Im Handumdrehen war’s ums Handy geschehen

Säumige Finder eines Smartphones des Diebstahls beschuldigt – Backnanger Ehepaar zu einer Geldstrafe verurteilt

Das Gericht hat sein Urteil gesprochen: Ein Backnanger Ehepaar erhält wegen Diebstahls eine Geldstrafe. Symbolfoto: Fotolia/R. Tavani

© Romolo Tavani

Das Gericht hat sein Urteil gesprochen: Ein Backnanger Ehepaar erhält wegen Diebstahls eine Geldstrafe. Symbolfoto: Fotolia/R. Tavani

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Letzteres natürlich nicht. Die Todesstrafe ist in Deutschland abgeschafft. Aber was es heißt, wenn einer den anderen gewähren lässt, musste ein Backnanger Ehepaar erfahren. Sie handelten sich beide eine Anklage wegen Diebstahls ein.

Ein Sommernachmittag im August vergangenen Jahres. Der Vater, 36 Jahre alt, Lagerist, die Mutter, 26 Jahre alt, Hausfrau, und drei Kinder sind auf einem Spielplatz der Stadt. Noch ein weiteres Ehepaar samt Kind ist anwesend. Das Kind dieser anderen rutscht auf der Rutsche, die Mutter empfängt es am Auslauf. Um die Hände frei zu haben, legt sie ihr Handy in den Sand. Plaudernd gehen Mutter und Kind zu einer Bank. Jetzt ist die zuerst genannte Familie dran. Dabei entdecken die Eltern das Handy. Der Vater hebt es auf, hält es demonstrativ vor seinen Oberkörper und schaut sich um. So erzählt er zumindest vor Gericht. Das alles in der Erwartung, dass der, dem dieses Handy abhandengekommen ist, sich nun melde. Er selbst – der Richter will das genau wissen – sagt kein Wort. Dann war das Handy auch schon verschwunden. Man lässt sich Zeit auf dem Spielplatz, so die Version des Paares, die drei Mädchen dürfen sich austoben. Im Anschluss daran geht es zum Großvater nach Unterweissach. Das eben gefundene Handy ist dabei. Natürlich, so betont der Backnanger wortreich, wollte man es abgeben. Aber just da erhielten sie einen Anruf ihres Vermieters: die Kündigung ihrer Wohnung. Was jetzt? Wie was Neues finden? Tausend Dinge gingen der Familie durch die Köpfe. Das Fundstück wurde darüber vergessen. Und auch der gute Vorsatz, es bei der Polizei abzuliefern. Die kam dann selber, zwölf Tage später, in aller Morgenfrühe. Mit einem Durchsuchungsbefehl. Wie kam’s dazu?

Das Diebstahlopfer erzählt eine andere Version der Vorkommnisse

Zwei Tage nach besagtem Spielplatzbesuch geht die andere Mutter, eine 32-jährige Einzelhandelskauffrau, zur Polizei. Sie meldet ihr Handy als gestohlen. Und in Verdacht kommt die Familie mit den drei Mädchen. Über die Täterbeschreibung sieht die Polizei das Melderegister durch. Vom Einwohnermeldeamt wird das Passbild angefordert. Der Staatsanwaltschaft Stuttgart erscheint das noch nicht ausreichend. Der ermittelnde Polizeibeamte schaut sich auf Facebook um. Und siehe da: Die Nutzer stellen ein Bild ihrer selbst in das Netzwerk. Das erspart der Polizei viel Arbeit. Ein weiterer Vergleich ist möglich. Die Geschädigte erkennt die Familie wieder. Und die Staatsanwaltschaft erteilt den Durchsuchungsbeschluss.

Von der Polizei an der Wohnungstür auf das abhandengekommene Handy angesprochen, gibt der Lagerist sich gleich als der Finder zu erkennen. Nur liegt das Fundstück noch beim Großvater. Dieser, kurz alarmiert, bringt das gute Teil in Windeseile heran. Die Polizei sieht von der Wohnungsdurchsuchung ab. Aber das Handy wird genau untersucht. Dabei stellt sich heraus, dass es gesperrt ist. Das lässt den Rückschluss zu, dass verschiedene PIN-Nummern eingegeben wurden, um es in Betrieb zu nehmen. Ferner wurden Fotos gemacht. Außerdem fehlte die SIM-Karte. Der Richter wundert sich: Warum entnahm man die SIM-Karte, wo man doch das Handy als Fundstück abliefern wollte? Als die Geschädigte als Zeugin aussagt, hört sich die Spielplatzgeschichte ganz anders an. Blitzartig habe die Familie mit den drei Mädchen plötzlich den Spielplatz verlassen. Da hatte sie bloß noch nicht den Verlust ihres Smartphones bemerkt.

Die Staatsanwältin sieht den Tatvorwurf bestätigt. Das Paar hat sich des Diebstahls schuldig gemacht. Wie ist die Tat zu sanktionieren? Das Paar ist nicht vorbestraft, der Schaden ist gering. Sie will’s mit einer Geldstrafe abgehen lassen. Das letzte Wort der Angeklagten bleibt zweideutig: Sie hätten noch nie etwas angestellt. Zugegeben, es sei eine Dummheit gewesen, das Handy so lange zu behalten. Der Richter urteilt. Diebstahl ist zu ahnden. Der Lagerist wird zu einer Geldstrafe von 750 Euro, die Hausfrau zu einer über 250 Euro verurteilt. Der Verurteilte, der zuvor seine finanziellen Verhältnisse offengelegt hatte, fängt an, zu lamentieren. Das Haushaltsgeld sei so knapp bemessen, da wolle er lieber einsitzen, die Strafe absitzen. Und meint, der Richter könne das jetzt im Augenblick so festlegen. Die Staatsanwältin eilt zur Hilfe. Der Lagerist müsse auf ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Stuttgart warten. Mit dieser könne er dann alles regeln. Auch Ratenzahlung ist möglich. Oder abarbeiten. Vermutlich wird der dreifache Familienvater Letzteres wählen.

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Erstellt:
30. Januar 2019, 06:00 Uhr

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