Im Frauencafé brechen neue Zeiten an

Jugendmigrationsdienst überträgt Organisation an die Besucherinnen – Angebot in Backnang besteht seit zehn Jahren

Das Frauencafé des Jugendmigrationsdienstes in Backnang geht neuen Zeiten entgegen. Nachdem es zehn Jahre lang von Mitarbeiterinnen des evangelischen Kreisdiakonieverbandes geleitet, organisiert und betreut wurde, soll das Angebot künftig auf eigenen Füßen stehen. Sprich: Die Frauen organisieren ihren Treff selbst. Das kündigten die Verantwortlichen bei einer Feier zum zehnjährigen Bestehen des Frauencafés an.

Feiern den zehnten Geburtstag ihres multikulturellen Frühstückstreffens: Besucherinnen des Frauencafés und einige Gäste in den Räumen des Jugendmigrationsdienstes in Backnang. Foto: A. Struk

Feiern den zehnten Geburtstag ihres multikulturellen Frühstückstreffens: Besucherinnen des Frauencafés und einige Gäste in den Räumen des Jugendmigrationsdienstes in Backnang. Foto: A. Struk

Von Armin Fechter

BACKNANG. Es war eine bunte Gruppe aus Frauencafé-Besucherinnen und Gästen, die sich kürzlich in den Räumen des Jugendmigrationsdienstes am Burgplatz in Backnang traf. Wie groß die Vielfalt in dieser Runde ist, zeigte dabei der Herzlich-willkommen-Gruß, der zu diesem Anlass auf Lettisch, Polnisch, Russisch, Kurdisch, Bulgarisch und Türkisch sowie in etlichen weiteren Sprachen erklang – ganz im Gegensatz zur üblichen Umgangssprache bei den Treffen, Deutsch.

„Das Frauencafé ist sehr wichtig für fremde Leute“, erklärt Subhiyeh Hourani, die im Libanon geboren wurde und in Palästina lebte, bis sie vor sieben Jahren nach Deutschland kam. „Ich kannte niemand.“ Das Frauencafé bot ihr die Möglichkeit, die Sprache zu üben und andere Frauen kennenzulernen. In Deutschland gebe es Freiheit, Sicherheit und Respekt für die Menschenrechte. Diese Grundlagen fürs Leben seien nicht in allen Herkunftsländern gewährleistet.

„Es ist interessant, zu erfahren, wie Frauen anderswo leben“

„Ich habe viele andere Frauen kennengelernt, auch aus arabischen Ländern. Es ist interessant, wie Frauen anderswo leben“, sagt Katharina Kutschma. Die aus Russland stammende Frau kann als Ruheständlerin zum Frauencafé kommen, weil ihre Enkel in dieser Zeit in der Schule sind. „Wir unterhalten uns zusammen, und wir sprechen Deutsch zusammen“, erzählt Tamara Neykova, eine weitere regelmäßige Besucherin: „Hier treffe ich nette Leute, manchmal kochen und essen wir zusammen, wir lernen verschiedene Kulturen kennen, wir machen Ausflüge und feiern zusammen, und ich lerne, besser Deutsch zu sprechen.“ – Bei den Besucherinnen wird ein ständiger Wechsel beobachtet: Jahr für Jahr kommen, wie Fachbereichsleiter Stephan Kiesewalter vom Kreisdiakonieverband erläutert, etwa 20 neue Teilnehmerinnen dazu, etwa die gleiche Zahl bleibt weg.

Das Frauencafé wurde vor zehn Jahren ins Leben gerufen. Seitdem findet es immer dienstagvormittags von 9.30 bis etwa 11 Uhr statt, außer in den Ferienzeiten. Angestoßen hatten das Angebot Inguna Hacker vom Jugendmigrationsdienst des Kreisdiakonieverbandes und Angelika Struk von der Caritas. „Alles fängt im Elternhaus an“, erklärte Hacker damals und verwies auf die prägende Kraft der Mütter in der Kindererziehung. Elternarbeit ist darüber hinaus, so Kiesewalter, fester Bestandteil des Auftrags für den Jugendmigrationsdienst.

In den ersten drei Jahren standen für das Projekt Fördermittel vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Verfügung. Später, nachdem diese Förderung ausgelaufen war, mussten sich Inguna Hacker und ihre Kollegin Dorothea Pfennigsdorf immer wieder um neue Unterstützer und Gönner bemühen. Dazu zählten dann unter anderem der Lions Club, dessen ehemaliger Präsident Klaus Siebrand nach wie vor große Stücke auf den Frühstückstreff hält, und die Aktion „BKZ-Leser helfen“. Wichtige Partner sind, so Hacker, ferner die Stadt Backnang mit der Integrationsreferentin Ulrike Ferenz-Gröninger und der Migrationsreferentin Sandra Amofah sowie das Kreisjugendamt und die Agentur für Arbeit, zu denen es jeweils viele Anknüpfungs- und Berührungspunkte gibt.

Ziel des Frauencafés war es von Anfang an, in einem überschaubaren und ungezwungenen Rahmen Übung in der deutschen Sprache zu ermöglichen sowie auf die unterschiedlichen Lebenslagen einzugehen und Probleme aufzugreifen. Den Frauen sollten Wege aufgezeigt werden, wie sie sich in ihrem neuen Lebensumfeld zurechtfinden können.

So ging es dann immer wieder um Themen aus dem Lebens- und Erziehungsalltag, etwa: Wie funktioniert Schule in Deutschland? Wechselnde Referentinnen waren zu Gast, beispielsweise Kathrin Kaufmann von der Schwangerenberatung des Vereins Kinder- und Jugendhilfe. Es wurde auch gemeinsam gebastelt und gesungen, man tauschte sich über unterschiedliche Festtraditionen aus, über Ramadan und Weihnachten, und es gab Ausflüge, um die neue Heimat kennenzulernen. Ludmilla Schneider listet einige der Ziele in den letzten Jahren auf: Da gab es etwa eine Tour in die Hörschbachschlucht, einen Rundgang durch die Backnanger Stiftskirche, eine Exkursion nach Lindau mit Schiffsfahrt nach Bregenz, einen Besuch in der neuen Bibliothek in Stuttgart oder auch Ausflüge zu den Weihnachtsmärkten in Esslingen, Ludwigsburg und Hall.

Dass sich der Jugendmigrationsdienst jetzt aus dem aktiven Engagement fürs Frauencafé zurückzieht, bedeutet laut Kiesewalter nicht das Ende des Treffs. Im Gegenteil: „Die Frauen sind so selbstständig, dass sie sich ein Angebot schaffen können.“ Soziale Arbeit habe, so erläutert er weiter, grundsätzlich das Anliegen, sich selbst unnötig zu machen – und in diesem Fall sei es so weit.

Zwei Frauen wollen sich künftig federführend um das Frühstückstreffen kümmern: Erika Dorn, die seit 26 Jahren in Deutschland lebt und seit den Anfängen im internationalen Frauencafé dabei ist, und Tamara Neykova. Die Räume des Jugendmigrationsdienstes stehen weiterhin für die Treffen zur Verfügung.

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Erstellt:
31. Januar 2020, 06:00 Uhr

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