Hohe Lärmpegel „kommen Enteignung gleich“
Neuer Lärmaktionsplan der Gemeinde Oppenweiler offenbart schlimme Zustände entlang der B14 – Präferierte Maßnahme ist der Bau der Umgehungsstraße
Dass eine Gemeinde, durch die eine Bundesstraße führt, mit Lärm zu kämpfen hat, dürfte niemanden überraschen. Der neu aufgestellte Lärmaktionsplan für Oppenweiler zeigt nun aber: Das Problem hat erschreckende Ausmaße angenommen. An manchen Stellen raten die Gutachter sogar von einer Wohnnutzung ab.
Von Lorena Greppo
OPPENWEILER. Ingenieur Gert Braunstein vom Unternehmen Soundplan verglich die Situation in Oppenweiler mit der am Neckartor in Stuttgart: Ob nun der Schadstoffgehalt in der Luft an der einen Stelle oder der Lärmpegel an der anderen – in besagten Fällen nehme das gesundheitsgefährdende Ausmaße an. „Oppenweiler fällt in der Landesstatistik auf“, so Braunstein. Er hat in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats Oppenweiler den Lärmaktionsplan für 2018 vorgestellt. Dessen Ergebnis ist erschreckend: Etwa 215 Bewohner sind am Tag einem Lärmpegel von 70 Dezibel und mehr ausgesetzt. Für 98 von ihnen wurde sogar ein Pegelwert von 73 Dezibel ermittelt. In der Nacht verschärft sich dieses Problem gar noch, obwohl der Lärmpegel etwas zurückgeht. „Hier sind die Richtwerte verschärft“, erklärte Braunstein. Der Grenzwert liegt um 10 Dezibel niedriger, also bei 60 Dezibel. Der Verkehrslärm nimmt aber in der Nacht nur um 7 Dezibel ab. „Im Verhältnis zu den Grenzwerten haben die Anwohner mehr Lärm.“ Betroffen sind davon 248 Einwohner, die Pegelwerten von 60 Dezibel und mehr ausgesetzt sind, 219 von ihnen sind sogar nachts noch Lärm in der Lautstärke von 73 Dezibel ausgesetzt.
Verkehrsbelastung in Oppenweiler nimmt leicht aber stetig zu
Diese Situation wird im Lärmaktionsplan nicht nur als „ernstes Problem“ beschrieben. Eine Wohnnutzung an diesen Stellen sei nicht zu empfehlen. „Die hohen Pegel kommen einer Enteignung dieser Gebiete gleich.“ Bei betroffenen Einwohnern könne die Lärmemission ernsthafte physische als auch psychische Beeinträchtigungen hervorrufen, darunter beispielsweise Schlafstörungen. Besonders betroffen sei der gesamte B-14-Abschnitt zwischen Bühlfeldstraße und Wilhelmsheimer Straße, außerdem gebe es weitere Hotspots im Bereich Bühlfeldstraße/Unterstaigacker, Falkenstraße, am unteren Reichenberg, Rüflensmühle und Ellenweiler.
„Lärm ist ein Thema, das hier durchaus Brisanz hat“, räumte Bürgermeister Bernhard Bühler ein. Das sei auch an sich nicht neu, man wolle aber keinesfalls die Bürger mit den Folgen der Bundesstraße allein lassen. Immerhin hätten sich die Möglichkeiten der Kommunen für Maßnahmen gegen den Lärm seit der Aufstellung des letzten Lärmaktionsplans 2008 verbessert. Beispielsweise seien die Behörden nun wohlwollender bezüglich einer Tempobegrenzung auf 30 Kilometer pro Stunde. „Damals war das noch ziemlich undenkbar“, stimmte auch Braunstein zu. Diesbezüglich habe sich aber seitdem viel getan. „Die Rechte der Kommunen wurden gestärkt.“ Schlechte Nachrichten hatte Braunstein aber auch zur Entwicklung der vergangenen zehn Jahre: Das Verkehrsaufkommen auf der B14 nimmt leicht, aber stetig zu. Auf die Frage Holger Scheibs (FWV), was an den Fahrzeugen denn am meisten Lärm verursache und ob Elektromobilität da Abhilfe schaffe, hatte Braunstein ebenfalls keine gute Prognose: Am Auto verursachten die Reifen den meisten Lärm, gefolgt vom Motor. Hier wirke sich Elektromobilität tatsächlich positiv aus. Am Lastwagen seien aber vor allem Klappergeräusche störend. Da helfe auch ein Trend zu mehr Elektromobilität nicht. „Und in Oppenweiler ist man sehr stark durch Lastwagen beeinträchtigt.“
Was aber kann die Kommune tun? Braunstein brachte verschiedene Maßnahmen ins Gespräch.
