Im Steinbruch Zwingelhausen entsteht ein neues Schotterwerk

Beim Betonieren darf kein Stillstand sein: Für das 36 Meter hohe Gebäude setzt die Firma Lukas Gläser auf eine Gleitschalung. Damit steht der Baukörper in nur wenigen Tagen – allerdings muss auch Tag und Nacht ununterbrochen daran gearbeitet werden.

27 von 36 Metern sind erreicht, nach nur neun Tagen steht der erste Gebäudeteil des neuen Schotterwerks schon fast. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

27 von 36 Metern sind erreicht, nach nur neun Tagen steht der erste Gebäudeteil des neuen Schotterwerks schon fast. Fotos: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Kirchberg an der Murr. Schon knapp 27 Meter ragt der Betonkoloss Richtung Himmel. Seine Endhöhe hat der erste Gebäudeteil des neuen Schotterwerks im Steinbruch Zwingelhausen aber noch gar nicht erreicht, diese liegt bei knapp 36 Metern. „Bis Freitag sollte das geschafft sein“, sagt Peter Antweiler, der technische Leiter für die Rohstoffbetriebe bei Lukas Gläser. Kaum zu glauben, dass vor neun Tagen auf dem Gelände lediglich die Bodenplatte zu sehen war. Der Grundkörper des neuen Schotterwerks im Steinbruch wird nämlich auf eine etwas unübliche – dafür aber besonders schnelle – Bauweise angegangen. Es kommt eine sogenannte Gleitschalung zum Einsatz. Bei einer üblichen Schalung wird diese aufgebaut und mit Stahl und Beton gefüllt. Sobald der Beton getrocknet ist, wird die Schalung abgebaut, um mit dem Kran versetzt und an anderer Stelle neu aufgebaut und befüllt zu werden. Bei der Gleitschalung allerdings wandert die Schalung für den Beton permanent nach oben. So wird in Zwingelhausen das gesamte System immer wieder um 2,5 Zentimeter hydraulisch hochgedrückt. Das heißt, es entstehen keine Fugen, das Gebäude wächst deutlich schneller. Etwa 13 Zentimeter pro Stunde werden auf diese Weise betoniert.

Die Arbeiter sind rund um die Uhr und bei jedem Wetter im Einsatz

Damit das überhaupt funktioniert, muss das Gebäude in einem Zug hochgezogen werden. Gearbeitet wird also 24 Stunden pro Tag, sieben Tage pro Woche. Seit dem 27. Juni sind die Arbeiter ununterbrochen auf der Baustelle in Kirchberg tätig, unabhängig von Wind, Regen oder großer Hitze. In 12-Stunden-Schichten sind bis zu 27 Arbeiter am Werk: Eisenbinder, Kontrolleure, Arbeiter, die den Beton einfüllen und einige, die die Wand letztlich glätten.

Die Schalung rutscht zentimeterweise nach oben, betoniert wird rund um die Uhr.

© Alexander Becher

Die Schalung rutscht zentimeterweise nach oben, betoniert wird rund um die Uhr.

Die Firma Lukas Gläser erhofft sich durch die Bauweise deutliche Zeiteinsparungen. „Das Gebäude, inklusive Einbauten, wollen wir so in acht statt in zwölf Monaten fertigstellen“, sagt Antweiler. „Es geht deutlich schneller, wird aber nicht unbedingt teurer. Der reine Hohlkörper könnte in nur 13 Wochen stehen.“ Das Gebäude wird in drei Gleitabschnitten errichtet. Der erste mit ungefähr 2000 Kubikmetern Beton soll am Freitag fertig werden. Anschließend wird die Gleitschalung umgesetzt und es beginnt für je sieben bis acht Tage pro Gleitabschnitt erneut die 24-Stunden-Arbeit. Die Schichtarbeit auf der Baustelle sei hart, so der technische Leiter. Firmen zu finden, die beim aktuellen Fachkräftemangel sicher mit genug Arbeitern anrücken sei schwierig. Auch deshalb werde es über die Sommerferien zwischen zwei Gleitabschnitten eine Pause geben. „In der Zeit können dann die Böden eingebaut werden.“

