Kaffeebohnen in Backnang von der Rösterei nebenan
Cindy Schubert betreibt das Café Explorer in Backnang. Dort lässt sich nicht nur wunderbar speisen, sondern auch Kaffee kaufen, geröstet von ihrem Mann Christoph Schubert. Die Rösterei in Winnenden-Höfen ist eine von rund 1300 in Deutschland.
Von Katharina Lehle
Backnang/Winnenden. Woher kommt eigentlich der Kaffee des Cafés Explorer in Backnang? Unter anderem aus Mexiko, Brasilien und Kolumbien. Das Besondere ist dabei, dass die Bohnen nur etwa zehn Kilometer weit entfernt geröstet werden, und zwar in Winnenden-Höfen. Zwischen einem Fahrzeugbauer und einer Kfz-Meisterwerkstatt versteckt sich die Rösterei von Cindy und Christoph Schubert – eine von rund 1300 deutschlandweit. „Viele Backnanger sehen uns allerdings nicht als Rösterei, sondern als Gastronomie“, sagt Christoph Schubert und öffnet die schwere Tür zu seiner Welt aus Laborküche samt Röstmaschine, Entsteinungs- und Verpackungsmaschine, loungiger Büroecke mit Kaffeefachliteratur und jutesäckeweise gelagerten grün bis gelblich gefärbten Rohbohnen aus vielen Teilen der Erde, deren leicht süßlicher Geruch in der Luft liegt.
500 Kilogramm Kaffeebohnen pro Monat in Backnang
Als Beleg dafür, in Backnang noch nicht als Röster wahrgenommen zu werden, zieht Christoph Schubert die verkauften Kaffeebohnen pro Monat heran: 500 Kilogramm sind es in Backnang; dieselbe Menge wird in Winnenden abgesetzt, und das, obwohl der Laden in Winnenden wesentlich kleiner ist. „Dass wir selbst herstellen, ist an dem größeren Standort leider noch nicht angekommen“, so Schubert. Dabei könne man sich die Bohnen sogar – ähnlich wie in einem Unverpacktladen – in ein mitgebrachtes Gefäß abfüllen lassen.
Während seine Frau und Inhaberin Cindy Schubert die Stellung im Café Explorer in Backnang hält – Kuchen backt, die Buchhaltung stemmt, ebenso wie Service und Verkauf –, ist es Christoph Schubert, der sich in Winnenden Tag für Tag um den Nachschub für Café Crema und Co. kümmert – nebenberuflich. Alle vier Wochen erhält er drei, vier Tonnen Rohbohnen.
Preise für die Rohbohnen sind gestiegen
Doch seit Corona ist das Geschäft mit der kleinen aromatischen, fermentierten Frucht – die nach Rohöl das zweitgrößte Handelsgut der Welt ist – ein schwieriges. „Der Rohkaffeepreis ist je nach Herkunftsland zwischen 50 und 180 Prozent gestiegen. Zusätzlich kommt noch die Preissteigerung des erschwerten Seewegs hinzu“, berichtet Schubert. Das führt unweigerlich dazu, dass Kaffeemanufakturen wie die der Schuberts die Preise anheben müssen. Eine Erhöhung in seinen Cafés in Backnang und Winnenden, in denen insgesamt zehn Angestellte beschäftigt werden, ist für Mai vorgesehen.
„Leute, die Wert auf guten Kaffee legen, werden das mittragen“, ist sich der 55-Jährige sicher. „Zu 90 Prozent ist diese Qualität in der Rohbohne begründet“, so der Fachmann. Unglaubliche eine Million Aromakammern befinden sich in diesem winzigen Stück Natur. Das Wort, das nach Rohbohne im Gespräch mit dem deutschen Röstmeister von 2009 am häufigsten fällt, ist Ursprung. Damit meint er den Boden, in dem die Pflanzen gedeihen, und die Menschen, die die aufwendige, handverlesene Ernte auf sich nehmen. In den letzten 20 Jahren hat er einige Reisen in die Kaffeeursprünge unternommen und mit den Erzeugern unter anderem über Qualität, Anbau und Aufbereitungsarten gesprochen. Ein Weg, neue Sorten kennenzulernen, ist, Proben von Direktvermarktern anzufordern, die im Laborröster probiert und bewertet werden. Bis zu 36 verschiedene Sorten Kaffee hat die Rösterei zu bieten, die meisten davon bestehen aus sortenreinen Arabica-Bohnen.
Zum Röster wurde Christoph Schubert über einen netten Umweg: In jungen Jahren absolvierte er eine Ausbildung zum Verpackungsmaschinenbauer und wurde zum Spezialisten für die Umhüllung von Kaffee – bis heute sein Hauptgeschäft. Später begegnete er Leopold J. Edelbauer, Professor für Ernährungswissenschaften und erster Kaffeesommelier Österreichs. Von ihm lernte er recht schnell, wie man sich den verborgenen Geschmack der Bohnen erschließt. „Ich hatte Blut geleckt“, sagt Schubert und berichtet vom Kauf seiner ersten Röstmaschine (Fassungsvermögen: fünf Kilogramm), der zweiten (mit 22 Kilogramm) und schließlich musste die große 60 Kilogramm fassende Apparatur her.
Die Bohnen rösten bei 216 Grad
Verbunden mit einem Computer steuert sie den bis zu 20-minütigen, kontrollierten Verbrennungsvorgang automatisch, auf Grundlage von vom Fachmann einprogrammierten Daten. Bei 216 Grad werden so 45 Kilogramm blasse Rohbohnen in duftende, braune Bohnen verwandelt. Nach dem Wasserentzug wiegen diese noch 36 Kilogramm. Zum Vergleich: Industrielle Röstereien rösten ganze zwei Tonnen in nur drei Minuten. Die Bohnen kühlen dort zudem nicht an der Luft in einer Trommel ab, sondern mit Wasser, das die Bohnen dadurch aufnehmen.
„Kaffee enthält 800 Aromen, doppelt so viele wie Wein“, erklärt Schubert und fügt hinzu: „Wir haben es schwerer als Wein- oder Biersommeliers, weil Kaffee ein nicht trinkfertiges Getränk ist.“ Den letzten Schritt, um die Aromen zu erschließen, muss jeder selbst gehen, und dabei kann einiges verfälschen, etwa der Mahlgrad, die Menge des Kaffeepulvers oder der Kalkanteil im Wasser. Seinen eigenen Kaffee brüht sich der Experte übrigens am liebsten mit der Filtermaschine auf.
Röstvorführung Einen Exkurs in seine Welt und die geschmackliche Vielfalt von Kaffee gibt Christoph Schubert am Samstag, 29. Juni, bei einer Röstvorführung mit einer brasilianischen Kaffeeverkostung. Eine Anmeldung ist unter der Telefonnummer 07191/9136340 erforderlich.