Hospizerweiterung in Backnang nimmt erste Hürde

Der Backnanger Ausschuss für Technik und Umwelt empfiehlt dem Gemeinderat einstimmig, den Bebauungsplan zu ändern.

Das fünfte Stockwerk, das nun gebaut werden soll, umfasst nur 28 Prozent der Grundfläche des Hospizes und ist von unten vermutlich gar nicht erkennbar. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Das fünfte Stockwerk, das nun gebaut werden soll, umfasst nur 28 Prozent der Grundfläche des Hospizes und ist von unten vermutlich gar nicht erkennbar. Foto: Alexander Becher

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die geplante Erweiterung des stationären Hospizes in Backnang um ein weiteres Dachgeschoss hat die erste Hürde genommen. Einstimmig hat der Ausschuss für Technik und Umwelt dem Gemeinderat empfohlen, den Bebauungsplan so zu ändern, dass die Aufstockung nach den Wünschen der Hospizstiftung Rems-Murr möglich ist. Laut der aktuellen Planung ist auch kein ganzes Stockwerk geplant, sondern nur ein Aufbau mit einer deutlich reduzierten und zurückgesetzten Grundfläche.

Schon Mitte März beschäftigte sich der Ausschuss mit dem Thema. Damals hatte das Gremium – für den Bauherrn und Teile der Verwaltung überraschend – keine Beschlussempfehlung an den Gemeinderat ausgesprochen. Vielmehr hatten die Ausschussmitglieder einstimmig gefordert, erst eine Informationsveranstaltung für die Anwohner zu ermöglichen.

Diese Infoveranstaltung hat Ende April stattgefunden und viel zur Beruhigung der Gemüter beigetragen.

Jetzt also war das Thema wieder im Ausschuss. Oberbürgermeister Maximilian Friedrich erinnerte in seinen einleitenden Worten daran, dass das Vorhaben besonders bei den unmittelbaren Nachbarn für eine intensive Diskussion gesorgt habe. Deshalb betonte er in seinem Statement: „Die Arbeit des Hospizes ist für unsere Gesellschaft von enormer Bedeutung und von unschätzbarem Wert – ich denke, das ist unbestritten.“ Dass der Antrag, den Bebauungsplan zu ändern, eine Ehrenrunde drehen musste, irritierte Friedrich nicht: „Es gehört zum Kern einer demokratischen Gesellschaft, über Vorhaben zu streiten und dabei unterschiedliche Meinungen offen zur Diskussion zu stellen. Das ist nicht immer einfach und oft sehr anstrengend. Aber wenn die Regeln einer demokratischen Streitkultur eingehalten werden, dann steht am Ende oftmals ein Erkenntnisgewinn.“

Die Stadträte haben laut OB bewiesen, dass sie Vorhaben nicht einfach abnicken

Im Zuge der Infoveranstaltung hatten die Beteiligten laut Friedrich die Chance genutzt, „die Bedeutung der Hospizarbeit“ ebenso wie deren hohe Wertschätzung ausführlich ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Zudem hätten die Stadträte bewiesen, dass sie „Vorhaben nicht einfach abnicken“, sondern ergebnisoffen beraten.

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An der Einschätzung der Verwaltung hatte die Infoveranstaltung nichts geändert. Deshalb wiederholte Friedrich im Ausschuss den einstigen Vorschlag, der Ausschuss solle dem Gemeinderat die für die Aufstockung des Hospizes nötige Änderung des Bebauungsplans empfehlen. Friedrich: „Wir tun dies nach einer intensiven Debatte aus voller Überzeugung, dass es hierfür ein herausragendes öffentliches Interesse gibt.“

Gleichzeitig versicherte er, dass aus der Änderung kein Automatismus entsteht. „Sollte es in Zukunft weitere Anträge auf Änderung des Bebauungsplans geben – was überhaupt nicht ersichtlich ist – werden wir in jedem Einzelfall prüfen, ob sich hieraus Auswirkungen auf das Quartier ergeben und diese entsprechend würdigen.“ Der Leiter des Stadtplanungsamts Tobias Großmann zeigte Verständnis für die Sorge der Anwohner, es könnten jetzt im Quartier Schritt für Schritt alle Gebäude aufgestockt werden. Doch auch er beruhigte: „Von der städteplanerischen Seite ist klar, es wird nicht weiter nachverdichtet.“ Erster Bürgermeister Stefan Setzer hingegen machte ebenso klar, dass dies nicht bedeute, dass der Bebauungsplan nie wieder geändert werde. Jeder Antrag müsse geprüft werden. Letztendlich entscheide der Gemeinderat.

Keinen Zweifel an der Bedeutung des Hospizes

Großmann vermutete, dass sich viele Anwohner auch wegen der langen Bauzeit im Quartier geärgert haben. Die unbefriedigende Parksituation und die aktuelle Baustelle der Kreisbau zerre an den Nerven der Anwohner. Großmann: „Das sind alles Gründe, weshalb die Aktivitäten im Quartier von einigen zumindest kritisch oder teilweise ablehnend, auf jeden Fall nicht erfreut zur Kenntnis genommen werden.“

