„In Japan ist es fast eine andere Sportart“

Der Ludwigsburger Basketballtrainer John Patrick spricht über seine Erfahrungen in Asien und darüber, wie schwierig es ist, als Bundesligist die passenden Spieler zu finden und zu bezahlen.

Daumen hoch: John Patrick gibt nach zwei Jahren bei den Chiba Jets in Japan nun wieder den Takt bei den  Ludwigsburgern vor.

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Daumen hoch: John Patrick gibt nach zwei Jahren bei den Chiba Jets in Japan nun wieder den Takt bei den Ludwigsburgern vor.

Von Joachim Klumpp

Ludwigsburg - John Patrick ist nach einem zweijährigen Engagement in Japan zurück bei dem Basketball-Bundesligisten MHP Riesen Ludwigsburg – mit neuem Tatendrang und alten Vorlieben. Der Saisonstart hat es gleich in sich.

Herr Patrick, Sie treffen mit Ihrer Mannschaft gleich zum Bundesliga-Start auf Meister Bayern München, mit Ex-Bundestrainer Gordon Herbert als neuem Coach. Der sollte eigentlich Ihren Platz in Japan bei den Chiba Jets einnehmen, hat sich dann aber doch für die Bayern entschieden. Sie sind nach zwei Jahren zurückgekommen – ist die Bundesliga so viel attraktiver als Japan?

Sie ist anders. Ich war bei einem Topteam der Liga, aber mein Grund war ein Sabbatical, eine gewisse Auszeit, was nach zwei Jahren zu Ende ging. In der Bundesliga ist es viel intensiver als in Japan. Viel dynamischer, weil man die Mannschaft im Training ständig verbessern muss, der sportliche Wettbewerb ist härter. Fast eine andere Sportart. Kein Marketing-Entertainment-Trick, wirklicher Basketball eben.

Gibt es dennoch etwas, was Sie in Japan im Basketball besonders beeindruckt hat?

In Japan sind die Spieler Superstars, sie können nicht aus dem Haus gehen, ohne dass von Fans ein Autogramm oder Foto gewünscht wird. Fast jeden Tag gibt es von ihnen Youtube- oder Tiktok-Videos und TV-Auftritte. Die meisten Spieler verdienen durch Werbeauftritte fast so viel wie durch den Sport. Aber das hat sich erst die letzten vier, fünf Jahre so entwickelt. Es ist eine Marketing-Maschine geworden. Davon sind wir hier noch weit entfernt.

Ihr neuer Co-Trainer Kenji Sato kommt für ein Jahr aus Japan. Welche Rolle hat er hier, nur die als stiller Beobachter?

Nein, er ist voll ins Trainerteam integriert. Ich kenne ihn noch aus seiner Zeit als Spieler, er war auch zweimal Trainer des Jahres in Japan. Ein guter Typ, der voll motiviert und natürlich als Assistenzcoach ein vollwertiges Teammitglied ist.

In der vergangenen Saison ist der Funke bei den Riesen nicht immer von der Mannschaft auf die Fans übergesprungen. Wie wollen Sie das wieder schaffen?

Ich denke, die Fans spiegeln immer die Emotionen der Mannschaft wider. Es gibt eine Beziehung zwischen Mannschaft und Zuschauern. Wir wurden auch in Japan gelobt, dass wir auf dem Feld stets alles gegeben haben. Und ich glaube, das ist, was die Fans sehen wollen: dass die Mannschaft alles gibt und sich die Zuschauer mit ihr identifizieren können. Natürlich ist daneben auch der sportliche Erfolg wichtig.

Am besten über die Verteidigung. Warum nimmt die bei Ihnen eine so wichtige Rolle ein?

Da gibt es verschiedene Gründe. Der wichtigste: Wenn man im Training mit einem Sparringspartner, egal in welcher Sportart, gegen eine schwache Verteidigung antritt, lügt man sich mit guten Aktionen selbst in die Tasche, weil man dann im Spiel überrascht wird, wenn man auf eine starke Abwehr trifft und es nicht klappt. Wenn wir in der Verteidigung hart arbeiten, können wir uns im Training auch in der Offensive verbessern. Ich habe an der Hochschule und am College in nationalen Meisterteams gespielt, und es ist einfach so: Offensive gewinnt Spiele, Defensive gewinnt Meisterschaften. Selbst mit weniger Talent, auch im Basketball.

