In sieben Tagen mit dem Rad nach Vanosc

Cance Sport Handisport und Mitglieder des RSV Waldrems starten im Backnanger Annonaygarten ihre 800-Kilometer-Tour

800 Kilometer mit dem Rad haben sie sich vorgenommen: Neun Mitglieder von Cance Sport Handisport (CaSH) aus Vanosc bei Annonay. Die Strecke nach Hause wollen sie in sieben Tagen schaffen. Start war gestern im Backnanger Annonaygarten. Begleitet werden die Radsportler mit und ohne Behinderungen ein stückweit von zwei Vertretern des Radsportvereins (RSV) Waldrems.

Sie haben eine anstrengende, aber auch landschaftlich reizvolle Tour vor sich: Freizeitsportler aus Vanosc bei Annonay und aus Backnang. Zwei Begleitautos sind ebenfalls dabei.Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Sie haben eine anstrengende, aber auch landschaftlich reizvolle Tour vor sich: Freizeitsportler aus Vanosc bei Annonay und aus Backnang. Zwei Begleitautos sind ebenfalls dabei.Foto: A. Becher

Von Ingrid Knack

BACKNANG. Die Spielgeräte im Annonaygarten warten zu früher sonntäglicher Stunde noch auf die Kinder, es ist kaum ein Mensch zu sehen – nur bei der Partnerschaftsstele steht eine Gruppe von Leuten. Die meisten davon im Radlerdress. Vertreter des Partnerschaftskomitees Backnang-Annonay und des Radsportvereins Waldrems machen den Freizeitsportlern zudem ihre Aufwartung, die sich ein Mammutprojekt vorgenommen haben: In sieben Tagen mit dem Rad nach Vanosc bei Backnangs französischer Partnerstadt Annonay.

Besondere Aufmerksamkeit genießt Christophe Chazot mit seinem Liegerad. Chazot ist Präsident des im Februar 2009 ins Leben gerufenen Vereins Cance Sport Handisport. Er ist querschnittsgelähmt. Im Vorstand des Vereins steht der nicht behinderte Mountainbiker Pascal Desmartin Chazot zur Seite, Desmartin ist bei dieser Tour aber nicht dabei.

Auf ebener Strecke fahre er etwa 25 Stundenkilometer, wenn’s bergab gehe, bringe er es durchaus auf Tempo 50 oder 60, gibt Chazot Auskunft. An seinem Rad sind orangefarbene und grüne Fähnchen befestigt, damit man ihn nicht übersieht. Oft fahre er alleine mit seinem Rad, erzählt der Franzose. Seit zehn Jahren betreibe er diesen Sport. Selbst bei Meisterschaften macht Chazot mit.

Für ihre Touren, die sie als „Raid handi – valide“ (Rallye für Behinderte und Gesunde) bezeichnen, wie ein Banner im Annonaygarten zeigt, gewinnen die Vereinsmitglieder Sponsoren. Meist sind dies Unternehmer aus der Region Annonay.

Die Räder für die Sportler mit Handicap werden individuell gefertigt, die Konstruktion wird stets an die jeweiligen Bedürfnisse der Fahrer angepasst.

Der Verein ist außerdem interessiert daran, Gelder für soziale Zwecke aufzutreiben. Der Erlös kommt dann beispielsweise schwerstkranken, in einer Klinik stationär behandelten Kindern zugute. Diesen möchten die Radtouristiker aus Frankreich einen Herzenswunsch erfüllen. Auch finanzierte Cance Sport Handisport etwa einem querschnittsgelähmten Jungen ein Liegerad, weiß Günter Erb vom RSV Waldrems. Günter Erb und seine Frau Waldtraud hatten die Gäste aus Frankreich am Freitag vom Hotel abgeholt und zuhause bei sich verköstigt.

Mit der Wahl der Rallye-Strecke von Backnang nach Vanosc soll nicht zuletzt ein Zeichen für die deutsch-französische Freundschaft gesetzt werden, wie Kultur- und Sportamtsleiter Martin Schick vor dem Start ausführt, als die vom Stadtturm herüberklingende Europahymne der Turmbläser vorbei ist. „Es erfüllt die Städtepartnerschaft immer mit Leben, wenn es Kontakte und Begegnungen wie diese im Bereich des Sports gibt. Und es freut mich, dass der RSV Waldrems sich hier um unsere französischen Gäste gekümmert hat und sie gleich auch noch ein Stück ihres Weges begleiten wird.“

Freundliche Verbindung

zwischen den Menschen

in Frankreich und Deutschland

Freilich setze diese Tour auch ein „wunderbares Zeichen für ein bewusst gelebtes Miteinander von Leuten mit und ohne Handicap“, so Schick. „Vieles ist möglich, wenn man es will.“ Ferner seien derlei Aktionen nachhaltig. Die Gruppe unternehme Touren dieser Art schließlich seit vielen Jahren. „Und es wird auch nicht die letzte sein.“ In diesem Jahr, in dem sich das Ende des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal jähre, zeige die Rallye zwischen einer deutschen und einer französischen Stadt, wie wichtig und lebendig die freundliche Verbindung zwischen den Menschen und zwischen unseren Völkern sei. Von den Franzosen erhält Schick noch ein paar Flaschen Wein überreicht, dann steht der Startschuss für die außergewöhnliche Tour an. Dazu verwendet der Kultur- und Sportamtsleiter eine Holzklappe, die mit den Farben der beiden Länder geschmückt ist.

Die neun Franzosen und die beiden Vertreter des RSV Waldrems, Helga und Klaus Becker, sind bereits nur noch von Weitem zu sehen, da schwingt sich auch Martin Schick aufs Rad und fährt ihnen nach, um sie durch Backnang ein Stück des Weges zu begleiten.

An diesem Tag ist der Plan, rund 110 Kilometer zurückzulegen. Jeden Tag sitzen übrigens andere Sportler in den beiden Begleitautos – dass keiner beim Radeln zu kurz kommt. Die gesamte Strecke führt durch die Schweiz nach Frankreich, dann geht es entlang der Rhône, Ziel ist Vanosc im Departement Ardèche.

Dass die Freizeitsportler das mühelos schaffen, daran besteht kein Zweifel. Jedes Jahr fahren die Mitglieder von Cance Sport Handisport eine andere Tour. 2013 ging es von der Loire-Mündung bis zur Quelle des Flusses und 2015 von Barcelona nach Vanosc. Dominique Wojylac kommentiert das Gespräch über die Länge solcher Touren mit einem Lächeln. Schon drei Mal war er bei einer Mammut-Tour dabei. Die längste erstreckte sich über 1200 Kilometer.

Zum Artikel

Erstellt:
4. Juni 2018, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen