Gummibärchen fürs richtige Parken

Stadt Backnang beteiligt sich an Kampagne des Landes Baden-Württemberg – Aufmerksam machen auf Gefahren des Falschparkens

Wer falsch parkt und erwischt wird, bekommt ein Knöllchen. Manchmal ärgert man sich über sich selbst, manchmal über den Vollzugsbeamten. Was aber, wenn der Spieß umgedreht wird und es für richtiges Parken eine Belohnung gibt? Die Stadt Backnang probiert es gerade aus und verteilt kleine Geschenke.

Autofahrer Herbert Knöll (links) freut sich über die Belohnung, die er von Bernd Bracher fürs korrekte Parken bekommt. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Autofahrer Herbert Knöll (links) freut sich über die Belohnung, die er von Bernd Bracher fürs korrekte Parken bekommt. Fotos: J. Fiedler

Von Silke Latzel



BACKNANG. Zuerst schaut Herbert Knöll etwas irritiert, fast sogar schon misstrauisch. Er hat doch alles richtig gemacht, das Auto steht eins a in der Parklücke, auch ein Ticket hat er gelöst und gut sichtbar hinter der Windschutzscheibe seines Autos angebracht... Wieso also hält Bernd Bracher, Vollzugsbeamter der Stadt Backnang, ihn trotzdem an? „Sie haben nichts falsch gemacht, im Gegenteil. Wir belohnen heute Leute, die richtig geparkt haben“, erklärt Bracher lachend. Da weicht auch die Anspannung aus Knölls Gesicht, er lacht, freut sich und nimmt das kleine Präsent entgegen, das Bracher ihm überreicht.

„Vorsicht – Rücksicht – Umsicht“ heißt die Kampagne des Landes Baden-Württemberg, deren Ziel es ist, auf gefährliches Falschparken aufmerksam zu machen. Und weil man mal etwas anderes machen möchte, als nur tadelnd den Zeigefinger zu heben, setzt das Ministerium für Verkehr auf den positiven Belohnungseffekt: Gummibärchen und nette Worte für alle, die richtig parken. Sogar ohne tierische Gelatine ist die süße Kleinigkeit, „so können alle sie essen, auch Veganer oder Muslime“, erklärt Gisela Blumer, Leiterin des Backnanger Ordnungsamts. Seit 14 Tagen verteilen die städtischen Vollzugsbeamten schon Belohnungen, von rund 500 kleinen Päckchen ist etwa die Hälfte schon weg. „Und wir machen weiter, bis wir keine Gummibärchen mehr haben“, so Blumer.

„Es gibt viel zu wenig Menschen, die wir belohnen können“

Die Kampagne fällt mit einer anderen ganz besonderen Zeit in Backnang zusammen, die „Weihnachtsfrieden“ genannt wird: Die Vollzugsbeamten ahnden nicht jedes Falschparkervergehen, sondern drücken in der Vorweihnachtszeit auch mal ein Auge zu. Das wird auch gemacht, weil es in der Innenstadt im vergangenen Jahr viele Baustellen, Umleitungen und Verkehrsbehinderungen gegeben hat, die die Autofahrer teilweise auf eine harte Geduldsprobe gestellt haben. Nur wenn es wirklich gefährlich ist, also jemand beispielsweise vor Bushaltestellen oder Fußgängerüberwegen, im absoluten Halteverbot, in Feuergassen oder Fluchtwegen parkt, wird durchgegriffen und es gibt ein Knöllchen – und statt Gummibärchen eine Broschüre des Landes, in der beschrieben wird, welche fatalen Folgen es haben kann, falsch zu parken. „Die Menschen denken häufiger darüber nach, was passieren kann, wenn man es ihnen an einem Beispiel verdeutlicht“, erzählt Bracher. „Etwa wenn jemand in zweiter Reihe und damit auf einer Fahrradspur parkt. Dadurch muss der Radfahrer auf die Straße ausweichen und das kann, gerade für Kinder, sehr gefährlich werden. Wenn man dann bei den Falschparkern ein Bewusstsein dafür schafft, dass das auch das eigene Kind sein könnte, dann werden viele nachdenklich.“

Bracher zieht seine Runde durch die Innenstadt. Immer wieder zeigt er auf Autos und Lieferwagen, die eigentlich einen Strafzettel bekommen würden – aber es ist Weihnachtsfrieden. In der Gerberstraße allerdings gibt es kein Pardon: Ein Auto ohne Berechtigungsschein steht auf einem Behindertenparkplatz. Bracher zückt einen Kampagnenflyer und befestigt ihn, zusammen mit dem Knöllchen, am Scheibenwischer. Eine Frau kommt dazu, es ist ihr Auto. Sie ist sich keiner Schuld bewusst – zumindest tut sie so. Die Schilder? Nein, die habe sie nicht gesehen. Hilft aber nicht, ihr Falschparken ist schon dokumentiert.

„Leider gibt es viel zu wenig Menschen, die wir belohnen können“, so Bracher. Doch kaum ausgesprochen, trifft er nur ein paar Meter weiter auf Herbert Knöll, der alles richtig gemacht hat. Die Belohnung wird nur in direkter Ansprache verteilt, damit die Angesprochenen auch wissen, wieso sie etwas geschenkt bekommen. Und sie kommt gut an. „Die meisten Menschen reagieren darauf sehr positiv. Manche sind verwundert, aber im Gespräch kann man ja immer alles sehr schnell erklären.“ Für den Vollzugsbeamten selbst ist die Aktion ebenfalls etwas Besonderes, es passiert nicht oft, dass sich Menschen freuen, wenn sie ihn dienstlich treffen – im Gegenteil. „Die Aggressivität hat leider zugenommen.“ Dabei ist Bracher nicht unfreundlich, sondern versucht, sachlich zu erklären, wieso er Strafzettel verteilt. „Ich behandele die Menschen immer so, wie ich auch selbst behandelt werden möchte“, sagt er. Oft hilft ihm dabei auch sein Humor, der das Eis bricht. „Wer etwas falsch gemacht hat, der weiß das in der Regel auch“, so seine Erfahrung.

Die Zahl der Ordnungswidrigkeiten steigt übrigens mit jedem Jahr an. Das allerdings liegt nicht daran, dass die Menschen sich immer rücksichtloser benehmen, erklärt Blumer: „Es gibt nur einfach immer mehr Bürger. Und mit ihnen steigt auch die Zahl der Fahrzeuge. Nicht der Einzelne macht mehr, es ist die Summe.“

„Wer einen Parkplatz will, der findet auch einen“

Mittlerweile kann Bracher eine weitere Belohnung verteilen. Auch Andrea Hackenberger-Deeg hat alles richtig gemacht, auf einer Parkscheibe die Uhrzeit eingestellt und sie so hinter die Windschutzscheibe gelegt, dass sie gut sichtbar ist. Auch sie ist zunächst skeptisch, als Bracher auf sie zukommt, freut sich aber dann sehr. Die Parksituation in der Stadt hält der Vollzugsbeamte grundsätzlich für gut. „Es gibt genug ausgeschilderte Parkplätze und -häuser. Wer einen Parkplatz will, der findet auch einen. Man muss halt nur in Kauf nehmen, dass man dann auch mal fünf Minuten zu seinem Ziel laufen muss, und das machen die Leute nicht so gern.“

Wer mehr über die Kampagne des Landes Baden-Württemberg wissen oder sein Wissen zum richtigen Parken mal wieder auffrischen möchte, findet ausführliche Informationen online unter www.vorsicht-rücksicht-umsicht.de.

Wer etwa im absoluten Halteverbot parkt, bekommt ein Knöllchen und eine Broschüre.

© Jörg Fiedler

Wer etwa im absoluten Halteverbot parkt, bekommt ein Knöllchen und eine Broschüre.

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Erstellt:
21. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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