Im oberen Murrtal steht ein Umbruch bevor

In gleich drei Kommunen des oberen Murrtals vollzieht sich ein Generationenwechsel: In Großerlach, Spiegelberg und Sulzbach an der Murr werden die Chefsessel in den Rathäusern neu besetzt. Wie ist der fast zeitgleiche Neuanfang in den Gemeinden zu bewerten?

Die Bürgermeister des oberen Murrtals haben oft gemeinsame Verpflichtungen. 2013 etwa überreichte Thomas Nehr, geschäftsführender Vorstand von Diakonie ambulant, eine Unterschriftenliste an Uwe Bossert, Christoph Jäger, Armin Mößner und Dieter Zahn (von links). Solche Termine wird Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner demnächst wohl mit drei neuen Amtskollegen wahrnehmen. Archivfoto: Jörg Fiedler

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Die Bürgermeister des oberen Murrtals haben oft gemeinsame Verpflichtungen. 2013 etwa überreichte Thomas Nehr, geschäftsführender Vorstand von Diakonie ambulant, eine Unterschriftenliste an Uwe Bossert, Christoph Jäger, Armin Mößner und Dieter Zahn (von links). Solche Termine wird Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner demnächst wohl mit drei neuen Amtskollegen wahrnehmen. Archivfoto: Jörg Fiedler

Von Melanie Maier

Rems-Murr. Die Verwaltungen kleiner Ortschaften wie Großerlach, Spiegelberg und Sulzbach an der Murr arbeiten häufig im Verband. Bei den drei Gemeinden im oberen Murrtal ist das beispielsweise bei der Flächennutzungsplanung oder auch bei der kommunalen Wärmeplanung der Fall. Doch nun wechselt in allen drei Kommunen die Rathausspitze. In Spiegelberg ist bereits der bisherige Hauptamtsleiter Max Schäfer zum Nachfolger von Bürgermeister Uwe Bossert gewählt worden. In Sulzbach und Großerlach haben Dieter Zahn beziehungsweise Christoph Jäger erst vor Kurzem ihren Rückzug aus dem Amt bekannt gegeben (wir berichteten). Die Neubesetzung der Chefsessel in den Rathäusern, sie verspricht einerseits die Chance auf frische Visionen und neuen Tatendrang im oberen Murrtal. Andererseits bedeutet sie auch den Verlust von Wissen und langjähriger Erfahrung. Wie also ist der fast zeitgleiche Neuanfang in den drei Gemeinden zu bewerten?

Der Erfahrungsaustausch findet überdie Kreisgrenzen hinaus statt

Die scheidenden Bürgermeister selbst sehen darin kein großes Problem. Er und sein Kollege Christoph Jäger hätten im Jahr 2000 mehr oder weniger zeitgleich ihr Amt angetreten, teilt Uwe Bossert mit. In beiden Fällen habe der Vorgänger für eine Amtsübergabe nicht zur Verfügung gestanden – das sei nun anders. „Ich mache mir da keine Sorgen“, so Bossert. Jäger sieht das ähnlich. „Wir ‚verlassen‘ unsere Gemeinden ja nicht, ohne unseren Nachfolgern noch unterstützend zur Verfügung zu stehen“, sagt er. „Unsere Verwaltungen sind zudem gut informiert und vorbereitet.“ Beide Bürgermeister weisen außerdem darauf hin, dass Max Schäfer in Spiegelberg mit mehr als sechs Jahren als Hauptamtsleiter ja schon einiges an Erfahrung und Wissen mitbringe. Bei aktuellen Projekten in seiner Kommune und in den Nachbargemeinden sei er sicher auf dem Laufenden. „Darüber hinaus beschränkt sich der wichtige Erfahrungsaustausch unter Bürgermeisterkollegen und -kolleginnen nicht auf die unmittelbaren Nachbarkommunen, sondern findet im gesamten Sprengel beziehungsweise kreisweit und über die Kreisgrenzen hinaus statt – und da ist nach wie vor beachtliches Erfahrungspotenzial vorhanden“, betont Jäger.

Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nehmen regelmäßig an (ebenfalls Sprengel genannten) Treffen teil, bei denen sie gemeinsam Themen ausloten, sich vernetzen und beratschlagen können. Unter jungen Kolleginnen und Kollegen können darüber hinaus auch bei Einstiegsschulungen leicht Kontakte geknüpft werden, weiß Patrizia Rall, Bürgermeisterin von Allmersbach im Tal. Die Rathauschefin hatte es kurz nach ihrer erfolgreichen Wahl im Februar 2021 im Weissacher Tal mit einer ganz ähnlichen Situation zu tun, wie sie sich nun im oberen Murrtal präsentiert: Nur knapp ein Jahr später trat ihr Amtskollege Ian Schölzel, der 15 Jahre lang die Geschicke von Weissach im Tal geleitet hatte, seinen neuen Posten als Erster Bürgermeister von Waiblingen an. Bei Auenwalds Bürgermeister Kai-Uwe Ernst war zu dem Zeitpunkt ebenfalls noch kein Jahr seit seiner Wahl vergangen – ein merklicher Umbruch im Weissacher Tal.

