Bürgerkriegsland
Rebellen in Syrien rücken auf strategische Stadt Homs vor
Die Rebellenallianz Haiat Tahrir al-Scham setzt ihre Offensive gegen Machthaber Baschar al-Assad rasant fort. Wird die Regierung den Knotenpunkt Homs im zentralen Westen halten können?
Von dpa
Damaskus - Nach der Blitzoffensive der islamistischen Rebellenallianz in Syrien droht Machthaber Baschar al-Assad eine entscheidende Schlacht um die strategisch wichtige Stadt Homs. Syrische Regierungstruppen hätten sich bereits aus der Millionenmetropole zurückgezogen, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die mit einem Netz aus Informanten das Kriegsgeschehen im Land verfolgt. Regierungstreue Milizen seien jedoch weiterhin in der drittgrößten Stadt Syriens stationiert.
Der Konflikt in Syrien begann 2011 mit Protesten gegen die Regierung Assads. Sicherheitskräfte gingen dagegen mit Gewalt vor. Alles mündete in einen Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung, in dem Russland, der Iran, die Türkei und die USA eigene Interessen verfolgen. Rund 14 Millionen Menschen wurden vertrieben. Nach UN-Schätzungen kamen bisher mehr als 300.000 Zivilisten ums Leben. Eine politische Lösung ist seit Jahren nicht in Sicht.
Am 27. November flammte der Bürgerkrieg mit der Offensive der Islamisten-Allianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) plötzlich wieder auf. In kürzester Zeit nahm die Gruppe viel Gebiet teils kampflos ein. Am vergangenen Sonntag fiel die zweitgrößte syrische Stadt Aleppo, das Wirtschaftszentrum im Norden, unter ihre Kontrolle. Das Bündnis unter Anführer Abu Mohammed al-Dschulani, der erst Anfang 40 ist, plant den Sturz der syrischen Regierung.
Nördliches Umland in Hand der Rebellen
Der Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien zufolge hatten die Rebellen zuvor bereits die Kontrolle über das nördliche Umland von Homs übernommen. Die Rebellen seien bis auf fünf Kilometer aus nördlicher Richtung an die Stadt herangerückt. Die Orte Talbiseh und Rastan, beide zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs Hochburgen der Oppositionskräfte, stehen demnach nun unter ihrer Kontrolle.
Homs ist ein Knotenpunkt zwischen der Hauptstadt Damaskus, den Küstenregionen und dem Norden des Landes. Die Großstadt mit ihren rund 1,5 Millionen Einwohnern war lange ein symbolischer Schauplatz des Widerstands im Bürgerkrieg. "Wer die Schlacht mit Homs gewinnt, wird Syrien regieren", sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel-Rahman, der Deutschen Presse-Agentur.
Nachbarländer Jordanien und Israel treffen Maßnahmen
Unterdessen hat Jordanien einen wichtigen Grenzübergang geschlossen. Das Innenministerium habe aufgrund der Sicherheitslage die Schließung der Dschaber-Grenzstelle im Norden des Landes angeordnet, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Petra. Es ist einer von nur zwei Grenzübergängen der Nachbarländer.
Israel schickte weitere Soldaten auf die annektierten Golanhöhen. Zusätzliche Luft- und Bodentruppen würden dort entlang der Grenze zu Syrien stationiert, teilte das israelische Militär mit. Israel Armee werde "keine Bedrohungen in der Nähe der israelischen Grenze tolerieren", hieß es in einer Mitteilung weiter.
Israel stellt sich Medien zufolge auch auf einen möglichen Kollaps der syrischen Armee ein. Die israelische Zeitung "Haaretz" meldete, Israel bereite sich auch auf die Möglichkeit eines Überraschungsangriffs aus der syrischen Grenzregion heraus vor.
Im Sechstagekrieg 1967 wurden die Golanhöhen, ein strategisch wichtiges Felsplateau, von Israel erobert und 1981 annektiert. International wird dies nicht anerkannt. Nach internationalem Recht gelten die Gebiete als von Israel besetztes Territorium Syriens.
Bundesregierung verfolgt Lage genau
"Die Bundesregierung verfolgt die sich rasch verändernde Lage in Syrien genau", sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums der Deutschen Presse-Agentur. Ob sich aus dieser Lage Fluchtbewegungen in der Region oder aus der Region hinaus ergäben, sei zur Zeit ebenso wenig vorhersehbar wie mögliche Auswirkungen auf die Möglichkeiten von syrischen Flüchtlingen zur Rückkehr in ihre Heimat.
Nach dem Tod von zwei Journalisten in Syrien fordert die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) eine unabhängige Untersuchung. Die gezielte Tötung von Medienschaffenden sei ein Kriegsverbrechen, erklärte RSF. "Kriegsberichterstatter sind unter allen Medienschaffenden diejenigen, die am stärksten gefährdet sind", sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus.
Am Mittwoch war der preisgekrönte dpa-Fotograf Anas Alkharboutli bei einem mutmaßlich von der syrisch-russischen Militärallianz ausgeführten Luftangriff getötet worden. Der 32-Jährige hatte in den vergangenen Tagen über den Vorstoß der Rebellenallianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) berichtet.
Vier Tage zuvor wurde laut RSF der Korrespondent des türkischen Staatssenders TRT, Mustafa al-Kurdi, erschossen. Nach RSF-Informationen eröffneten regierungstreue Soldaten in Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens, das Feuer auf ein Auto, in dem der Reporter saß.
Kurden-Streitkräfte kontrollieren wichtige syrische Stadt
Die von Kurdenmilizen angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) haben Aktivisten zufolge eine strategisch wichtige Stadt in Ostsyrien unter ihre Kontrolle gebracht. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte, nahmen die SDF Dair as-Saur am Freitag ein. Regierungstruppen hatten sich demnach zuvor zurückgezogen. Die Stadt, früher Hochburg der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen Syrien und dem Irak. Im Jahr 2017 wurde sie von der syrischen Armee mit Unterstützung Russlands zurückerobert.