig, dass in Zukunft keine Anträge mehr unterstützt werden, sondern ein eigener Antrag gestellt wird.“

Am späten Nachmittag hat sich Willy Härtner doch noch per WhatsApp bei unserer Redaktion mit folgenden Worten gemeldet: „Jetzt ist aus einer Mücke ein Elefant geworden, der mit Sachthemen nichts mehr zu tun hat. Mit meiner Frau habe ich schon vor dieser Mücke ausgemacht, dass ich vier Wochen Politik fasten werde.“

Zum Artikel

Erstellt:
1. August 2023, 19:02 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen