Gutachten zur Sulzbacher Steige

Von einer Gruppe besonders auffälliger Motorradfahrer wird die B14 zwischen Sulzbach und Großerlach sowie die K1819 gerne als Rennstrecke missbraucht. Weil bisherige Maßnahmen gegen Lärm und Verkehrsgefährdung keine Besserung gebracht haben, soll nun ein Gutachten helfen.

Tierische Schilder an bekannten Raserstrecken appellieren an Motorrad- und Autofahrer, rücksichtsvoll unterwegs zu sein. Eine spürbare Verbesserung – besonders bei einer „uneinsichtigen Minderheit“ der Community – hat es bisher nicht gegeben. Archivfoto: B. Beytekin/Landratsamt

© Benjamin Beytekin

Tierische Schilder an bekannten Raserstrecken appellieren an Motorrad- und Autofahrer, rücksichtsvoll unterwegs zu sein. Eine spürbare Verbesserung – besonders bei einer „uneinsichtigen Minderheit“ der Community – hat es bisher nicht gegeben. Archivfoto: B. Beytekin/Landratsamt

Von Kristin Doberer

Großerlach/Sulzbach an der Murr. Die Sulzbacher Steige (B14), die L1066 und die K1819 zwischen Spiegelberg und Vorderbüchelberg sind bei Motorradfahrern besonders beliebte Strecken im Rems-Murr-Kreis. Doch immer häufiger werden genau diese Strecken von einer besonders auffälligen Gruppe von Bikern als illegale Rennstrecke missbraucht. Immer wieder fahren sie die Strecke hoch und runter, die Geschwindigkeitsbegrenzung wird ignoriert, die Kurven werden geschnitten. Für die Anwohner kommt es dadurch zu erheblicher Lärmbelästigung und auch in der Unfallstatistik schlägt sich dieses Fahrverhalten deutlich nieder. Seit Jahren passieren dort schwere Unfälle, wobei nicht selten auch unbeteiligte Dritte betroffen sind oder gefährdet werden. Trotz verschiedener Maßnahmen in den letzten Jahren konnte bislang keine spürbare Verbesserung der Situation erreicht werden. Im Gegenteil, so die drei Bürgermeister der betroffenen Gemeinden Großerlach, Spiegelberg und Sulzbach an der Murr. Der Missbrauch als Rennstrecke habe in den letzten zwei Jahren noch zugenommen.

Ende Januar haben die Bürgermeister dieser Gemeinden daher zu einem runden Tisch eingeladen. Dabei waren Vertreter des Verkehrsministeriums, des Regierungspräsidiums Stuttgart, des Polizeipräsidiums Aalen und des Landratsamts. Ziel des Treffens waren der fachliche Austausch aller Verwaltungsebenen zur aktuellen Situation sowie die Erörterung weiterer nachhaltiger Verbesserungsmöglichkeiten. Die Teilnehmer haben beschlossen, ein umfassendes Gutachten in Auftrag zu geben, das sich im Wesentlichen auf die Sulzbacher Steige konzentrieren soll.

Das Ziel: die Strecken für Raser unattraktiv machen

Das Gutachten soll alle Erkenntnisse aus den vergangenen Jahren zusammentragen – also die Daten aus einem Pilotprojekt des Kreises sowie aus den polizeilichen Statistiken zu Unfällen und Kontrollen. Auch soll durch verstärktes Monitoring eine Bestandsaufnahme über einen längeren Zeitraum erfolgen. Unter anderem soll gemessen werden, wie viele Raser zu welchen Zeiten auf der Strecke unterwegs sind.