„Als Bürgermeister ist man eigentlich nie kompletter Einzelkämpfer“

Mit Schölzels Weggang habe sie damals nicht gerechnet, sagt Patrizia Rall. In ihrem Berufsalltag seien die Folgen aber eher sekundär gewesen, zumal in den drei Zweckverbänden des Weissacher Tals, wo der Wissens- und Erfahrungsverlust am stärksten hätte zutagetreten können, auch die Gemeinde Althütte involviert ist. Deren Bürgermeister Reinhold Sczuka ist schon seit 1993 im Amt. Schölzels Abwesenheit sei natürlich schon zu spüren gewesen, „auch menschlich“, sagt Patrizia Rall. Aber Sczuka habe vieles auffangen können. „Es ist klasse, dass er viel Erfahrung hat und uns Jungen auch Tipps geben kann.“ Davon abgesehen hätten die Zweckverbände auch eine gemeinsame Geschäftsführerin, die sich auskenne, erklärt die Bürgermeisterin.

Und auch Ian Schölzel sei nach wie vor erreichbar, wenn Fragen auftauchen, fügt dessen Nachfolger Daniel Bogner hinzu. Denn bei einigen laufenden Projekten, in die Althütte nicht einbezogen war, sei es schon zur Situation gekommen, dass nicht sämtliche Hintergründe bekannt waren. Wobei Patrizia Rall, die in Allmersbach im Tal gut fünf Jahre lang das Hauptamt leitete – ähnlich wie Max Schäfer nun in Spiegelberg –, viel Vorwissen mitbrachte. Zudem würden die Vorgänge im Rathaus wie auch in den Zweckverbänden stets dokumentiert und es seien ja auch noch teils langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugegen, die man bei Bedarf hinzuziehen könne, ergänzt Bogner. „Als Bürgermeister ist man eigentlich nie kompletter Einzelkämpfer.“

Die interkommunale Zusammenarbeit werde künftig ohnehin eine immer größere Rolle spielen, sind sich die Bürgermeister einig. Auch auf kreisübergreifender Ebene. Den Breitbandausbau zum Beispiel setzt die Gemeinde Spiegelberg bereits in unterschiedlichen Zusammensetzungen mit Gemeinden aus dem Landkreis Ludwigsburg und dem Landkreis Heilbronn um.

Die interkommunale Zusammenarbeit wird künftig immer wichtiger

Uwe Bossert ist der Ansicht, dass es in Zukunft noch weitere Kooperationen geben müsse, auch in der Verwaltung. In Aspach und Oppenweiler wie auch in Kaisersbach und Althütte kooperieren beispielsweise schon die Standesbeamtinnen und -beamten. Sie können sich gegenseitig vertreten (wir berichteten). Dass ein solcher Zusammenschluss nicht nur praktisch, sondern oft schlichtweg nötig ist, darauf weist Christoph Jäger hin: „Die Vorgaben ‚von oben‘ drücken kleine Gemeinden wie Großerlach, Sulzbach und Spiegelberg zunehmend an den Rand des Leistbaren. Die Zeit für ein engeres Zusammenrücken war bisher wohl noch nicht reif – aber für unsere Nachfolger wird dies an Bedeutung gewinnen.“

Vor der speziellen Situation im oberen Murrtal sei es für Max Schäfer vermutlich schon ein etwas schwierigerer Start, sagt Kai-Uwe Ernst. „Aber wir Kollegen werden ihn unterstützen, wo wir können“, kündigt Auenwalds Bürgermeister an. Er selbst hat bereits die Erfahrung gemacht, dass sich viele Probleme auf dem kurzen Dienstweg, mit einem Griff zum Hörer, einem Gespräch mit einem erfahrenen Kollegen oder einer Kollegin, klären lassen. „Das ist überhaupt kein Thema“, sagt er. „Wir Bürgermeister haben einen sehr guten Austausch im Rems-Murr-Kreis und darüber hinaus, es ist schon eine einzigartige Berufsgruppe.“ Auch deshalb ist er überzeugt davon, dass die drei neuen Bürgermeister in Großerlach, Spiegelberg und Sulzbach ihren Weg finden werden – genauso wie es bei Patrizia Rall, Daniel Bogner und ihm selbst der Fall war.

Für Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner steht außer Frage, dass der Übergang von einer Bürgermeistergeneration zur nächsten gelingen wird. „Das ist ein ganz normaler Stellenwechsel“, sagt er und lacht. „Natürlich geht mit so einem Schritt auch ein Erfahrungsschatz und ein großes Stück Fachwissen verloren, aber er bietet auch die Chance für etwas Neues“, findet er. Eine größere Herausforderung sei es für die Gemeinden Sulzbach und Großerlach vermutlich, geeignete Bewerberinnen und Bewerber als Nachfolger für ihre Rathauschefs zu finden. „Es ist nicht mehr so, dass die Leute Schlange stehen, weil sie gerne Bürgermeister werden wollen“, sagt er. „Und je kleiner das Rathaus ist, desto mehr muss man wissen, wie der Hase läuft.“

Als er vor gut zwölf Jahren in Murrhardt angefangen habe, seien seine Amtskollegen in den Nachbarkommunen bereits seit zwölf Jahren im Amt gewesen. „Jetzt gehöre ich selbst zu den Dinosauriern“, scherzt er. Und auch er wird seinen neuen Kolleginnen und Kollegen gerne mit Tipps und Ratschlägen zur Seite stehen, wenn er danach gefragt werde. „Man drängt sich ja nicht auf.“

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Erstellt:
28. September 2023, 06:00 Uhr

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