Habeck-Absage ist für die Backnanger Wirtschaftsgespräche kein Beinbruch

Für den prominenten Gast war bei den Backnanger Wirtschaftsgesprächen ohnehin nur ein kurzes Grußwort vorgesehen. Der Austausch der Unternehmer untereinander und das Netzwerken mit wichtigen lokalen Akteuren war und ist das Wesentliche bei der beliebten Veranstaltung.

Eine Woche vor den Wirtschaftsgesprächen hat Wirtschaftsminister Robert Habeck den Organisatoren abgesagt. Foto: Imago/Daniel Kubirski

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Eine Woche vor den Wirtschaftsgesprächen hat Wirtschaftsminister Robert Habeck den Organisatoren abgesagt. Foto: Imago/Daniel Kubirski

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die Backnanger Wirtschaftsgespräche sind eine Erfolgsgeschichte. Sie dienen dazu, dass die lokalen Unternehmer und alle Macher im Raum Backnang nach dem inspirierenden Vortrag eines Experten zu einem aktuellen Thema in geselliger Runde miteinander ins Gespräch kommen, Kontakte knüpfen und Netzwerke pflegen. So ist es seit 20 Jahren Tradition. Die Klasse des Referenten ist dabei wichtig, aber nicht das Wesentliche. Insofern sind die Veranstalter mit ihrer Ankündigung, dass dieses Jahr mit Robert Habeck einer der aktuellen Toppolitiker in Backnang zu Gast sein werde, in eine neue Dimension vorgestoßen. Doch dazu kommt es nun nicht, wie berichtet hat Robert Habeck seine Teilnahme abgesagt. Grund dafür sind „dringliche, dienstliche Verpflichtungen“.

Einerseits also hätte der Besuch des Wirtschafts- und Klimaschutzministers die Versammlung, die von der Stadt Backnang, dem Industrieverein und dem BDS-Gewerbeverein organisiert wird, geadelt. So sagt etwa Markus Höfliger, Vorsitzender des Industrievereins und Aufsichtsratsvorsitzender der Firma Harro Höfliger, „ich hätte mich gefreut, jemand aus der Spitzenpolitik begrüßen zu dürfen, aber der Kern der Wirtschaftsgespräche wäre trotzdem das gesellige Miteinander gewesen“. Und auch Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich erklärte gestern: „Freud und Leid liegen oftmals nahe beieinander: So sehr ich mich im April über die Zusage von Robert Habeck gefreut habe, so sehr bedauere ich nun dessen Absage. Dass ein Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler überhaupt in Erwägung zieht, die Backnanger Wirtschaftsgespräche zu besuchen, zeigt allerdings die herausragende Bedeutung dieser Veranstaltung. Und so ist es immerhin ein kleiner Trost, dass das Ministerbüro einen alternativen Backnang-Besuch von Robert Habeck in Aussicht gestellt hat.“

Schwerpunkt des offiziellen Teils war und bleibt Nicole Lontzeks Vortrag

Auf der anderen Seite war Robert Habeck nie als thematischer Hauptreferent eingeplant. Vielmehr stand schon lange vor Habecks Zusage fest, dass Nicole Lontzek, Gründerin und Expertin für digitales Marketing, zum Thema „Wie kann die neue Arbeitswelt dem Fachkräftemangel entgegenwirken?“ sprechen wird. Schließlich lautet das Motto der Wirtschaftsgespräche in diesem Jahr: Die neue Arbeitswelt im Wandel.

Markus Höfliger bestätigt, dass Habeck lediglich ein fünfminütiges Grußwort zum Thema „Wie sieht die Bundesregierung die aktuelle Lage?“ sprechen sollte, der Schwerpunkt des offiziellen Teils wäre unverändert das Referat von Nicole Lontzek geblieben. Höfliger: „Es war nie geplant, die diesjährigen Wirtschaftsgespräche zu einer Habeck-Veranstaltung zu machen.“ Da der offizielle Teil auf keinen Fall 90 Minuten überschreiten sollte, hätten jedoch Oberbürgermeister Maximilian Friedrich, BDS-Gewerbevereinsvorsitzender Stefan Hopp und Markus Höfliger auf ihre Grußworte verzichtet. Dann hätten die Gäste sogar noch kurz die Chance gehabt, dem prominenten Minister ein paar Fragen zu stellen, ohne dass das offizielle Zeitfenster überschritten worden wäre.

