Polizist wegen sexueller Belästigung vom Backnanger Amtsgericht verurteilt
Unter anderem wegen sexueller Belästigung ist gestern ein Polizeibeamter in Backnang zu sieben Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Neben Beleidigungen landete auch mal die Hand auf dem Gesäß der jungen Kollegin.

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Ein 56-jähriger Polizist musste sich wegen sexueller Belästigung in 14 Fällen vor Gericht verantworten. Foto: Sang Hyun Cho/Pixabay
Vor Florian Muhl
Backnang. „Was sagt man zu so einem Verfahren?“ Diese rhetorische Frage stellte Richter Marco Siever zu Beginn seiner Urteilsbegründung, um gleich ein „Schwierig“ folgen zu lassen. Der Fall komme aus dem Bereich der Polizei, die ja eigentlich Straftaten verhindern und nicht produzieren solle. „Aber“, so der Vorsitzende, „ auch die Polizei ist einfach ein Querschnitt unserer Gesellschaft. Da gibt’s Ausreißer nach oben, da gibt’s Ausreißer nach unten.“
Nach rund achtstündiger Verhandlung vor dem Amtsgericht Backnang stand das Urteil fest. Wegen sexueller Belästigung in 14 Fällen, Beleidigung in drei Fällen und Verletzung des Dienstgeheimnisses wurde der Angeklagte, ein 56 Jahre alter Mann aus einem Nachbarkreis, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die Vollstreckung wird zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit: drei Jahre.
Der Verurteilte gilt als guter Polizist
Zum Fall: Fast 40 Jahre ist der Angeklagte für die Polizei tätig, in verschiedenen Einsatzgebieten, in verschiedenen Landkreisen. In seiner letzten Dienststelle im Rems-Murr-Kreis ist er viele Jahre tätig, ist Fachmann, macht seinen Job gut. Das wird ihm auch während der Verhandlung von den sechs Zeugen bestätigt, alle von der Polizei. Er ist auch Bärenführer. So werden ältere Einsatzkräfte bezeichnet, die Praktikanten oder auch Berufsanfänger an die Hand nehmen und ihnen den dienstlichen Alltag erklären beziehungsweise sie bei ihrer Ausbildung unterstützen.
Bald schon bemerken die Kolleginnen die aufbrausende Art des Mannes
Auch eine von zwei jungen Kolleginnen, beide Anfang 20, die direkt von der Schule kommen, nimmt er unter seine Fittiche. Die andere sieht er fast täglich und fährt mit ihr auch auf Streife. Der Start in der Dienststelle ist optimal. „Das Verhältnis war superherzlich“, sagen beide Frauen, die im Verfahren Nebenklägerinnen sind. Aber sie merken rasch, dass der Angeklagte auch laut und aufbrausend werden kann, zum Choleriker neigt. Gleich am Anfang vergibt der Angeklagte ihnen Kosename, nennt die eine „Babe“ und „Sahneschnitte“, die andere „Rehlein“ und „Sweety“. Die Frauen denken sich nichts dabei, fühlen sich geehrt, nehmen es sogar als Kompliment.
Doch im Laufe der Wochen und Monate schleichen sich Verhaltensweisen ein, die den Frauen mehr als unangenehm sind und auch anderen Kollegen auffallen. Letztlich sind es keine Kosenamen mehr, sondern unflätige und diskreditierende Kraftausdrücke. Für den Angeklagten ist die eine Kollegin nur noch das „Zuckerärschle“, die andere der „Blasehase“. Wie Nebenklägerinnen und Zeugen sagen, fielen die beleidigenden Worte vor anderen Kollegen und auch öfters, ein Zeuge spricht von täglich. Einmal tituliert der 56-Jährige seine Kollegin als Schlampe. Bei den speziellen Kosenamen bleibt es nicht. Die morgendlichen Begrüßungen werden inniger. Nicht nur Umarmung und Küsschen rechts, Küsschen links, sondern eine Hand rutscht immer wieder bis aufs Gesäß.
„Auch die Größe meiner Brüste hat er mehrfach hervorgehoben“
Einmal gibt der Angeklagte einer Kollegin – von hinten kommend – mit der flachen Hand laut klatschend einen Klaps auf den Po, als diese bei einem anderen Kollegen vor dessen PC nach vorne gebeugt steht. Diese richtet sich auf, fragt, was das soll, und sagt deutlich, dass er dies unterlassen soll. Seinen Kommentar geben die Zeugen sinngemäß wider: „Stell’ Dich nicht so an, Du findest es doch auch geil.“ Als die eine Kollegin den Freund wechselt und eines morgens müde ins Büro kommt, wird sie vom Angeklagten in rüdester Ausdrucksweise gefragt, ob sie guten Beischlaf gehabt hätte. „Auch die Größe meiner Brüste hat er mehrfach hervorgehoben.“
Der Mann betont seine beruflichen Kontakte nach oben
Alles passiert im Zeitraum März 2020 bis Februar 2021. Weil sie von mehreren Kollegen angesprochen werden, ob ihnen der Umgang mit dem Angeklagten nichts ausmache und ob sie nichts unternehmen werden, wollen sie aktiv werden. Vorher haben sie sich nicht getraut, weil sie ja neu von der Schule kommen, wie sie sagen, und der 56-Jähriger ein gestandener und erfahrener Polizist sei. Zudem habe er Kontakte nach oben, wie er selbst betont habe, und der Berufs- und Lebensweg steht ihnen ja noch bevor. „Wir haben’s halt akzeptiert“, sagen sie. Dann aber fassen sie sich ein Herz, wenden sich im Februar 2021 an die Gleichstellungsbeauftragte. Das Verfahren kommt ins Rollen, die Kripo Waiblingen ermittelt.
Vertrauliche Informationen weitergegeben
Weil auch das Mobiltelefon des Angeklagten beschlagnahmt und überprüft wird, kommt eine weitere Straftat zu Tage: Der Angeklagte, selbst Jäger mit Jagdpacht, erfährt von einem Jagdunfall und sendet einem befreundeten Jäger, der dieserhalb angefragt hatte, den Lageplan der Polizei. Das räumt der 56-Jährige ein, die sexuellen Handlungen nicht, und die Beleidigungen seien sozusagen verjährt, denn diese müssten nach drei Monaten angezeigt werden.
Letztlich hat das Gericht keine Zweifel an den übereinstimmenden Aussagen der Nebenklägerinnen und den Polizeibeamten als Zeugen. Für den Verurteilten ein harter Schlag. Neben hohen finanziellen Verlusten wird er keinen rühmlichen Abgang haben.