DRK Althütte: Ausflug mit Geflüchteten in den Schwaben-Park

In der Achterbahn sind die Sorgen vergessen: Das DRK Althütte hat gemeinsam mit 39 geflüchteten Personen einen Ausflug in den Schwaben-Park in Kaisersbach unternommen. Als einziger Ortsverein im Rems-Murr-Kreis haben die Althütter die Flüchtlingsarbeit offiziell verankert.

Auf den Ausflug in den Schwaben-Park mit dem DRK Althütte haben sich die geflüchteten Familien schon gefreut. Manche hätten schon Monate vorher danach gefragt, sagt Jörg Schuber vom Kreisverband.

© Tobias Sellmaier

Auf den Ausflug in den Schwaben-Park mit dem DRK Althütte haben sich die geflüchteten Familien schon gefreut. Manche hätten schon Monate vorher danach gefragt, sagt Jörg Schuber vom Kreisverband.

Von Lorena Greppo

Althütte/Kaisersbach. Das Gekreische ist groß, aber dass sie nass werden, stört die Besatzung des schwimmenden Baumstamms kein bisschen. Schließlich zeigt sich der August inzwischen ja wieder sommerlich und so ist die Fahrt mit der Wasserachterbahn Sägewerk überaus beliebt. Die Sonne strahlt und mit ihr die Besuchergruppe aus Althütte. Der DRK-Ortsverein hat 39 Personen, geflüchtete Familien, in den Schwaben-Park in Kaisersbach eingeladen, um dort ein paar unbeschwerte Stunden zu verbringen. Am Eingang werden noch eben Armbändchen an die Kinder verteilt – darauf sind Telefonnummern, falls sie ihren Eltern verloren gehen sollten. Manche können kaum stillhalten vor lauter Vorfreude auf die Fahrgeschäfte, die Tiere und die vielen Leckereien an den Kiosken. Begleitet werden sie von einer Gruppe Ehrenamtlicher. Auch für sie gehört ein solcher Ausflug zu den freudigeren Aspekten ihres Engagements, wie der Vorsitzende des Ortsvereins Sven Semet berichtet.

Lachende Gesichter und gute Laune im Raupenexpress und... Fotos: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Lachende Gesichter und gute Laune im Raupenexpress und... Fotos: Tobias Sellmaier

Das DRK Althütte ist der einzige Ortsverein im Rems-Murr-Kreis, der die Flüchtlingsarbeit in das Vereinsleben integriert hat. Auslöser hierfür war der Angriffskrieg auf die Ukraine. „Uns war klar, dass eine größere Anzahl geflohener Menschen zu uns kommen wird“, erklärt Sven Semet. Der Offene Kreis Asyl war bis dahin eine Gruppierung ohne Vereinsstruktur. Das musste sich in Anbetracht der bevorstehenden Aufgabe ändern – entweder durch das Gründen eines eigenständigen Vereins oder die Angliederung an das DRK. Man entschied sich für Letzteres. Das bringt als Vorteile mit sich, dass man auf die bestehende Infrastruktur des DRK – von Versicherungen bis hin zu Fahrzeugen – zurückgreifen kann. Es ist ein Leuchtturmprojekt, sagt Sven Semet. „Eine vorbildliche Sache“, bestätigt auch Jörg Schuber vom DRK-Kreisverband. „Ohne die Ehrenamtlichen wäre das alles nicht zu bewältigen“, macht er klar. Für seine Arbeit wurde der Offene Kreis Asyl auch im Rahmen unserer Weihnachtsspendenaktion „BKZ-Leser helfen“ unterstützt.

14 neue Mitglieder hat das DRK Althütte durch die Aufnahme des Offenen Kreises Asyl bekommen. „Sie helfen bei so ziemlich allem, was ansteht“, sagt Sven Semet. Darunter ist viel bürokratischer Aufwand, die Ehrenamtlichen begleiten die Geflüchteten gar bis vors Gericht, wenn über den Aufenthaltstitel entschieden wird. Da man sich in Althütte vorwiegend um alleinerziehende Frauen mit Kindern kümmert, ist es eine häufige Aufgabe, eine Kinderbetreuung zu organisieren oder einen Deutschkurs. So ist es auch schon gekommen, dass Sven Semet manche Kinder der geflüchteten Frauen bei sich zu Hause betreut hat. „Ohne das Engagement könnten die Frauen keinen Abschluss machen“, weiß er. So hingegen habe eine Mutter zweier Kinder die Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten geschafft, eine andere geflüchtete Frau ist nun Altenpflegerin.