Für die Vertreter der Gemeinden sei der runde Tisch ein wichtiges positives Zeichen gewesen, so Sulzbachs Hauptamtsleiter Michael Heinrich. „Wir sind froh, dass sich etwas tut und ein Büro prüft, wie die Sachlage konkret aussieht.“ Er sehe es als deutlichen Fortschritt, dass sich nun intensiv mit der Strecke und der Unfallhäufigkeit auseinandergesetzt wird. Erst mit diesem Ergebnis könne man über weitere Maßnahmen nachdenken. In dem Gutachten sollen auch verkehrstechnische und bauliche Möglichkeiten geprüft werden. „Die Strecken müssen für illegale Raser unattraktiv werden“, sagt Stefan Hein, Leiter des technischen Dezernats im Landratsamt. Wie genau solche Maßnahmen aussehen könnten, sei noch völlig offen. „Das könnte auch etwas sein, das es so bisher noch nicht gibt“, sagt Hein.

Denn gerade weil auf diesen Strecken alle konventionellen Mittel zur Verbesserung der Situation nahezu ausgeschöpft wurden, seien Regierungspräsidium und Verkehrsministerium auch offen für Pilotprojekte – unter der Voraussetzung, dass diesen ein fundiertes Konzept zugrunde liegt und sie rechtssicher umsetzbar sind. „Dafür brauchen wir nun zuerst eine solide Datengrundlage“, meint Hein. Die Ergebnisse des Gutachtens können dann gegebenenfalls auf den anderen Strecken zur Prüfung und Anwendung kommen.

Das Landratsamt werde die Untersuchung so schnell wie möglich in Auftrag geben, das Sammeln der Daten könne durchaus mehrere Monate dauern, konkrete Maßnahmen werden für das Frühjahr 2023 angestrebt.

Die Sulzbacher Steige beschäftigt die Verantwortlichen schon sehr lange. Viele Versuche, die Lärmbelästigung für die Anwohner sowie die Verkehrsgefährdung durch Raser zu reduzieren, sind gescheitert. Und versucht wurde schon so einiges: Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden zum Beispiel 2018 sogenannte Rüttelstreifen vor Kurven aufgetragen. Auch wurden „gelbe Karten“ an Motorradfahrer verteilt, wenn bei Kontrollen aufgefallen ist, dass diese etwa den Motor ihres Bikes im Leerlauf oder beim Fahren in niedrigen Gängen unnötig hochjagen. Die Betroffenen erhielten dann ein Schreiben, das an eine vernünftige Fahrweise appelliert. Auch wurden an bekannten Hotspots Lärmhinweisschilder mit tierischen Motiven oder Appellbanner aufgestellt, die für das Thema sensibilisieren sollten.

Auch werden die Strecken inzwischen sowohl von der Verkehrsbehörde des Landkreises als auch vom zuständigen Polizeipräsidium Aalen als sogenannte Unfallhäufungslinien und -stellen eingeordnet. Doch auch die regelmäßigen Kontrollen von Polizei und Kreisordnungsamt hatten kaum einen Einfluss. „Wir haben den Kontrolldruck dort erhöht, aber gerade die problematische Gruppe ist sehr gut vernetzt“, sagt Stefan Hein. Sobald dort kontrolliert werde, seien alle ganz schnell weg.

Problematisch ist nur eine Minderheit

der Motorradcommunity

„Leider erbrachten all diese Bemühungen bei der bis dato uneinsichtigen Minderheit der Motorradcommunity nicht den gewünschten Erfolg“, schreibt das Landratsamt. Zum Beispiel wurde die zulässige Geschwindigkeit schrittweise immer weiter reduziert, mittlerweile ist die Geschwindigkeit in allen Kurven der betroffenen Straßen herabgesetzt worden (wir berichteten). „Wir können so viele Schilder aufstellen, wie wir wollen – es gibt eine Gruppe von Leuten, die sich nicht daran hält“, sagt Großerlachs Bürgermeister Christoph Jäger. Er betont aber wie auch die Bürgermeister der anderen Gemeinden: Die meisten Motorradausflügler seien willkommen, problematisch sei nur eine im Verhältnis kleine Gruppe von Rasern.

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Erstellt:
8. Februar 2022, 06:00 Uhr

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