„Jedes Insekt zählt!“
Der Naturschutzbund ruft mit dem Projekt Insektensommer zur bundesweiten Zählung und zum Schutz von Insekten auf
Kleine Tiere, große Auswirkungen: Insekten sind für unser Ökosystem unverzichtbar, trotzdem gehen die Bestände zurück. Der Naturschutzbund sagt dem Insektenschwund unter dem Motto „Zählen, was zählt“ nun den Kampf an.

© Helge May
Das Grüne Heupferd ist aufgrund seiner Farbe im Wald bestens getarnt – trotzdem hält es seine Augen stets nach möglichen Angreifern offen. Fotos: Naturschutzbund/H. May
Von Philip Kearney
BACKNANG. Wer im Sommer schon einmal über eine Streuobstwiese gelaufen ist, den erinnert das dort überwiegend herrschende Geräusch von summenden Bienen vielleicht etwas an die Vuvuzelas von der Weltmeisterschaft 2010 zurück. Doch neben den laut herumschwirrenden Bienen, die im Gegensatz zu den Vuvuzelas einen wichtigen Nutzen haben, gibt es noch viele weitere Insekten, die sich in der Natur tummeln und ähnlich wichtige Aufgaben erfüllen. Insekten sind für unser Ökosystem unverzichtbar, da sie zur Vermehrung von Pflanzen und zur Fruchtbarkeit des Bodens beitragen. Trotz ihrer Wichtigkeit gehen die Bestände vieler Insektenarten Jahr für Jahr, aufgrund des Einsatzes von Pestiziden, der Ausräumung der Landwirtschaft und des vermehrten Umstiegs auf intensive Landwirtschaft, zurück.
Der Naturschutzbund reagierte mit dem Citizen-Science-Projekt „Insektensommer“ auf die Bestandsrückgänge. Mit ähnlichen Projekten, wie die „Stunde der Gartenvögel“ und die „Stunde der Wintervögel“, hatte man bereits positive Erfahrungen gemacht. Unter dem Motto „Zählen, was zählt“ waren Naturfans bereits im Juni und Anfang August dazu aufgerufen worden, an der ersten bundesweiten Zählung von Insekten teilzunehmen. „Ziel des Insektensommers ist es, auf die enorme Bedeutung der Insekten aufmerksam zu machen und für den Schutz dieser Tiergruppe zu sensibilisieren“, so der Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Um an der Aktion selbst teilzunehmen, benötigt man lediglich eine Fläche, die vom Standpunkt aus optimalerweise in jede Richtung zehn Meter Länge aufweist. Ist man bei der Suche nach einem solchen Platz fündig geworden, so hat man eine Stunde Zeit, um die dortigen Insekten zu zählen sowie zu dokumentieren. Zur nötigen Ausstattung gehören eine Kamera, ein Bestimmungsbuch, eine Lupe sowie eine Zählhilfe, welche auf der Webseite des Naturschutzbundes heruntergeladen werden kann. „Der optimale Tag, um viele Insekten zu sehen, ist ein sonniger, warmer, trockener und windstiller Tag“, so die Nabu-Insektenexpertin Daniela Franzisi.
Die Ergebnisse der eigenen Zählung können über die Nabu-Webseite sowie über die Nabu-App Insektenwelt bis zum 19. August gemeldet werden. Wichtig ist, dass man nur die größte Anzahl an Insekten einer Art zählt, welche mit einem Blick erkennbar sind, um Dopplungen aufgrund von wiederkehrenden Insekten zu vermeiden.
Auch in Backnang hat der Insektensommer bei einigen Bürgern Anklang gefunden. Genaue Teilnehmerzahlen liegen dem Naturschutzbund Backnang allerdings nicht vor. Dessen Mitglied Klaus Dahl, der mit dem Naturkundemuseum Karlsruhe zusammenarbeitet, hat selber mit dem Projekt zwar nichts am Hut, wie er selbst sagt, und hat auch nicht am Projekt teilgenommen, jedoch kennt sich Dahl mit Insekten trotzdem bestens aus. Er verbringt regelmäßig viele Stunden damit, Insekten zu beobachten, und bezeichnet den Insektensommer daher auch als „Projekt für Laien“.
