Heerschau der Hisbollah
Die Miliz prahlt bei einer Trauerfeier am Sonntag mit einer Stärke, die sie nicht mehr besitzt.
Von Eidos Import
Autokorsos mit den gelben Fahnen der Hisbollah, zehntausende Anhänger der Schiiten-Miliz in einem Sportstadion, riesige Plakate mit dem Porträt von Hassan Nasrallah: In der libanesischen Hauptstadt Beirut hätte man am Sonntag annehmen können, dass die Hisbollah den Krieg gegen Israel voriges Jahr nicht verloren hätte. Die schiitische Miliz inszenierte eine Trauerfeier für den im September von Israel getöteten Nasrallah als Heerschau, um zu zeigen, dass mit ihr nach wie vor zu rechnen ist. Mit der Machtdemonstration redet sich die Hisbollah nach Ansicht von Experten die Niederlage schön.
Nasrallah kam am 27. September bei einem israelischen Luftangriff in Beirut ums Leben und wurde in einem Notgrab beerdigt; nur eine Woche später tötete Israel auch seinen Nachfolger Haschem Safieddine. Die Hisbollah verlor im Krieg gegen Israel tausende Kämpfer und die meisten ihrer Waffen, die sie mit iranischer Hilfe über Jahrzehnte in Arsenalen im ganzen Libanon zusammengetragen hatte.
Mit Raketenangriffen auf Israel hatte die Hisbollah nach dem 7. Oktober 2023 den Krieg der Hamas gegen Israel in Gaza unterstützt. Die Miliz rechnete nicht mit massiven Gegenangriffen der israelischen Luftwaffe und war machtlos, als Israel dann doch zurückschlug. Nasrallah und andere Hisbollah-Anführer prahlten oft und gerne über die Niederlage, die Israel zu erwarten habe – mussten dann aber erkennen, dass sie der modernen israelischen Armee und dem israelischen Geheimdienst nichts entgegenzusetzen hatte. Der Mossad hatte zehntausende Funkempfänger der Hisbollah mit Sprengsätzen ausgestattet und ließ sie zeitgleich detonieren.
Die neue Hisbollah-Führung um Naim Qassem musste im November einem Waffenstillstand mit Israel zustimmen, um zu retten, was für die Miliz zu retten war. Kurz darauf verlor die Hisbollah außerdem die Landverbindung zwischen dem Libanon und dem Iran, die jahrelang für Waffenlieferungen aus Teheran benutzt worden war: Der Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad im Dezember stoppte die Transporte, Israel zerstörte Waffendepots von Hisbollah und Iran in Syrien.
Doch am Sonntag in Beirut schien es so, als hätte die Hisbollah gegen Israel gewonnen, nicht verloren. Im Camille-Chamoun-Stadion der libanesischen Hauptstadt blickten Nasrallah und Safieddine auf einem riesigen Transparent lächelnd zum Himmel. Auch Bilder des im Jahr 2020 von den USA getöteten iranischen Generals Qassem Soleimani waren zu sehen. Aus dem Iran reisten Parlamentspräsident Bagher Qalibaf und Außenminister Abbas Araghci an. Mit der Feier für Nasrallah beweise die Hisbollah, dass sie immer noch da sei, sagte Sadek al-Nabulsi, ein schiitischer Geistlicher und Hisbollah-Gefolgsmann. Und die Hisbollah kann sich nach wie vor auf die Gefolgschaft von vielen libanesischen Schiiten verlassen; die Schiiten machen ein Drittel der rund sechs Millionen Libanesen aus.
Doch die Miliz hat nicht nur militärisch an Stärke eingebüßt, sondern auch politisch. Die neue libanesische Regierung versucht auf Druck von Hisbollah-Gegnern wie der USA und Saudi-Arabien, die Beteiligung der Miliz an politischen Entscheidungen in Beirut zurückzustutzen.
Die Miliz prahlte bei der Feier am Sonntag mit einer Stärke, die sie nicht mehr besitzt. Das wollte offenbar auch Israel am Tag der Trauerfeier für Nasrallah demonstrieren. Während die Hisbollah-Anhänger in Beirut zusammenkamen, bombardierten israelische Kampfflugzeuge mehrere Ziele im Süden Libanons, um Stützpunkte und Nachschubwege der Hisbollah zu zerstören.