IHK: Stuttgart wird abgehängt

Die Wirtschaft kritisiert die Absage der Bundesregierung an den Ausbau der Neckarschleusen. Verkehrspolitik müsse mehr in den Fokus rücken.

Die Neckarschleusen sollen nun doch nicht ausgebaut werden – zum Ärger der Wirtschaft.

© dpa/Franziska Kraufmann

Die Neckarschleusen sollen nun doch nicht ausgebaut werden – zum Ärger der Wirtschaft.

Von Alexander Müller

Stuttgart - Die Kritik an dem von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (CDU) angedeuteten Aus für den geplanten Ausbau der Neckarschleusen zwischen Plochingen und Mannheim reißt nicht ab. Vor allem die Wirtschaft schlägt Alarm. „Mit Blick auf die knapper werdenden Kapazitäten von Straße und Schiene und den wachsenden Herausforderungen durch Klimawandel und Energiewende muss die Binnenschifffahrt deutlich mehr in den Fokus rücken“, fordert Susanne Herre, die Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK). Gerade die exportorientierten Unternehmen seien auf eine funktionierende und effiziente Logistikinfrastruktur angewiesen. Die Ablehnung der Bundesregierung hinsichtlich der Entwicklung der wichtigen Wasserstraße Neckar sei ein weiterer Rückschlag. „Wir müssen aufpassen, dass Stuttgart nicht abgehängt wird.“

In einem Schreiben an den baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte Wissing erklärt, dass die geplante Erweiterung zugunsten der erforderlichen Sanierung zurückgestellt wird. Für die IHK ist dieses „Hin und Her in der Politik ein riesiges Problem“, erklärt Herre, „gerade wenn man sich auf diese Planungssicherheit verlässt“. Bereits 2007 hatten Bund und Land eine Vereinbarung geschlossen, die 27 Neckarstufen für die auf dem Rhein üblichen Güterschiffe mit einer Länge von 135 Metern befahrbar zu machen. Ursprünglich sollte der Ausbau 2025 abgeschlossen sein. Ein 2018 vorgelegter Zeitplan sah den Ausbau der Schleusen bis Heilbronn im Jahr 2040, bis Plochingen im Jahr 2025 vor.

Das scheint nun (vorerst) ad acta gelegt worden zu sein – zum Ärger der Wirtschaft. Denn gerade der Neckar biete noch großes Potenzial für den Transport der Waren – dieser müsse sich aber auch wirtschaftlich rechnen. Umso mehr sei der Schleusenausbau von enormer Bedeutung, insbesondere langfristig aus ökologischen Gesichtspunkten. Aber nicht nur dieser. „Verkehrspolitik ist nicht immer sexy, aber wichtig“, macht Herre deutlich. Denn bereits jetzt sei Stuttgart teilweise nur noch schwer erreichbar. Der ständige Stau auf den Straßen sowie dauerhafte Probleme mit dem Schienennetz hätten bereits erste Auswirkungen. „Inzwischen finden bereits erste Meetings nicht mehr in Stuttgart statt, sondern an anderen Orten, weil diese besser erreichbar sind“, nennt Herre ein Beispiel. Hinzu komme, dass am Flughafen nun auch noch die letzte Direktverbindung in die USA gestrichen wurde. „Um die Wirtschaftskraft der Region zu sichern, muss die Politik die Priorität auf den Verkehr lenken.“

Die IHK Region setzt dabei auf den Schulterschluss mit der Landesregierung. Auch für Verkehrsminister Hermann ist der Schleusenausbau „ein leidiges Thema“, und er verweist auf den seit nunmehr 15 Jahren geltenden Vertrag. Die reine Sanierung und angebotene Verlängerung um lediglich fünf Meter sei keine Alternative: So gehe „weiteres wichtiges Potenzial verloren“ im Hinblick auf die Verkehrswende. Das sei auf dem Neckar nach wie vor sehr groß. Daher habe man nun beschlossen, bis Ende kommenden Jahres eine neue Hafenstrategie zu entwickeln, um „die Potenziale auch auszuschöpfen“. Wohl aber ohne eine Verlängerung der Neckarschleusen.

Zum Artikel

Erstellt:
4. Oktober 2024, 22:04 Uhr
Aktualisiert:
5. Oktober 2024, 21:57 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen