Kann Nuvaxovid die Impflücke schließen?

Von diesem Samstag an ist im Landkreis ein weiterer Impfstoff verfügbar: der proteinbasierte Impfstoff Nuvaxovid des US-Herstellers Novavax. Die ersten Lieferungen sind bereits gestern im Kreis eingetroffen. Die Hausärzte sollen Nuvaxovid ab kommender Woche verimpfen können.

6000 Dosen des Impfstoffs von Novavax sind dem Rems-Murr-Kreis vom Land zugesichert worden. Foto: Adobe Stock/vladim_ka

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6000 Dosen des Impfstoffs von Novavax sind dem Rems-Murr-Kreis vom Land zugesichert worden. Foto: Adobe Stock/vladim_ka

Von Melanie Maier

Rems-Murr. Obwohl die Omikron-Welle im Rems-Murr-Kreis erst langsam abflacht, ist die Nachfrage nach Coronaimpfungen so niedrig wie nie. In den vergangenen vier Wochen habe er zum ersten Mal Impfstoff in größerer Menge entsorgen müssen, sagt Jens Steinat. Das Problem ist verbreitet. Doch dass die ins Stocken geratene Impfkampagne mit dem Impfstoff Nuvaxovid des US-Herstellers Novavax wieder an Fahrt aufnimmt, das erwartet der Pandemiebeauftragte der Kreisärzteschaften im Rems-Murr-Kreis nicht. „Die Nachfrage ist verhalten“, weiß Steinat. In seiner Hausarztpraxis in Oppenweiler haben sich bisher erst drei oder vier Patienten nach dem Impfstoff erkundigt. Dort wird er ab kommender Woche angeboten werden, neben den bereits verfügbaren Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna.

Weil Nuvaxovid auf einem klassischeren Verfahren beruht als die anderen Impfstoffe (siehe Infokasten), geht mit der Einführung die Hoffnung einher, dass sich nun auch Menschen impfen lassen, die Vorbehalte gegen mRNA- und Vektorimpfstoffe haben. Auch in Bezug auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die vom 16. März an gelten wird, biete der Impfstoff die Möglichkeit, bislang ungeimpften Personen im Gesundheitswesen ein weiteres Impfangebot zu machen, sagt der für die Kreisimpfkampagne zuständige Dezernent Gerd Holzwarth. Ob dieses auch angenommen wird, muss sich aber erst herausstellen. „Wir haben keine Kenntnisse darüber, ob sich bisher ungeimpfte Personen mit Novavax impfen lassen, obwohl wir deutlich auf diese Möglichkeit hingewiesen haben“, lässt etwa Wolfgang Sartorius, geschäftsführender Vorstand der Pflegeeinrichtung Erlacher Höhe in Großerlach, wissen.

Nuvaxovid ist bereits seit Dezember in der Europäischen Union zugelassen. Doch erst jetzt wird er flächendeckend in Deutschland ausgeliefert. Über den Bund wird er an die Länder und von dort weiter an die Landkreise verteilt. Baden-Württemberg hat vorerst 192000 Impfdosen zugesprochen bekommen. Der Rems-Murr-Kreis hat seine 6000 Dosen gestern erhalten. Die Hälfte davon wird für die Zweitimpfungen zurückgehalten, die nach drei Wochen fällig werden. Die übrigen 3000 Dosen werden laut Landratsamt für Erstimpfungen genutzt: 1500 für Impfaktionen in Heimen und für den Impfstützpunkt in Winnenden. Weitere 1500 gehen an die Kreisärzteschaften und werden von dort an alle Impfstellen verteilt, die Kapazitäten haben.

Im Kreis werden rund 20 Hausarztpraxen von kommender Woche an das Novavax-Vakzin verimpfen. Das ist nach Ansicht des Pandemiebeauftragten Jens Steinat mehr als ausreichend für die vergleichsweise sehr geringe Menge an Impfstoff. Interessierte Hausärzte und Apotheker konnten sich im Vorfeld bei ihm per E-Mail anmelden, um bei den Lieferungen berücksichtigt zu werden. Über normale Lieferungswege ist das Vakzin bisher noch nicht erhältlich.

Dass manche explizit auf den neuen Impfstoff warten, kann Steinat nicht nachvollziehen. „Die anderen Impfstoffe sind hundertmillionenfach verimpft worden und erwiesenermaßen gut verträglich“, sagt er. „Wenn kein anderer Impfstoff als der von Novavax verfügbar wäre, würde ich mich sofort damit impfen lassen, gar keine Frage. Aber ich bin schon ein bisschen verblüfft darüber, dass manche lieber einen Impfstoff nehmen, der ganz neu zugelassen ist.“ Er geht deshalb davon aus, dass die Nachfrage „nicht exorbitant hoch“ sein wird.

Eine hohe Nachfrage gab es bereits bei Franz Wernet, Allgemeinmediziner in Sulzbach an der Murr. Über die Plattform Cosan des Landkreises hatte er schon Termine mit Nuvaxovid angeboten, weil er davon ausgegangen war, den Impfstoff am 21. Februar zu bekommen. In der Bestätigungs-E-Mail, die nach der Buchung verschickt wird, habe er aber darauf hingewiesen, dass man sich vor der Impfung nochmals auf seiner Homepage informieren solle, ob der Termin tatsächlich stattfinden könne, erklärt er. Die Impftermine, sagt Wernet, seien „weggegangen wie warme Semmeln“. Mehr als 150 Personen habe er absagen müssen, nur drei ließen sich statt mit Nuvaxovid mit „Janssen“ (Johnson&Johnson) impfen. Fast alle Interessierten sind nach seiner Einschätzung Personen, die von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen sind.

Dass Novavax die Impflücke schließen kann, glaubt der Hausarzt aber auch nicht: „Ich schätze, dass sich 20 Prozent der Bevölkerung nicht impfen lassen werden.“ Jens Steinat geht ebenfalls davon aus, dass sich „nur ein Bruchteil derjenigen, die sich noch nicht impfen lassen haben, für den neuen Impfstoff entscheidet“. Landesgesundheitsminister Manfred Lucha hofft dennoch darauf, „dass der Impfstoff viele skeptische Menschen noch überzeugen kann, sich impfen zu lassen“. Denn je kleiner die Impflücke ist, desto größer ist die Chance darauf, nicht noch einen einschneidenden Coronawinter erleben zu müssen.

Ab sofort können Termine für Impfungen mit Novavax und allen anderen verfügbaren Impfstoffen in den Impfstützpunkten in Winnenden, Backnang, Welzheim und Murrhardt sowie an einigen weiteren Impfstellen gebucht werden – zentral über das kreisweite Buchungsportal für Impftermine unter www.rems-murr-kreis.de/kiz.

So unterscheiden sich die im Rems-Murr-Kreis verfügbaren Impfstoffe voneinander

Biontech/Pfizer und Moderna werden beide gentechnisch hergestellt. „Comirnaty“ (Biontech) und „Spikevax“ (Moderna) sind mRNA-Impfstoffe (mRNA steht für „messenger Ribonukleinsäure“, eine Art Bauplan für jedes Eiweiß des Körpers). Geimpft wird die mRNA, also der Bauplan, für das Spike-Protein auf der Außenhülle des Virus. Das Protein wird von den Muskelzellen um die Impfstelle vermehrt, woraufhin das Immunsystem Antikörper sowie Abwehrzellen bildet. Bei einer Infektion mit dem Coronavirus erkennt der Körper das Spike-Protein wieder und wehrt es ab. Die im Impfstoff enthaltene mRNA baut der Körper innerhalb weniger Tage ab. Sie gelangt nicht in das menschliche Erbgut, die DNA.

Johnson&Johnson und Astrazeneca haben sogenannte Vektorimpfstoffe produziert, die ebenfalls auf Gentechnik beruhen. Bei ihnen wird das Spike-Protein des Coronavirus in den Körper transportiert, und zwar mit der Hülle eines für den Menschen harmlosen Virus, das sich nicht vermehren kann. Dieses Vektorvirus wird im Körper nach kurzer Zeit wieder abgebaut. Der Impfstoff „Vaxzevria“ von Astrazeneca kommt aufgrund von fehlender Nachfrage nicht mehr in Deutschland zum Einsatz. „Janssen“ von Johnson& Johnson wird von der Stiko nur für Menschen ab 60 Jahren und ausschließlich für die Erstimpfung empfohlen.

Novavax hat einen proteinbasierten Impfstoff hergestellt. Das Vakzin „Nuvaxovid“ enthält aber keine abgetöteten Virusbestandteile, die direkt aus dem Coronavirus gewonnen werden, sondern gentechnisch hergestellte Virusproteine. Daher zählt es streng genommen nicht zu den Totimpfstoffen. Nach der Impfung bildet das Immunsystem Antikörper gegen das Protein, die eine Covid-19-Erkrankung abwehren. Die Stiko empfiehlt die Verwendung ab 18 Jahren.

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Erstellt:
3. März 2022, 06:00 Uhr

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