Den Garten insektenfreundlich
zu gestalten, ist gar nicht so schwer
Von den zirka 10000 Insektenarten, die in Backnang heimisch sind, haben es Dahl vor allem die verschiedenen Schmetterlingsarten angetan. Diese gehören laut Dahl auch zu den in der Backnanger Region am häufigsten auftretenden Insektenarten. Vor allem die in und um den Wald lebenden Schmetterlinge haben laut Dahl ihren Bestand erhöht. Einen dramatischen Bestandsverlust haben nach Beobachtungen Dahls die Libellen verzeichnet. „Mit Sicherheit“, so Dahl auf die Frage, ob es noch Wildbienen in Backnang gibt. Für diese werde schließlich sehr viel getan, so werden den Bienen beispielsweise Bienenhotels angeboten. Dahl wünscht sich, dass sich in Zukunft auch um andere Insektenarten ähnlich intensiv gekümmert wird, wie es bei den Bienen derzeit der Fall ist.
„Im Schnitt hat jeder Teilnehmer neun unterschiedliche Insektenarten für die Zählung im Juni erkannt“, so Franzisi über die Ergebnisse aus dem Juni. Für die Zählung im August rechne man momentan mit einer noch größeren Zahl. „Der Hauptbeobachtungsort für die Menschen ist der eigene Garten oder der Balkon“, sagt die Nabu-Insektenexpertin. Das am häufigsten gemeldete Tier im Juni sei die Steinhummel gewesen. Die meisten Insekten wurden erwartungsgemäß am Teich entdeckt. Bei diesem ist allerdings auch die Umsetzung der Zählung am aufwendigsten. Besonders wenige Insekten waren auf dem Balkon zu finden, was jedoch laut Franzisi nicht überraschend ist.
Da es sich um die erste bundesweite Zählung handelt, gibt es noch keinen Vergleichswert, um die Arten mit dem stärksten Bestandsschwund ausfindig zu machen. Glaubt man aktuellen Studien, so sind vor allem der Tagfalter und mehr als die Hälfte aller Bienenarten am stärksten betroffen. Zwar besteht die Möglichkeit, bedrohte Insektenarten zu züchten, allerdings ist dies äußerst zeitaufwendig und komplex.
Um seinen Garten insektenfreundlicher zu gestalten, rät die Insektenexpertin: Holz und Äste liegen lassen, da diese als Wohnraum und Nahrungsquelle dienen. Auf eine möglichst große Vielfalt an heimischen Pflanzen achten und eine Ecke des Gartens verwildern lassen. Ein Insektenhotel in einer Höhe von etwa 1,50 Meter an einem sonnigen und regengeschützten Ort anbringen. Auf keinen Fall Insektizide, Pestizide oder chemische Düngemittel verwenden. „Es gibt sehr viel positives Feedback der Menschen per Mail und Post“, so die Insektenexpertin über die Resonanz des Projekts. Franzisi freut sich, dass sie bei vielen Menschen die Neugier geweckt hat, ihre „grünen Untermieter“ auf dem Balkon und in der Umgebung kennenzulernen. 3000 Meldungen sind allein im Juni eingegangen. Dass macht in etwa 7000 Menschen, die bereits im Juni am Projekt teilgenommen haben. „Ein toller Start“, lobt Franzisi. Von diesem Jahr an plant der Nabu, den Insektensommer jährlich durchzuführen, um die genauen Veränderungen der Insektenarten über einen längeren Zeitraum herauszufinden.

© Helge May
Die Streifenwanze saugt den Pflanzensaft aus.