Auf einen Deutschkurs müssen die Frauen oft lange warten

Der Deutschkurs und damit verbunden die Kinderbetreuung sind aktuell bei Ciara Aneyo und Precious Osegae Thema. Beide kommen aus Nigeria. „Für die Frauen ist es nicht so einfach“, sagt Jörg Schuber. „Was den Anspruch auf einen Deutschkurs angeht, sind sie ganz hinten in der Reihe.“ Precious Osegae hatte nun Glück, „nächsten Monat geht es los“, sagt sie erfreut, „endlich“. Hilfe kann sie sich von ihren Töchtern holen, denn die sprechen bereits sehr gut Deutsch. Ciara Aneyo steht hingegen noch auf der Warteliste, obwohl sie schon seit vier Jahren in Deutschland ist. Den Ausflug kann sie dennoch genießen: „Den Kindern macht das viel Spaß“, sagt sie auf Englisch. Ihre Tochter Treasure freut sich am meisten auf die Wasserrutsche, verrät sie. Merhawit Meles ist 2018 nach Deutschland gekommen. Auch die Eritreerin fühlt sich wohl in Althütte und freut sich, dass es mit dem Ausflug in den Schwaben-Park geklappt hat. Ihre Tochter Naomi wird in Kürze drei Jahre alt und darf nun manche Fahrgeschäfte ausprobieren – mit Begleitung versteht sich. Die Kleine kann es kaum erwarten und möchte sich am liebsten allein auf Erkundungstour begeben.

„Es ist unheimlich wichtig, so etwas zu machen“, ordnet Jörg Schuber ein. Denn: „Die Frauen kriegen doch einen Koller, wenn sie ständig zu Hause sind.“ Sie erfahren eine strukturelle Benachteiligung – nicht nur aufgrund ihrer Fluchterfahrung, sondern auch als Alleinerziehende. „Da ist es nur recht und billig, wenn wir ihnen auch mal einen solchen Ausflug ermöglichen.“ Man habe darauf geachtet, etwas in der Region zu unternehmen. Das zeige ihnen, dass sie so einen Ausflug auch gut selbst organisiert unternehmen können. „Wir geben Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Sven Semet.

Rege Vereine und privater Wohnraum entspannen die Situation

In Althütte sind zur Zeit knapp 150 geflüchtete Menschen untergebracht – eingerechnet sind dabei jene Personen, die vom Kreis im Naturfreundehaus aufgenommen wurden. Knapp 100 von ihnen kommen aus der Ukraine. Damit liege man weit über dem Verteilungsschlüssel, sagt Sven Semet. Ein Grund dafür, dass Althütte das hinbekommt, sei, dass viel privater Wohnraum zur Verfügung gestellt werde. Zudem trete die Gemeinde als Mieterin auf, was für die Eigentümer eine sichere Bank sei. Darüber hinaus seien die Vereine sehr rege, etwa die Landfrauen oder der TSV.

Wie viel Arbeit die Flüchtlingsbetreuung bedeutet, veranschaulicht Jörg Schuber: „Im Grunde müssen die Menschen ihr ganzes Leben neu aufbauen.“ Das reiche von allerlei Unterlagen über das Erlernen einer neuen Sprache bis hin zur Integration in eine neue Umgebung. „Und das alles soll in wenigen Wochen vonstattengehen“, führt er aus. Das bringe alle Beteiligten an ihre Grenzen. Derzeit sei an vielen Stellen – etwa in den Behörden – einfach zu wenig Personal vorhanden. Das erschwere den Prozess ungemein. Beim DRK sei man aktuell noch gut ausgestattet mit Ehrenamtlichen. Jörg Schuber will das aber nicht als selbstverständlich hinnehmen. „Manchmal wünscht man sich mehr Wertschätzung für die Ehrenamtlichen. Man kann nicht einfach alles auf ihren Schultern abladen.“ Immerhin: Ein solcher Abenteuerausflug ist dann auch für sie eine Belohnung.

...Nervenkitzel auf der Sägewerkbahn.

© Tobias Sellmaier

...Nervenkitzel auf der Sägewerkbahn.

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Erstellt:
19. August 2023, 06:00 Uhr

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