Und Sie haben nicht Sorge, dass die Offensive leidet?

Wir haben auch schon die meisten Punkte gehabt oder gute Dreier-Statistiken. Aber in der Verteidigung Druck aufzubauen kann im Spiel eine echte Waffe sein. Und es ist im europäischen Basketball einfach wichtig, gut zu verteidigen. Deshalb bekommen wir auch talentierte junge Spieler, die normalerweise woanders hingehen könnten, aber eben bei uns diese Erfahrung sammeln wollen – um sich damit für größere Clubs in Europa zu empfehlen.

Apropos Europa: Die Riesen haben für den Fiba Europe Cup gemeldet, der im Grunde drittklassig ist. Warum?

Ich denke, wir hätten keinen der amerikanischen Spieler bekommen, wenn wir nicht international spielen würden. Das ist eine Frage des Prestiges. Und es zeigt auch den Ehrgeiz der Spieler, sich zu präsentieren. Außerdem hat sich der Wettbewerb in den vergangenen Jahren sportlich gesteigert. Letzte Saison hat Chemnitz ihn gewonnen und musste sich dabei am Ende gegen starke spanische oder türkische Mannschaften durchsetzen.

Sie haben in der Vorbereitung bereits einige Spielerwechsel vorgenommen. Warum ist es so schwierig, die richtigen Typen zu finden?

Ich denke, das Problem haben fast alle Clubs. Außerdem besitzen wir nicht die finanziellen Möglichkeiten wie Bayern oder vielleicht Berlin, die Spieler zum Probetraining einfliegen lassen können. So weiß man eben nie, was über den Sommer passiert ist. Es kann es sein, ein Spieler kommt verletzt oder angeschlagen hierher – da bist du machtlos.

Würden Sie sagen, die Bundesliga ist in den vergangenen beiden Jahren, zumindest in der Breite, stärker geworden?

Ich würde sagen, das Niveau ist geblieben, aber es ist viel schwieriger geworden, gute Spieler zu rekrutieren.

Warum?

Nehmen wir allein Japan, wogegen ich nichts sagen kann, weil ich selbst zwei Jahre dort war. Aber wenn Weltmeister wie Johannes Thiemann von Alba Berlin dorthin gehen oder auch NBA-Spieler, selbst in die dritte Liga, dann ist das schon eine massive Konkurrenz. Auch Taiwan, Südkorea oder China zahlen mehr, und in der italienischen zweiten Liga wird teilweise besser bezahlt als in der ersten deutschen. Dazu hat sich der US-Markt verändert. In der G-League (dem Unterbau der Topliga NBA, Anm. d. Red.) haben Spieler früher vielleicht 30 000 Dollar brutto bekommen, jetzt 100 000 bis 500 000. Also warum soll ein Spieler dann wechseln? Viele Dinge in den letzten zwei, drei Jahren haben die Situation erschwert für ein Team mit einem Budget wie in Ludwigsburg.

Co-Trainer David McCray war ein Urgestein bei den Riesen. Er hat die ausländischen Spieler integriert, ist jetzt als Chefcoach nach Crailsheim gegangen. Gibt es jemanden, der ihn ersetzt?

Natürlich hatte David seinen Anteil daran, aber ich habe gehört, in den letzten zwei Jahren haben auch unsere langjährigen Spieler wie Yorman Polas Bartolo oder mein Sohn Johannes den Neuen gezeigt, wo man zum Essen geht oder zum Friseur. Wir sind sehr familiär, und ich hoffe, dass wir neben dem Training mal andere Sachen machen können: wie Barbecues oder ein VfB-Spiel besuchen. Das mag ich auch im Vergleich zu Japan, wo vieles sehr produziert wirkt.

Sie haben jetzt gleich für zwei Jahre in Ludwigsburg unterschrieben. Ist ein Leben ohne Basketball für John Patrick überhaupt vorstellbar?

Ich mag diese Sportart sehr, ich habe in Japan ja noch abends privat gespielt. Früher habe ich aber auch schon an der Börse oder bei Nike gearbeitet oder in Kaffeeshops während des Studiums. Und fühle mich glücklich, dass ich mein Hobby zum Beruf machen darf. Das ist ein Privileg. Das denke ich jeden Morgen, wenn ich aufwache.

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Erstellt:
17. September 2024, 22:10 Uhr
Aktualisiert:
18. September 2024, 22:04 Uhr

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