Justizvollzug in Baden-Württemberg
Kein Puffer mehr – Ausbau der Gefängnisse läuft auf Hochtouren
Die Gefängnisse in Baden-Württemberg platzen seit Jahren aus allen Nähten. Diverse Baumaßnahmen sollen Abhilfe schaffen. Bei den Nationalitäten der Gefangenen gibt es derweil Verschiebungen. Ein Überblick.

© /Vermögen und Bau Konstanz
Auf der Baustelle der künftigen JVA Rottweil geht es voran – hier ein Luftbild von Ende Januar.
Von Jürgen Bock
Es herrscht Gedränge hinter Gittern. Und das, obwohl in Baden-Württemberg auf den ersten Blick so einiges an Justizvollzugsanstalten (JVA) vorhanden ist. Derzeit gibt es 17 Gefängnisse mit 17 Außenstellen sowie ein Justizvollzugskrankenhaus und eine Sozialtherapeutische Anstalt. Im Dezember standen dort insgesamt 7705 Haftplätze zur Verfügung. Doch seit Jahren herrscht Vollbelegung.
Zum Jahresende waren im Land 6952 Gefangene und Sicherungsverwahrte untergebracht. Wer glaubt, damit bestehe noch ein Puffer, täuscht sich. „Der geschlossene Vollzug der Justizvollzugsanstalten ist aktuell zu rund 97 Prozent ausgelastet“, sagt Aniello Ambrosio, Sprecher des Justizministeriums. Bereits 90 Prozent gelten als Vollbelegung. „Jedoch war und ist der hiesige Justizvollzug aufnahmebereit“, betont Ambrosio. Es würden zusätzlich weitere Haftplätze „im Sinne einer Notbelegungsreserve“ vorgehalten.
Ausländeranteil steigt deutlich in den Justizvollzugsanstalten
Einer der Gründe für den Anstieg der vergangenen Jahre ist in der Zuwanderung zu finden. 2014 lag der Anteil der nichtdeutschen Gefangenen in Baden-Württemberg noch bei 37 Prozent. Zum bisher letzten Erfassungstag im vergangenen Frühjahr war er landesweit auf 51 Prozent gestiegen. In Stuttgart-Stammheim lag er aufgrund der zentralen Zuständigkeit für die Untersuchungshaft sogar bei 66 Prozent.
„Im Justizvollzug steigt die Zahl der ausländischen Gefangenen seit einigen Jahren. In der Untersuchungshaft ist der Anstieg besonders groß, weil die Fluchtgefahr bei Tatverdächtigen ohne deutschen Pass eher anzunehmen ist. Diese Entwicklung geht mit hohen Migrationszahlen einher“, sagt Marion Gentges (CDU), Ministerin der Justiz und für Migration. Auch deshalb sei es „dringend geboten, die insgesamt zu hohen Zugangszahlen zu senken“.
Der weitaus größte Anteil an Gefangenen hat nach wir vor einen deutschen Pass. Danach folgten im vergangenen Jahr Inhaftierte mit türkischer Nationalität (5,3 Prozent), Rumänien (3,9 Prozent), Algerien (3,5 Prozent) sowie Syrien (3,4 Prozent). „Bemerkenswert ist in jüngerer Vergangenheit ein Anstieg des Anteils von Staatsangehörigen aus Nordafrika“, sagt Ambrosio. Dort gab es zuletzt Zunahmen um teils über 50 Prozent. Insgesamt machten Gefangene aus Algerien, Marokko und Tunesien bei der letzten Erfassung 7,4 Prozent der Inhaftierten aus.
Angesichts der Entwicklung hat man im Land bereits 2018 beschlossen, mittelfristig 1000 zusätzliche Plätze im geschlossenen Vollzug zu schaffen. Die Umsetzung dieser Pläne geht einher mit Neubauten, Renovierungen, Zusammenlegungen und dem Aufgeben kleiner Außenstellen. Prominentestes Beispiel: Die durch die RAF-Prozesse bundesweit bekannte JVA Stuttgart-Stammheim. Das dortige Hochhaus hätte eigentlich längst verschwinden sollen. Stattdessen hat man es für über 20 Millionen Euro notdürftig saniert, um es trotz Neubauten auf dem Gelände noch einige Jahre nutzen zu können.
