Im Eilschritt durch die Jahrhunderte

Bernhard Trefz hat eine „Kleine Geschichte der Stadt Backnang“ geschrieben. Darin nimmt er die Leserschaft auf eine Reise durch die Vergangenheit der Murr-Metropole mit.

Das sogenannte Totenkirchle wurde Ende des 15. Jahrhunderts errichtet. Der Bau befand sich außerhalb der Stadtmauern beim damaligen Friedhof. Repros: Stadtarchiv (3), Foto: A. Becher (1)

Das sogenannte Totenkirchle wurde Ende des 15. Jahrhunderts errichtet. Der Bau befand sich außerhalb der Stadtmauern beim damaligen Friedhof. Repros: Stadtarchiv (3), Foto: A. Becher (1)

Von Armin Fechter

Backnang. Es gibt eine Stadtchronik, es gibt ein Backnang-Lexikon, und es gibt das Backnanger Jahrbuch, ganz zu schweigen von den vielen weiteren Veröffentlichungen, die sich der Stadt in Vergangenheit und Gegenwart widmen. Was es bisher aber so nicht gegeben hat, ist eine knappe, überschaubare Darstellung der Historie Backnangs von den Anfängen bis in die jüngste Zeit.

Diese Lücke hat Bernhard Trefz jetzt gefüllt. Seine handliche „Kleine Geschichte“ ist, wie der Titel bereits sagt, kein Wälzer, kein Monumentalwerk, das schon ob seines schieren Umfangs abschrecken würde. Im Gegenteil: Der Autor hat die Darstellung auf leicht verdauliche 150 Seiten komprimiert. Er verzichtet dabei auf strenge wissenschaftliche Normen wie etwa Fußnoten, somit lässt sich die chronologisch fortlaufende Erzählung ohne die oftmals lästigen Zusätze goutieren. Zugleich wird in dem klar gegliederten Werk auch leicht fündig, wer sich für eine bestimmte Periode besonders interessiert.

Das Buch wendet sich, so erläutert Trefz, an ein Publikum, das bisher mit der Geschichte Backnangs wenig Berührung hatte, seien es Einheimische, die sich näher mit ihrem Wohnort befassen wollen, oder neu Zugezogene, die mit der noch fremden Umgebung Bekanntschaft schließen wollen. Ihnen allen bietet der Band ein „Best of Backnanger Geschichte“, wie der Autor augenzwinkernd erklärt. Aber was gehört dazu? Was muss rein in den Text und was nicht – auch im Hinblick darauf, dass es galt, sich kurz zu fassen?

Katastrophen wie die Pest und Knüller wie das erste Backnanger Automobil

Zupass kamen dem Archivar die Erfahrungen, die er bei Stadtführungen gesammelt hat: Je näher zur heutigen Zeit die referierten Sachverhalte liegen, umso detaillierter können sie ausfallen. Das Mittelalter hingegen empfinden viele Menschen laut Trefz als eine recht abstrakte Periode, und im Stadtbild sei davon auch nicht viel erhalten. Also hat er die inhaltlichen Schwerpunkte entsprechend in Richtung 19. und 20. Jahrhundert gesetzt. Gleichwohl werden die frühen Zeiten nicht übergangen. Trefz macht beispielsweise deutlich, wie der ungewöhnliche Ortsname entstanden sein dürfte und was es mit Stift, Stiftskirche und Stadtturm sowie der badischen und der württembergischen Vergangenheit Backnangs auf sich hat.

Die Darstellung berührt dabei nicht nur schwere und ernste Themen wie etwa die Pest und die Verwüstungen während des Dreißigjährigen Krieges, den Stadtbrand von 1693 oder Hungersnöte und Auswanderung. Sie enthält vielmehr auch ein paar Schmankerl und Highlights, die abseits der formalen Historie liegen: das erste Automobil in Backnang, mit dem der Oberamtsbaumeister Christian Hämmerle für Aufsehen sorgte, der größte Erfolg des Vereinsfußballs, den die TSG mit dem legendären Aufstieg in die Regionalliga, damals die zweithöchste Spielklasse, erzielte, oder auch das „Backnanger Lied“, das sich ironisch mit den örtlichen Gegebenheiten zu Beginn des 20. Jahrhunderts auseinandersetzte.

An weiteren Themen herrscht kein Mangel, wie Trefz erläutert: Backnang als Industriestandort, die Einrichtung eines Lehrerseminars und das Aufkommen des Nationalsozialismus sind weitere Beispiele aus dem Inhalt. Trefz berichtet unter anderem über einen großen Aufmarsch auf der Bleichwiese im Sommer 1934, bei dem Robert Ley nach Backnang kam – als Leiter der Deutschen Arbeitsfront ein führender Vertreter des NS-Staats. Nach der Kundgebung und Besuchen bei verschiedenen Firmen widmete sich dieser, getreu seinem Ruf als Reichstrunkenbold, ausgiebig der örtlichen Gastronomie und kurbelte so gewissermaßen die lokale Wirtschaft an.