Den meisten Nutzen habe seiner Meinung nach der Bau einer Umgehungsstraße. „Das wäre wahnsinnig wichtig und würde viele Konflikte wegnehmen.“ Denn die Hauptursache für den Lärm im Ort sei nun mal die B14. Braunstein als auch den Gemeinderäten war aber bewusst: Diese Maßnahme ist nicht so einfach umzusetzen. „Wir brauchen diese Ortsumfahrung. Klar muss aber auch sein, dass die Zeitschiene dafür sehr lange ist.“ Vorher müssten noch andere Maßnahmen ergriffen werden. „Wir müssen schauen, dass wir die Leute schützen, die jetzt dort wohnen“, forderte der Bürgermeister.
Eine bei den Verkehrsteilnehmern unbeliebte, aber wirksame Maßnahme wäre laut Braunstein die Einführung einer Tempo-30-Zone zwischen Bühlfeldstraße und Wilhelmsheimer Straße. Der Ingenieur erhofft sich davon einen harmonischeren Verkehrsfluss, der zur Folge hat, dass es weniger Brems- und Beschleunigungsvorgänge gibt. „Das wäre ein Anfang“, sagte er. Vor allem tagsüber könne eine Geschwindigkeitsbegrenzung die Lärmbetroffenheit lindern. „Nachts reicht diese Maßnahme alleine nicht aus.“ Auch empfiehlt Braunstein lärmoptimierte Fahrbahnbeläge. Bei der letzten Erneuerung der Fahrbahn seien diese nicht verbaut worden, bei künftigen Arbeiten solle aber darauf gedrängt werden. Wenig Wirkung schreibt der Ingenieur hingegen einem stationären Blitzer zu. Eine gleichmäßige Fahrweise werde man dadurch nicht erreichen, außerdem seien solche Anlagen teuer. Mobile Geschwindigkeitsanzeigenanlagen seien als flankierende Maßnahme jedoch zu bedenken, vor allem, wenn das Display dem Fahrer eine Botschaft vermittelt – etwa durch Smileys. Weitere Vorschläge vonseiten Braunsteins zielen vor allem auf den Rückgang des Verkehrsaufkommens ab: Dazu zählen die Förderung des Fahrradverkehrs, von Carsharing-Angeboten sowie des öffentlichen Nahverkehrs. Es gebe in Oppenweiler ein gutes Angebot an Alternativen zu Fahrten mit dem Auto. Darin stecke auch ein gewisses Potenzial in Werbung und Überzeugungsarbeit. „Das sind verhältnismäßig weiche Faktoren, die aber in der Summe einen Beitrag zur Lärmminderung leisten können“, befand Braunstein.
Unmissverständlich ist der Entwurf des Lärmaktionsplans jedoch in Bezug auf die am schlimmsten vom nächtlichen Lärm betroffenen Bürger: Auch mit Schutzmaßnahmen sei „in den Gebäuden ein wünschenswertes Pegelniveau kaum erreichbar“. Beispielsweise wären bei einer Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 in der Ortsmitte nachts statt 248 Bewohnern nur noch 219 Bewohner von Pegelwerten über 60 Dezibel betroffen. Dennoch: Der Gemeinderat hielt keine der genannten Maßnahmen für ausgeschlossen. „Wir sollten alles tun, was geht“, befand Erhard Friz (FWV). Im nächsten Schritt werden nun die Bürger und Träger öffentlicher Belange an der Überarbeitung des Lärmaktionsplans beteiligt.