Die Absage Habecks hat nicht wirklich überrascht

Aufgrund der traditionellen Schwerpunkte – Hauptreferat und geselliges Beisammensein – tangiert die jetzt erfolgte Absage des Ministers den Ablauf der Wirtschaftsgespräche laut OB Friedrich „nur geringfügig“. An Nicole Lontzeks Vortrag über die neue Arbeitswelt im Wandel schließt sich eine Podiumsdiskussion mit weiteren Fachleuten an. Friedrich: „Auf diesen inhaltlichen Impuls sowie auf den wichtigen und wertvollen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft freue ich mich sehr.“

Eben deshalb, weil die Wirtschaftsgespräche schon immer für die lokalen Repräsentanten der Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft eine Möglichkeit waren, miteinander ins Gespräch zu kommen, gab es zuletzt auch kritische Töne: Mit Habeck wäre der Schwerpunkt der Veranstaltung in eine falsche Richtung verschoben worden. Doch Höfliger stellt klar: „Die Wirtschaftsgespräche sind eine etablierte und unpolitische Veranstaltung. Wir haben es nicht nötig, uns mit einem prominenten Gast selbst zu beweihräuchern, die Wirtschaftsgespräche waren und sind auch so schon sehr gut.“ Der Unternehmer räumte ein, dass es aufgrund der aktuellen Themen – Stichworte Heizungsgesetz oder Nachhaltigkeit – eine große Herausforderung gewesen wäre, den Nimbus des Unpolitischen aufrecht zu erhalten.

Gleichzeitig erklärt Höfliger, dass ihn die Absage Habecks nicht wirklich überrascht hat, „ich habe schon bei der Zusage zu 80 Prozent mit einem solchen Schritt gerechnet“. In Zeiten des Ukrainekriegs und der Neuordnung der weltweiten Wirtschaft gebe es viele dringlichere Termine als die Backnanger Veranstaltung. „Ich wollte den Terminkalender von Herrn Habeck nicht haben“, zeigt der Chef des Allmersbacher Unternehmens Verständnis für die Absage.

Gegendemonstration müsste sich eigentlich erledigt haben

Höfliger hofft, dass sich mit der Absage Habecks nun auch die angekündigte Gegendemonstration erledigt hat. „Die Demonstranten können jetzt zu Hause bleiben. Das spart auch uns als Gesellschaft Geld.“ Damit spielt er auch auf die Sicherheitsmaßnahmen an, die mit dem Besuch des Spitzenpolitikers extrem gestiegen wären. Wie genau diese Sicherheitsvorkehrungen im Umfeld ausgesehen hätten, verriet das städtische Rechts- und Ordnungsamt nicht. Vor Habecks Absage hieß es auf Nachfrage dazu nur: „Bezüglich der angemeldeten Demonstration hat die Stadtverwaltung die nötigen Schritte eingeleitet, steht in engem Austausch mit der Polizei und ist entsprechend gut vorbereitet. Nähere Informationen zum Sicherheitskonzept und der polizeilichen Planungen sind allerdings nicht öffentlich.“ Vonseiten der Veranstalter relativiert Höfliger den Aufwand: „Zu den Wirtschaftsgesprächen kommen ohnehin nur geladene Gäste.“ Vermutlich wären die Taschen der Besucher etwas genauer angeschaut worden, mutmaßt Höfliger und verweist auf die Einlasskontrollen bei Fußballspielen, wo solche Kontrollen oder gar Leibesvisitationen die Regel sind.

Für die Gegendemonstration, die bereits genehmigt war, hat Höfliger kein Verständnis. Unter dem Motto „Wir sind das Volk – Robert hör hin!“ hätten 150 Demonstranten legal vor Ort sein können. Höfliger hat sich eigenen Angaben zufolge mit der Demo zwar bislang nur am Rande beschäftigt, aber es scheint ihm, dass hier auch Querdenker und Impfgegner „am Werk sind“. Was ihn zu der Aussage veranlasst: „Nur Protest ohne Konzept – das lehne ich ab.“

Ebenso spricht sich Höfliger klar gegen Klimakleber aus, die geltendes Recht ignorieren. Auf der anderen Seite räumt er ein, dass die Gesellschaft vor allem in den vergangenen 20 Jahren beim Klimaschutz geschlafen hat. Inzwischen jedoch drücke auch die Industrie aufs Gas, weil jedem klar geworden sei, „wir können so nicht weitermachen“. Doch klar sei auch: „Es nützt keinem etwas, jetzt gegen geltendes Recht irgendwelche Aktionen durchzudrücken.“

Obwohl den Demonstranten mit Habecks Absage nun „das Ziel der Begierde“ abhanden gekommen ist, geht die Stadtverwaltung dennoch davon aus, dass die Demonstration stattfinden wird. Der städtische Pressesprecher Christian Nathan zumindest erklärte gestern, dass die Versammlung bislang noch nicht abgesagt worden ist.

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Erstellt:
21. Juli 2023, 06:00 Uhr

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