Bernhard Trefz fasst auch die Folgen der NS-Herrschaft vor Ort zusammen: Kriegsopfer, Verfolgte, Zwangsarbeiter. Und schließlich das Kriegsende für Backnang an „Führers“ Geburtstag. In der Stadt – auch das merkt der Autor an – wurde zwar der Markt- in Adolf-Hitler-Platz umbenannt, der Diktator wurde aber – im Gegensatz zu anderen Städten – nie in die Reihe der Ehrenbürger aufgenommen.

Nach Kriegsende folgte den ersten schwierigen Jahren, in denen der Wiederaufbau und die Eingliederung Tausender Heimatvertriebener und Flüchtlinge anstanden, die Zeit des Wirtschaftswunders. Diese mündete aber letztlich in den Niedergang der alten Leitindustrien – Maschinenbau (Kaelble), Textilindustrie (Spinnerei Adolff) und Gerbereien – und einem grundlegenden Strukturwandel. Daneben entstanden auf kommunaler Ebene die Partnerschaften mit Annonay (Frankreich), Bácsalmás (Ungarn) und Chelmsford (England). Das Jugendzentrum wurde aus der Taufe gehoben und das Straßenfest geboren. Und: Backnang als historische Stadt wurde entdeckt und entwickelt, abzulesen nicht zuletzt an der Rettung des gotischen Chors der ehemaligen Michaelskirche samt der Einrichtung der städtischen Galerie.

„Backnang“, so das Fazit von Bernhard Trefz, „hat viele Transformationen durchgemacht, oft zwangsläufig.“ An diesem Punkt befinde sich die Stadt auch jetzt wieder: Ehemalige Industrieareale böten die Chance, Neues zu schaffen, etwa auf dem Gelände Backnang-West, wo für die nächste Internationale Bauausstellung (IBA) 2027 geplant wird. Dass dabei die Murr einbezogen wird, ist dem Archivar wichtig: Der Fluss, der in der Vergangenheit so sehr mit Abwässern und Unrat verschandelt wurde, sei doch zentral für die Stadt.

Beschäftigte von Kaelble präsentierten 1903 den ersten Gasmotor.

Beschäftigte von Kaelble präsentierten 1903 den ersten Gasmotor.

Backnang um 1875 (Ausschnitt): Das ist die älteste Fotografie der Stadt. Entlang der Murr gab es damals noch zahlreiche handwerkliche Gerbereibetriebe.

Backnang um 1875 (Ausschnitt): Das ist die älteste Fotografie der Stadt. Entlang der Murr gab es damals noch zahlreiche handwerkliche Gerbereibetriebe.

Die neue Publikation von Stadtarchivar Bernhard Trefz zeichnet kompakt und leicht lesbar die bewegte Geschichte der erstmals im Jahr 1067 urkundlich erwähnten Stadt nach.

© Alexander Becher

Die neue Publikation von Stadtarchivar Bernhard Trefz zeichnet kompakt und leicht lesbar die bewegte Geschichte der erstmals im Jahr 1067 urkundlich erwähnten Stadt nach.

Zur Geschichte des Buches

Idee aus Ubstadt-Weiher Zustande gekommen ist das Buch auf Initiative des Verlags Regionalkultur aus Ubstadt-Weiher bei Bruchsal. Dieser hat zwar im badischen Landesteil einen regionalen Schwerpunkt, er ist aber längst auch im Raum Stuttgart und im Rems-Murr-Kreis mit ortsbezogenen Publikationen in Erscheinung getreten, etwa in Winnenden oder auch Schwaikheim. Ein besonderes Projekt stellt die Reihe „Kleine Geschichte“ dar, in der unter anderem Bände über Pforzheim und Germersheim erschienen sind. Auch in Backnang klopften die Verantwortlichen an und stießen bei Archivar Bernhard Trefz und dem damaligen OB Frank Nopper auf offene Ohren.

Illustrationen und Zeittafel Zum Text gibt es 39 Illustrationen sowie eine Zeittafel und Hinweise zu weiterer Literatur. Bernhard Trefz: Kleine Geschichte der Stadt Backnang. Verlag Regionalkultur Ubstadt-Weiher. ISBN 978-3-95505-314-7. 19,90 Euro.

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Erstellt:
5. Februar 2022, 06:00 Uhr

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