„Ich erinnere mich gerne an Backnang“
Der ehemalige Oberbürgermeister Jürgen Schmidt feiert an diesem Sonntag in Frankfurt am Main zusammen mit Frau, vier Kindern und fünf Enkeln seinen 80. Geburtstag. Auch heute noch interessiert es ihn, wie sich die Murr-Metropole entwickelt. Neues erfährt er meist von Bekannten und Freunden, zu denen er all die Jahre nach seinem Wegzug Kontakt gehalten hat.

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Hannes Rieckhoff und Ehefrau Thekla Carola Wied (links) gratulierten 1994 dem neu gewählten OB Jürgen Schmidt, hier mit Ehefrau Elfriede, im Backnanger Bürgerhaus. Auch Schmidt war wie Rieckhoff nur eine Amtsperiode lang Rathauschef in Backnang. Foto: Monika Melchert
Von Ingrid Knack
Backnang/Frankfurt. 1994 im Backnanger Bürgerhaus: Der scheidende CDU-Oberbürgermeister Hannes Rieckhoff und First Lady Thekla Carola Wied reichen den Staffelstab an Jürgen und Elfriede Schmidt weiter. Hannes Rieckhoff war acht Jahre lang Stadtoberhaupt, sein Nachfolger, ein SPDler, leitet die Geschicke der Stadt Backnang ebenfalls nur eine Amtszeit lang. 2002 wird der einstige Ministerialrat aus dem hessischen Kultusministerium von Frank Nopper (CDU) abgelöst, der ihn, den Amtsinhaber, herausgefordert und im zweiten Wahlgang auch besiegt hat.
20 Jahre später feiert Jürgen Schmidt seinen 80. Geburtstag in Frankfurt am Main. Ins Hessische, wo er aufgewachsen ist, kehrte er 2004 mit seiner Frau zurück – auch wegen der dort lebenden vier Kinder. Sicher werden ihn am Sonntag Glückwünsche aus Backnang erreichen. Es gibt Kontakte, die bis heute halten – was in dieser schnelllebigen Zeit und mit Blick auf eine ausgeprägte Win-Win-Gesellschaft etwas heißt. Bis heute ist Schmidt Mitglied im Backnanger Karnevalsclub. „So habe ich die Lohkästrampler 2014 zum Faschingsumzug ,Klaa Paris’ nach Heddernheim, einen Stadtteil von Frankfurt, eingeladen“, erzählt er in einem Telefongespräch.
Die Kultur liegt ihm am Herzen
Auch die zu seiner Zeit agierenden Vertreter der Kulturszene lassen immer mal wieder anklingen, dass sich Schmidt für ihre Belange interessiert habe und oft bei kulturellen Events vor Ort gewesen sei. Kultur war ihm von jeher eine Herzensangelegenheit. An der Hochschule für Musik und der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt hatte er Deutsch und Musik fürs Lehramt am Gymnasium studiert. Vor seiner Backnanger Zeit war er unter anderem Vorsitzender des „Concerto Grosso“-Fördervereins für Konzerte in der Alten Oper Frankfurt und Gründungsvorsitzender der „Kulturbrücke Nordweststadt“. In Backnang erlebte er 1995 die Gründung und in den Jahren darauf die großen Erfolge des Nögge-Atelier-Theaters mit, das allerdings mit dem Freitod von Frieder Nögge 2001 ein unglückliches Ende nahm. Auch andere kulturelle Einrichtungen rund um den Stiftshof wie der Heimat- und Kunstverein, die Backnanger Künstlergruppe und das Traumzeittheater kommen ihm im Zusammenhang mit der Backnanger Kulturszene in den Sinn. Als der Förderverein des Nögge-Atelier-Theaters aufgelöst und 2003 der Nachfolgeverein „Freunde des Kulturzentrums Stiftshof“ ins Leben gerufen wurde, war er noch nach seiner Zeit als OB in Backnang in den ersten Monaten Vorsitzender und später dessen Ehrenmitglied.
Doch da waren auch die kontroversen Diskussionen der Backnanger um die Fluchttreppe am einstigen Turmschulhaus, die 2001 gebaut wurde und die ihn sicher nicht nur jede Menge Nerven, sondern auch Stimmen bei der Wahl im Februar 2002 kosteten. Zu den Themen, die dem Oberbürgermeister der Jahre 1994 bis 2002 nicht in die Karten spielten, gehörte überdies das interkommunale Gewerbegebiet Lerchenäcker zusammen mit Aspach. Der erste Baggerbiss geschah Anfang der 2000er-Jahre. Die Anlaufschwierigkeiten brachte man durchaus mit ihm in Verbindung, den grandiosen Erfolg, den das Gewerbegebiet dann aber nahm, nicht. Mit Erfahrungen wie diesen steht er gewiss nicht alleine da. Auch das bringt Politik so mit sich.
„Ich erinnere mich gerne an Backnang“, sagt Schmidt. Bei all den Filmen, die bei einem Gespräch über alte Zeiten im Kopf ablaufen, nimmt bei ihm freilich auch das Straßenfest einen Platz ein, vor allem die Eröffnungen mit Fassanstich, eine ehrenvolle Aufgabe für jeden OB. Das letzte Mal in Backnang war Schmidt zur 950-Jahr-Feier 2017. Was in „seiner“ ehemaligen Stadt so passiert, das erfährt er von Freunden und Bekannten. Als sein Nachnachfolger Thema ist, kommt er auf dessen Vater, den ehemaligen Auenwalder Bürgermeister Peter E. Friedrich, zu sprechen, den er gut kannte. Man habe sich gegenseitig geschätzt. Viele Termine in den Kommunen der vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft Backnang sind Schmidt positiv im Gedächtnis geblieben. Genauso wie seine Arbeit von 1994 bis 2004 als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik im Rems-Murr-Kreis. Oder auch seine Mitarbeit im Schul- und Sozialausschuss des Städtetags Baden-Württemberg und des Deutschen Städtetags sowie im Vorstand der Deutschen Sektion des Rats der Gemeinden und Regionen Europas.
Von 2002 bis 2013 – im Jahr 2013 änderte sich für Schmidt wegen eines Herzinfarkts vieles – war der einstige Backnanger Rathauschef freiberuflich als Berater und Projektleiter tätig. Und er erwähnt ein besonderes Engagement: Von 2004 bis 2005 war er Leiter des Projekts „Europäische Regionalpolitik am Beispiel der Entwicklungsmöglichkeiten für die Euroregion DKMT/ Rumänien-Ungarn-Serbien im Rahmen des Stabilitätspakts für Süd-Ost-Europa“ beim Auswärtigen Amt und der Friedrich-Ebert-Gesellschaft. Zum Abschluss unterzeichneten die Außenminister Rumäniens, Serbiens und Ungarns eine Vereinbarung zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Nach der Zeit als OB war Schmidt unter anderem wieder – wie schon früher einmal – ab 2005 im Vorstand des Ortsvereins Nordweststadt-Niederursel.
Die Enkel sind oft bei den Großeltern
Seinen Geburtstag feiert Jürgen Schmidt, der in Przemysl (Polen) geboren wurde, mit der Familie. Mit seiner Frau Elfriede, den vier Kindern und den fünf Enkelkindern – drei Mädchen und zwei Buben. Die Mädchen seien zwischen 16 und 24 Jahre, die Jungs zwischen fünf und sieben Jahre alt – vor allem die Kleinen seien oft bei ihm und seiner Frau, sagt Schmidt mit Freude in der Stimme. Auf die Frage, wie es ihm geht, meint er: „Alles bestens.“