Alle Ausschussmitglieder ließen keinen Zweifel an der Bedeutung des Hospizes, auch wenn es am Ende bei der Abstimmung vier Enthaltungen gab. So sagte Willy Härtner (Grüne): „Mir war es wichtig, dass nochmals die Anwohner informiert wurden, die – aus meiner Sicht berechtigt – Angst hatten, dass auch die Kreisbau oder das Pflegeheim höher bauen wollen.“ Er kündigte an, nicht gegen die Aufstockung zu stimmen, sondern sich zu enthalten. Armin Dobler (SPD) bezeichnete die Diskussion als wertvoll: „Es war gut, dass wir nicht sofort entschieden haben.“ Er bestätigte Großmanns Ansicht: „Der Unmut der Nachbarn hing nicht so sehr mit den Plänen des Hospizes zusammen, sondern mit der Gesamtsituation, mit der langen Bauzeit und den fehlenden Parkplätzen.“ Die Infoveranstaltung habe sich gelohnt, „sie hat den Konflikt befriedet“. Dobler formulierte eine Aufgabe für die Räte: „Wir müssen das Quartier im Blick behalten und vor weiteren Zumutungen verschonen.“ Gerhard Ketterer (CDU) zeigte Verständnis für die Erweiterungspläne, die gesellschaftlichen Veränderungen hätten dem Hospiz viele neue Aufgaben beschert. Er fragte sich, ob die Verantwortlichen vor zehn Jahren nicht hätten voraussehen können, dass das Hospiz zu klein ist, und er gab die Antwort gleich selbst: „Ich glaube es nicht.“

Ein Alleinstellungsmerkmal für die Stadt

Heinz Franke ist einerseits geschäftsführender Vorstand der Hospizstiftung und so prädestiniert, Fragen zu beantworten. Andererseits ist er SPD-Stadtrat und somit befangen. Vor der Abstimmung rückte er daher aus der Ratsrunde ab und stimmte nicht mit. Davor jedoch warb er für das Hospiz, das auch ein Alleinstellungsmerkmal für die Stadt darstelle. Sollte der Bedarf weiter steigen, werde dieser dezentral befriedigt. Das heißt: In Backnang ist nach der Aufstockung endgültig Schluss mit dem Ausbau. Sollte im Landkreis ein weiteres Hospiz nötig werden, dann würde es vermutlich im Remstal entstehen. Franke erklärte, er habe viele Gespräche geführt und dabei gespürt, dass sich der Unmut eher gegen die Kreisbau richtet, die zum Beispiel durch die aktuelle Bautätigkeit die Schuld daran trägt, dass der Quartiersplatz in seiner versprochenen Form noch nicht fertig ist. Franke: „Würde ich da oben wohnen, so würde mir das auch nicht gefallen. Bei mir und meinen Mitarbeitern entstand zuletzt der Eindruck, da wird der Frust über die Verhältnisse an der falschen Stelle abgeladen.“ Erfreulich sei, dass ein Anwohner, der über 20 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt hatte, nach der Infoveranstaltung erklärt habe, er werde seinen Einspruch zurückziehen.

Hospizgäste werden während des Ausbaus vier bis sechs Monate ausquartiert

Erweiterung Aktuell ist die vierte Etage des Hospizes noch nicht ausgebaut. Nun sollen dort Räume für ein Tageshospiz und ein Kindertageshospiz entstehen. Der Bedarf ist laut Heinz Franke groß. Bei der Tageseinrichtung handelt es sich um ein „Zwischending“, das mehr bietet als die ambulante Versorgung, aber nicht die Vollversorgung einer stationären Einrichtung. Im fünften Geschoss entsteht ein Multifunktionsraum.

Kosten Noch ist es viel zu früh, konkrete Zahlen zu veröffentlichen, wie teuer die Aufstockung wohl werden wird, Stichwort: ständige und unkalkulierbare Baukostensteigerungen. Als ungefähre Hausnummer nennt Hospizchef Heinz Franke ganz grob eineinhalb Millionen Euro.

Finanzierung Das Hospiz ächzt ohnehin Jahr für Jahr unter einem Abmangel des laufenden Betriebs in Höhe von 200000 bis 300000 Euro. Damit trotzdem eine schwarze Null herauskommt, muss sich Franke kräftig nach der Decke strecken und es sind hohe Spenden vonnöten. An Investitionen ist dabei nicht zu denken. Dass nun dennoch eine Millioneninvestition angegangen werden kann, hängt damit zusammen, dass das Hospiz immer öfter berücksichtigt wird, wenn es um einen Nachlass geht. Diese Einnahmen legt Heinz Franke auf ein spezielles Baukostenkonto. „Nur dadurch haben wir die Möglichkeit, in solchen Dimensionen zu bauen.“

Zeitschiene Die Bauherren gehen davon aus, dass die Aufstockung vier bis sechs Monate dauern wird. Je nachdem wie reibungslos die Planungen weitergehen, hofft Franke auf einen Baubeginn noch in diesem Jahr. Generalunternehmer soll die Weber Massiv und Fertighaus GmbH werden. Das Sulzbacher Baugeschäft von Uwe Weber hat bereits das Hospiz und das Famfutur gebaut.

Bauauswirkungen Während der Bauphase werden die Gäste wegen des Baulärms des Hospizes verlegt. Wohin, das ist noch nicht endgültig geklärt. Hintergrund für diesen Schritt sind Erfahrungen, die Franke vergangenes Jahr nach einem Defekt im Abwassersystem gemacht hat. Als die Handwerker den Betonboden aufbrechen mussten, war die Lärmbelästigung für die Gäste unzumutbar. Beim Ausbau erwartet der Hospizchef mindestens die gleichen Belastungen.

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Erstellt:
22. Juni 2023, 06:00 Uhr

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