Es geht schneller und kostet nicht zwingend mehr: stellt sich die Frage, warum das Verfahren nicht öfter zum Einsatz kommt. „Es gibt gewisse Voraussetzungen“, erklärt Antweiler. „Man braucht eine gewisse Wanddicke – wir haben hier 40 Zentimeter – und es geht nicht bei jedem Grundriss.“ Das Schotterwerk zum Beispiel hat einen recht einfachen quadratischen Grundriss, selbst die Wände für die neun Silos im Inneren des Gebäudes konnten mit der Gleitschalung gleich mit hochgezogen werden. „Und man braucht eine Mindesthöhe, für ein paar Meter braucht man das System nicht aufbauen.“ Denn allein der Aufbau der Gleitschalung habe rund zehn Arbeitstage in Anspruch genommen. Im Steinbruch lohnt es sich für Lukas Gläser auf jeden Fall. Nicht nur das Schotterwerk mit seinen 36 Metern Höhe wird so gebaut, sondern auch ein weiteres Gebäude, auch wenn das nicht ganz so hoch wird. „Aber wenn wir die Gleitschalung schon mal hier haben und nur versetzen müssen, nutzen wir das.“

Nur wenige Firmen bieten diese Bauweise an

In Europa gibt es nur wenige Firmen, die diese Bauweise anbieten, in Zwingelhausen ist das Unternehmen Bitschnau aus Vorarlberg tätig, das auch den 246 Meter hohen Testturm in Rottweil erstellt hat. Während die Bauweise zeitliche Vorteile hat, muss zuvor aber alles genau geplant werden, eine funktionierende Logistikkette ist unabdingbar. So müssen nicht nur die Arbeiter auf der Baustelle rund um die Uhr im Einsatz sein, sondern auch die im Betonmischwerk sowie die Fahrer des Mischwerks. Schließlich muss der Beton auch nachts geliefert werden, damit kein Stillstand entsteht. Weil der Beton genau so gemischt sein muss, dass er weder zu schnell noch zu langsam trocknet, wird die Mischung immer wieder neu an die Gegebenheiten angepasst. „Wir haben extra Probeschalungen gefüllt. Bis die Gleitbaufirma mit der Betonmischung zufrieden war, haben wir mehrere Versuche gebraucht“, sagt Antweiler. Die Mischung muss zudem immer wieder an die aktuelle Temperatur angepasst werden. Stimmt sie nicht perfekt, braucht der Beton länger zum Trocknen und die Gleitschalung kann nicht so schnell nach oben verrutscht werden.

Peter Antweiler auf der Gleitschalung.

© Alexander Becher

Peter Antweiler auf der Gleitschalung.

Auch müssen für Aussparungen wie Fenster schon vorher genau passende Holzrahmen angefertigt werden, ihre Position muss exakt geplant sein. „Viel verändern kann man im Bau dann nicht mehr“, sagt Peter Antweiler. Und schnell gehen muss es dann auch. Schließlich kann das Gleiten zwischendurch nicht gestoppt werden. „Da wird es zum Teil schon ganz schön stressig“, sagt Antweiler, gerade mit Blick auf große Aussparungen, die abgesichert werden müssen. Bisher zumindest lief alles ganz gut in Zwingelhausen. „Das Zeitfenster wird eingehalten“, so Antweiler.

Das neue Schotterwerk

Investition Die Aspacher Firma Lukas Gläser investiert rund 25 Millionen Euro in den Neubau des Schotterwerks im Steinbruch Zwingelhausen. Damit wird das Schotterwerk aus den 60er-Jahren ersetzt, das schon länger nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Technik ist.

Zeitplan Los gingen die Arbeiten Anfang Mai mit dem Bau der Bodenplatte. Der erste Teil des Rohbaus soll am Freitag stehen, zwei weitere Gleitabschnitte werden anschließend folgen. Außerdem sollen auch ein neues Waaghaus sowie ein Sozialgebäude entstehen. Bis Ende 2024 soll das Schotterwerk in Betrieb gehen.

Ziel Das Unternehmen erhofft sich durch den Neubau unter anderem weniger Lärm- und Staubemissionen, einen effektiveren Arbeitsablauf und mehr Lagerkapazität.

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Erstellt:
6. Juli 2023, 06:00 Uhr

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