Haus und Hof weg – Unterlagen drin
Landwirt verdächtigt den neuen Eigentümer – Zu Geldstrafe verurteilt

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Landwirt steht unter anderem wegen Hausfriedensbruch vor Gericht. Foto: Fotolia
Von Hans-Christoph Werner
BACKNANG. So einfach hergeben wollte der Angeklagte sein von den Eltern geerbtes Haus nicht, auch eine Zwangsversteigerung ignorierte der 68-Jährige – bis es zur Anklage kam. Vor dem Amtsgericht Backnang lautet die Anklage gegen einen 68-jährigen Landwirt und Maurer auf Hausfriedensbruch und falsche Verdächtigung. Reichlich vertrackt ist die erste Sache. Und sie hat mit der Lebensgeschichte des Angeklagten zu tun. Gerade mal 19 Jahre ist er alt, als er den Hof in der Backnanger Bucht vom kranken Vater übernimmt. Auch damals schon war die Ertragssituation in der Landwirtschaft bescheiden. So wird diese durch das Halten von Bienenvölkern und eine Schnapsbrennerei verbessert.
Aber das Ganze währt nicht lange. Im Jahr 1974 macht der Landwirt noch eine Ausbildung zum Maurer und ist fortan auf diesem Gebiet hauptberuflich tätig. Die Landwirtschaft wird im Nebenerwerb weitergeführt. Als Vater und Mutter des Landwirts 1975 beziehungsweise 2006 sterben, erbt der Angeklagte zusammen mit seiner Schwester das landwirtschaftliche Anwesen. Bedauerlicherweise können sich die Geschwister nicht auf die Summe einigen, die der Landwirt und Maurer seiner Schwestern auszuzahlen hat. Denn dass er seine Nebenerwerbslandwirtschaft fortführt und damit das von den Eltern geerbte Gebäude weiterhin nutzt, ist für den Angeklagten keine Frage. Die Lage spitzt sich derart zu, dass es zur Zwangsversteigerung des Anwesens kommt. Seit Mitte letzten Jahres gehören Haus und Grundstück einem neuen Eigentümer. Dieser bittet den Landwirt um Räumung. Telefonisch als auch brieflich habe man sich um Kontakt bemüht, gibt die als Zeugin vernommene Ehefrau des neuen Eigentümers an. Aber die Bitte wird nicht erhört. Im Gegenteil: Noch immer führt der Landwirt das ehemals ihm gehörende Anwesen als seine Wohnanschrift, hat weiterhin Unterlagen und Kleidung im Haus verwahrt, lässt sich die Post an seine alte Adresse zustellen. Da auch die Übergabe der Hausschlüssel nicht erfolgt, holt der neue Eigentümer einen Schlüsseldienst. Der öffnet wohl die Tür, tauscht aber das Schloss nicht aus. Auch der Briefkasten des Landwirts wird entfernt. Zwei Tage später steht dieser wieder auf dem Fenstersims. Und das Haus, das die Neuen unversperrt ließen, ist abgeschlossen.
Nun reicht’s dem neuen Eigentümer. Er erstattet Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Beredt gibt der Angeklagte Auskunft über seine persönliche Situation, flicht auch so manche Einzelheit ein, die nicht unbedingt zur Sache gehört. Ein Vermögen habe er schon an die von ihm beauftragten Rechtsanwälte gezahlt. Von Erspartem lebe er im Moment. Ausstände aus seinem früheren Berufsleben sind noch einzutreiben. Der Richter regt an, dass der Angeklagte doch Rente beantragen möge. Die dazu erforderlichen Unterlagen sind freilich noch immer in dem Haus, das ihm nicht mehr gehört. Mit etwas Gesprächsbereitschaft und Gutwilligkeit müsste es jedoch zu bewerkstelligen sein, dass der Angeklagte seine Besitztümer aus seinem ehemaligen Haus entfernt. Richter und Staatsanwalt verständigen sich darauf, das Verfahren wegen Hausfriedensbruchs einzustellen. Bleibt noch der andere Vorwurf: falsche Verdächtigung. Als die Auseinandersetzung mit dem neuen Eigentümer ihrem Höhepunkt zustrebte, drehte der Landwirt den Spieß um. Er erstattete Anzeige gegen diesen. Sein Briefkasten samt der Hausnummer sei entfernt, Briefsendungen seien ihm vom neuen Eigentümer gestohlen worden. Tage später reute den Landwirt diese Anzeige wieder. Aber da war die Sache schon auf dem Weg. Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen stellte sich heraus: Es waren allesamt falsche Verdächtigungen des Landwirts. Das kurze Plädoyer des Staatsanwalts lautete, solch falsche Verdächtigung mit einer Geldstrafe von 300 Euro zu ahnden. Damit wird der Strafbefehl wieder aufgenommen, gegen den der Landwirt Widerspruch eingelegt hatte. Um das letzte Wort gebeten, weiß der Landwirt nichts mehr zu sagen. Darauf folgt der Richter in seinem Urteilsspruch dem Vorschlag des Staatsanwalts und gibt den Rat mit, sich mit dem neuen Eigentümer auf vernünftige Weise wegen der Entfernung seiner Sachen zu einigen.