In Backnang währte die Hohe Schule des Biergenusses
Dieter Sperlinger erfreute die Freunde des Gerstensafts in der Bierakademie mit einem breiten Angebot verschiedenster Geschmacksrichtungen.
Von Armin Fechter
Backnang. Eine Hochschule in Backnang? Na klar doch. Über 25 Jahre lang konnten Kneipengänger in der einstigen Gerbereihochburg an der Murr Bierologie studieren, denn 1981 eröffnete in der Eberhardstraße die Bierakademie mit einer einzigartigen Palette an Studienfächern respektive Biersorten. Inhaber Dieter Sperlinger bot allein schon vom Fass, frisch gezapft, zehn verschiedene Geschmacksrichtungen an.
Mit dabei alle Marken, die damals gern in aller Munde waren: Bitburger, Jever, Warsteiner und Budweiser, ja sogar Hannen Alt – Letzteres ein Special für die zahlreichen Experten aus dem Westen, dem Pott und der Region Düsseldorf, die damals in der Backnanger Nachrichtentechnikbranche beschäftigt waren. Hinzu kam dann noch eine große Auswahl an Flaschenabfüllungen, sodass Gerstensaft jeder Couleur als Studienobjekt bereitstand. Dabei war dem Chefzapfer immer wichtig, ein gepflegtes Bier reichen zu können – und dazu gehörten nicht nur die richtige Temperatur und das passende Glas, sondern auch eine stabile Schaumkrone.
Zwischen 80 und 90 Sitzplätze an den Tischen
Über 100 Studierende fanden gleichzeitig Platz an respektive in der Akademie. Wie Stefan Sperlinger, der Sohn des bereits verstorbenen Inhabers, berichtet, gab es zwischen 80 und 90 Sitzplätze an den Tischen. Dazu konnten sich an der langen Theke gut und gern noch weitere 20 Besucher platzieren, ganz abgesehen von den Stehplätzen, die im Gedränge besonders an den Wochenenden auch oft knapp wurden.
Musik aus der Anlage sorgte dabei für den Klangteppich. In den frühen Jahren gab es laut Sperlinger junior, der selbst ab 1996 im väterlichen Lokal mitarbeitete, auch Livemusik, insbesondere bei den Hocketsen, die damals auf dem Parkplatz vor dem Haus gefeiert wurden. Besondere Angebote machte die Bierakademie an Heiligabend: Anfangs waren es drei blaue Stunden mit kostenlosem Ausschank, später wurden Gutscheine verteilt. Ein Studium an der Aka, wie sie kurz genannt wurde, setzte keine besonderen Vorkenntnisse oder gar Abitur voraus. Demzufolge kam das Publikum aus allen Schichten.
Besonders gern trafen sich dort Fußballer, die, so Sperlinger, „von überall her kamen, auch aus der Umgebung“, aus Weissach im Tal, Aspach oder Steinbach. Das bestätigt Reiner Ebert, selbst ein TSG-Kämpe: Nach dem Training oder nach Spielen schaute er zusammen mit seinen Sportkameraden gern noch auf ein Glas vorbei. Ansonsten fand sich eine bunte Mischung an Gästen ein, jüngere und ältere, Frauen und Männer sowie immer wieder auch führende Kräfte aus der einstigen ANT, die mit Geschäftskunden unterwegs waren.
Bis heute trauert Backnang um seine Alma Mater Bierensis
Dass die Aka neben Getränken auch eine kleine Vesperkarte in petto hatte, kam bei den Besuchern ausgesprochen gut an. Renner waren dabei, wie Sperlinger rekapituliert, der Wurstsalat und die herzhaften Paprikawürste. Und es gab noch eine andere Spezialität, die oft von Gruppen geordert wurde: das Meterbier – das waren 14 Gläser à 0,2 Liter in einem einen Meter langen Holzbrett.
Dass so einen Betrieb nicht einer allein stemmen kann, ist klar. Unterstützung hatte der Wirt laut Stefan Sperlinger von Marianne und Bärbel. Letztere war besonders lang, über 25 Jahre, dabei: „Sie war die gute Fee, beliebt und akzeptiert, für viele fast eine Mama.“ So hätte es noch lange weitergehen können – die Bierakademie hatte einen Lauf. Doch 2009 schlug für sie die letzte Stunde. Und Backnang trauert um seine Alma Mater Bierensis.