Industrie 4.0 zum Anfassen und Lernen

Gewerbliche Schule weiht E-Tankstelle, Lernfabrik und Schweißerei ein – Ganzheitliches Lernen, berufsübergreifend und praxisnah

Mit praxisnahem Unterricht auf den Alltag und die Arbeitswelt vorbereiten – das wird an der Gewerblichen Schule Backnang großgeschrieben. Ein wichtiger Schritt in die Zukunft wurde nun offiziell: Am Freitagnachmittag fand die Einweihung der Lernfabrik 4.0, der Schweißerei und der E-Tankstelle statt.

Die Schüler können individualisierte Kugelschreiber mit Touch-Pen-Spitze produzieren.

Die Schüler können individualisierte Kugelschreiber mit Touch-Pen-Spitze produzieren.

Von Silke Latzel

BACKNANG. Das Eröffnungsband wurde von Landrat Dr. Richard Sigel und Staatssekretär Wilfried Klenk dann doch ganz klassisch und von Hand durchgeschnitten – auch wenn das große Thema des Freitagnachmittags die Industrie 4.0 und damit auch die Automatisierung war. „Unsere Aufgabe ist es, die jungen Menschen hier auf die berufliche Welt vorzubereiten, sie vorzubereiten und gut auszubilden. Mit der Lernfabrik 4.0, der Schweißerei und der E-Tankstelle geben wir ihnen das Wissen mit, das in den Unternehmen in Zukunft dringend gebraucht wird“, sagte Schulleiterin Dr. Isolde Fleuchaus sichtlich stolz.

Die E-Tankstelle entstand vor knapp zwei Wochen innerhalb weniger Tage in Zusammenarbeit mit der Robert-Mayer-Schule Stuttgart (wir berichteten), während die Schweißerei an der Schule schon vorhanden war, aber eine dringende Generalüberholung benötigte. Jetzt ist sie saniert, instand gesetzt und in modernen, hellen Räumen untergebracht. Auch die hohen Sicherheitsstandards entsprechen den neuesten Verordnungen. Rund 350 Schüler aus verschiedenen Klassen lernen hier in 200 Unterrichtsstunden pro Jahr nicht nur das Schweißen, sondern auch Schmieden und Hartlöten. Darüber hinaus werden Schweißlehrgänge und Schulungen vom Deutschen Verband für Schweißen und verwandte Verfahren (DVS) angeboten. Mitarbeiter von Firmen im Umkreis können hier Schweißer-Zertifikate erwerben.

Im Mittelpunkt der Eröffnung standen die Lernfabrik 4.0 und der dazugehörige Showroom. An realen Produkten, die die Schüler in einer Übungsfirma selbst konzipieren, entwickeln und teilweise sogar produzieren können, lernen sie, was Industrie 4.0 in der Praxis bedeutet – und „sind damit einigen mittelständischen Firmen schon weit voraus“, so Volker Sieber, Entwicklungsleiter der Firma Schnaithmann, mit deren Hilfe die Produktionsanlage umgesetzt und, gemeinsam mit Techniker-Schülern, aufgebaut wurde. Produziert werden können mit der Anlage individualisierte Kugelschreiber mit Touch-Pen-Spitze. Ein Laser graviert den Schaft der Stifte ganz nach Wunsch – egal, ob etwa mit einem Firmennamen oder einem Werbeslogan. Schaft, Griffstück und Deckel des Stiftes werden an der gewerblichen Schule selbst produziert, der Stift am Ende von einem Schüler zusammengesetzt. Auch die Farbe der Mine ist frei wählbar. Dass die Anlage funktioniert, wurde bei der Einweihung auch gleich gezeigt: Sigel und Klenk bekamen personalisierte Stifte geschenkt.

Für die Zukunft stehen noch große Pläne auf der Agenda der gewerblichen Schule. So soll beispielsweise ein Webshop installiert und die Lernfabrik ans Netz angebunden werden. Auch wird sie sich, wenn alles klappt, autark versorgen. Das ist über die auf dem Dach der E-Tankstelle angebrachte Fotovoltaik-Anlage geplant.

Die E-Tankstelle, die Schweißerei und die Lernfabrik sollen vor allem das ganzheitliche Lernen in der Praxis vorantreiben, berufsübergreifend Know-how stärken und alltägliche Berührungspunkte für die Schüler schaffen. „Solche Projekte sind wichtig, weil die jungen Menschen hier direkt begreifen, was Industrie 4.0 bedeutet“, sagte Sieber. Er wisse um die Probleme der mittelständischen Firmen, die, was das Thema Digitalisierung angeht, den Auszubildenden und Schülern oftmals hinterherhinken. „Es ist essenziell, dass sich auch die Firmen hierher trauen, und sich das Projekt zeigen lassen, es anfassen und so etwas mitnehmen können in den beruflichen Alltag.“ Generell fordere er von Unternehmern mehr Mut. „Hier an der gewerblichen Schule sehen Sie, wie man Ideen umsetzt und tüftelt. Und das ist heutzutage sehr, sehr wichtig.“

Die Lernfabrik 4.0 soll in Zukunft noch weiter digitalisiert werden. Fotos: C. Riekert

Die Lernfabrik 4.0 soll in Zukunft noch weiter digitalisiert werden. Fotos: C. Riekert

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Erstellt:
19. Juni 2018, 06:00 Uhr

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