Automaten machen Dorfladen in Rietenau Konkurrenz

Automaten für Lebensmittel und Pizza haben die Nahversorgungsmöglichkeiten in Rietenau erweitert. Die Betreiber wollen so einen Mehrwert fürs Dorf schaffen. Bei der Inhaberin des bestehenden Ladens führt die neue Situation dazu, dass sie Zukunftsideen für ihr Geschäft vorantreibt.

Zentral an der Rietenauer Ortsdurchfahrt befinden sich seit wenigen Wochen Automaten für Eis und Lebensmittel – in direkter Nachbarschaft zum etablierten Dorfladen „Lebensmittel Mildenberger“. Foto: Dietmar van der Linden

Zentral an der Rietenauer Ortsdurchfahrt befinden sich seit wenigen Wochen Automaten für Eis und Lebensmittel – in direkter Nachbarschaft zum etablierten Dorfladen „Lebensmittel Mildenberger“. Foto: Dietmar van der Linden

Von Nicola Scharpf

Aspach. Seit ein paar Wochen haben die Menschen in Rietenau erweiterte Möglichkeiten, sich mit Lebensmitteln zu versorgen: Zentral neben dem Buswartehäuschen an der Ortsdurchfahrt stehen Automaten für Lebensmittel, Snacks und Getränke sowie für Pizza. Die Betreiber, Ute und Toni Flotta aus Rietenau, haben die Automaten auf ihrem Grundstück aufgestellt, um „für alle einen Mehrwert zu schaffen“, so Toni Flotta. „Wir wollen etwas tun für unser Dorf, in dem wir uns wohlfühlen. Wenn wir hier nichts mehr haben, was hält meine Kinder dann hier?“ Das Ziel solle sein, dass die Leute für den Einkauf von Kleinigkeiten in Rietenau bleiben könnten.

Von daher haben die Automatenbetreiber und die Inhaberin des seit Jahren bestehenden Dorfladens „Lebensmittel Mildenberger“, der sich in direkter Nachbarschaft zu den Automaten befindet, etwas gemeinsam. Denn auch Ute Mildenbergers Anliegen ist, „dass Rietenau weiter versorgt ist“. Doch im Gegensatz zu Toni Flotta, der in der unmittelbaren Nähe der beiden Nahversorgungskonzepte keine Konkurrenzsituation sieht, steht die 83-Jährige der Idee einer Koexistenz, bei der beide ihr Auskommen haben, eher skeptisch gegenüber. Die Automaten haben bewirkt, dass sie ihre Gedanken zur Zukunftsfähigkeit ihres Geschäfts vorantreibt. „Ich bin in Gesprächen mit Tante M“, verrät die gelernte Einzelhandelskauffrau, die seit 60 Jahren an wechselnden Standorten in der Gemeinde ihr Lebensmittelgeschäft betreibt. Bei der Kette Tante M, die unter anderem Filialen in Großerlach und im Backnanger Stadtteil Waldrems betreibt, gibt es Zeitfenster, in denen Kunden Personal antreffen, und Zeiten, zu denen Selbstbedienung und SB-Kassieren herrschen.

Automaten versorgen die Kunden außerhalb von Ladenöffnungszeiten

Aspachs Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff sagt, die Thematik des Dorfladens in Nachbarschaft zu den Lebensmittelautomaten habe sie beschäftigt. Sie ist überzeugt, dass der Einkauf im Laden gegenüber jenem am Automaten präferiert wird. „Das ist unersetzbar“, sagt sie über den Dorfladen. Oder wie es Ute Mildenberger ausdrückt, es gebe bei ihr neben den Dingen des täglichen Bedarfs, Backwaren und der Poststation weitaus mehr: „Ich bin hier sozusagen die Sozialstation.“ Doch es gebe, so Welte-Hauff, nun mal die gesellschaftliche Veränderung hin zum unpersönlichen Einkauf, hin zur 24-7-Einkaufsgeneration.

Diejenigen, die sich außerhalb der Ladenöffnungszeiten versorgen wollen, hat Toni Flotta als Zielgruppe im Blick – Wanderer oder Radfahrer, die am Samstagnachmittag einen Snack möchten, Haushalte, die am Sonntagmorgen bemerken, dass die Butter ausgegangen ist, Spätheimkehrer, die nach Dienstschluss am späten Abend eine Dosenwurst fürs Vesper brauchen, Menschen, die sich und ihre Gäste für einen spontanen Grillabend mit Fleisch und Wein oder Bier versorgen wollen. „Wir wollen uns nicht bereichern“, sagt Toni Flotta. Die Möglichkeiten auf der kleinen Fläche seien ohnehin begrenzt. „Sie können von so einem Automaten nicht leben.“ Aber der Platz auf dem Grundstück mit dem elterlichen Haus seiner Frau sei vorhanden gewesen, schildert er. Im Zuge von Renovierungsarbeiten am Haus, die er in Eigenleistung erbrachte, sei er von Wanderern und Radfahrern häufig angesprochen worden, wo sie am Samstag- oder Sonntagnachmittag Kleinigkeiten kaufen könnten. Schließlich lernten er und seine Frau die Macher von „Fräulein Schmid“ aus Sachsenheim kennen, die selbst produziertes Hofeis herstellen und verkaufen. Es reifte die Idee, Automaten für Eis und andere Produkte – vorzugsweise aus der Region – aufzustellen. „Wir können es für unsere Enkel machen“, gibt Flotta die Überlegungen innerhalb seiner Familie wider. „Damit sie sich auch in Zukunft ein Eis im Dorf kaufen können.“

Also wurden Geräte des Waiblinger Anbieters von Maschinen für die Lebensmittelindustrie Emmess Automaten angeschafft. Einen Teil der Fläche hat Flotta an Emmess Automaten für den Betrieb des Pizzaautomaten vermietet. Die Automaten müssen lediglich gewerberechtlich korrekt angemeldet werden – was sie laut Gemeindeverwaltung sind. Darüber hinaus bedürfen sie keines weiteren Genehmigungsverfahrens. Nur das Überdach, eine massive Konstruktion aus Holzpfosten und einem Wellblechdach zum Schutz vor der Witterung, habe einer baurechtlichen Prüfung unterlegen, so die Bürgermeisterin. Wegen der untergeordneten Bedeutung des Unterstands sei die Genehmigung ohne den Gemeinderat erfolgt.

Es gibt Gespräche mit der Dorfladenkette Tante M

Ute Mildenberger sagt, die Automatenbetreiber hätten zwar kurz vor der Inbetriebnahme der Geräte das Gespräch mit ihr gesucht. Sie habe aber nicht damit gerechnet, dass die Schnittmenge zwischen dem Angebotenen in den Automaten und ihrem Sortiment im Laden so groß sei. Von daher habe sie das Vorgehen geärgert. Sie habe sich mehr Fairness gewünscht. „Man kennt sich. Die Frau habe ich schon als kleines Mädchen gekannt.“ Jedenfalls hat sie vor ihrem Laden nun eine Klapptafel aufgestellt mit dem Hinweis, dass es auch bei ihr Pizza gibt. Ihre Flaschen kennzeichnet sie seit Neuestem und nimmt nur noch gekennzeichnetes Leergut an. „Ich habe auch Möglichkeiten, mich zu wehren.“ Jeden Morgen ab kurz vor sechs Uhr ist die Eigentümerin in ihrem Laden. Bis mittags hat sie an allen Tagen geöffnet, hinzu kommen drei geöffnete Nachmittage. „Ich muss nicht arbeiten“, sagt sie über ihre Haltung. „Ich darf arbeiten.“ Wer im fortgeschrittenen Alter nur zu Hause sei, baue schnell ab. Dennoch wünscht sich die Seniorin mehr Zeit für sich. „Ich bin am Limit, was ich leisten kann.“ Mildenberger macht sich Gedanken, wie ihr Laden weiter bestehen soll. Mit Unterstützung aus ihrer Familie will sie das Fortbestehen schaffen. Die Automaten hätten bewirkt, dass sie den Kontakt zur Dorfladenkette Tante M, der seit vielen Monaten besteht, intensiviert und die Gespräche vorangetrieben habe. Vor diesem Hintergrund betrachte sie die Automaten mit dem, was sich bei ihr im Laufe der Jahrzehnte eingestellt habe: mit Gelassenheit.

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Erstellt:
13. Juni 2023, 11:30 Uhr

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