Das größte aktuelle Gefängnisprojekt kostet 280 Millionen Euro
Allein in Stammheim sitzen derzeit rund 900 Gefangene ein. Es laufen kleinere Baumaßnahmen, unter anderem eine umfangreiche Brandschutzsanierung des Verwaltungsgebäudes. Die nächste gewaltige Änderung ist bereits geplant: Das Justizvollzugskrankenhaus soll vom Hohenasperg nach Stammheim ziehen. „Die Maßnahme befindet sich noch in einer frühen Planungsphase. Ein konkreter Baubeginn ist derzeit noch nicht benennbar“, heißt es im für das Bauwesen zuständigen Finanzministerium. Das gelte auch für die Kosten.
Die immerhin stehen fest beim größten Gefängnisprojekt in Baden-Württemberg. Seit Juni 2023 entsteht bei Rottweil für 280 Millionen Euro eine nagelneue JVA. Es geht voran bei dem Projekt, das künftig 472 Haftplätze im geschlossenen und 30 Haftplätze im offenen Vollzug bieten soll. In den knapp zwei Jahren Bauzeit ist bereits einiges entstanden. Vor einem Jahr ist mit den Rohbauarbeiten für die Hafthäuser begonnen worden. Arbeiten am Pumpwerk, der Energiezentrale und der Außenmauer laufen.
„Die Erd- und Tiefbauarbeiten sind nahezu abgeschlossen “, heißt es bei den beiden beteiligten Ministerien. Inzwischen steht unmittelbar neben dem Gelände auch ein sogenannter Info-Point mit Aussichtsplattform, der sehr gut besucht werde. Man ist optimistisch, sowohl im Zeit- als auch im Kostenplan zu bleiben: „Es ist aktuell weiterhin von einer Inbetriebnahme des Neubaus im Jahr 2027 auszugehen“, sagt Ambrosio.
Zahlreiche Verlegungen nötig
Damit ist es aber nicht getan. Zusätzliche Haftplätze sind inzwischen insbesondere durch Modulbauten in den Justizvollzugsanstalten Heimsheim, Ravensburg und Schwäbisch Hall entstanden. Seit Herbst 2023 laufen in der JVA Schwäbisch Hall zudem umfangreiche Sanierungsarbeiten. Teils mussten dafür Gefangene verlegt werden.
„In der JVA Heilbronn steht eine Sanierung des Hauptgebäudes in mehreren Bauabschnitten kurz vor dem Baubeginn“, so Ambrosio. Auch dort gab es Verlegungen. In Ravensburg soll nach der Aufstockung eines Gebäudes ein weiteres Haus grundsaniert werden. Und in der für den Jugendstrafvollzug zuständigen JVA Adelsheim sollen in mehreren Abschnitten die alten Haftgebäude ersetzt werden. Ein Baubeginn steht aber noch nicht fest.
Es ist also viel los hinter den Mauern und Zäunen. Doch bei allem Platz, der geschaffen wird: Am liebsten wäre es wohl allen Beteiligten, wenn künftig auch deshalb hinter Gittern weniger Gedränge herrschen würde, weil die Zahl der Gefangenen zurückgeht.

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Im künftigen Rottweiler Großgefängnis stehen bereits Mauern, Zäune und Teile der Hafthäuser.

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Ein sogenannter Info Point dient seit vergangenem Sommer als Anlaufpunkt für zahlreiche Interessierte.

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Dort gibt es einen Blick auf die Baustelle und viele Informationen.