Deutsche Industrie
Keine Alternative zum Wandel
Thyssen-Krupp prüft offenbar eine wichtige Investition in grünen Stahl. Doch wenn es überleben will, hat es ohnehin keine Wahl.
Von Tobias Heimbach
Deutschlands Industrie-Ikonen haben schon bessere Zeiten gesehen: Ein Sparprogramm bei Volkswagen, Stellenabbau bei Bosch – und nun gibt es weitere schlechte Nachrichten von Thyssen-Krupp. Das Unternehmen ist seit Jahren in der Krise, nun steht offenbar eines der großen Zukunftsprojekte in Frage.
Das Unternehmen hatte geplant, in Duisburg CO2-freien, sogenannten „grünen“ Stahl zu produzieren. Statt Kohle wollte man zur Herstellung Wasserstoff verwenden. Drei Milliarden Euro sollte das kosten, zwei Milliarden dafür kommen vom Staat. Doch nun warnt Thyssen-Krupp vor Kostensteigerungen und erwägt laut internen Dokumenten, die Investition zu streichen.
Dass es wirklich dazu kommt, scheint fraglich. Denn Thyssen-Krupp müsste nicht nur 500 Millionen Euro Staatshilfen zurückzahlen, auch der bereits beauftragte Anlagenbauer pocht auf Zahlung des vollen Auftragswertes für die Fabrik. Man kann deshalb nicht ausschließen, dass die Gedankenspiele zur Projektabsage ein Manöver sind, um womöglich weitere Staatshilfen zu erhalten.
Denn das Unternehmen hat ohnehin keine echte Alternative zum Wandel. Entweder gelingt es ihm, auf klimaneutrale Herstellung umzusteigen – oder seine Standorte in Deutschland werden schließen. Das wäre schmerzhaft und sollte verhindert werden.
Allerdings passt der Fall nicht in die Erzählung vom industriellen Niedergang in Deutschland. Das Stahlgeschäft ist schwierig: konjunkturabhängig, kapitalintensiv und mit geringen Margen. Und Thyssen-Krupp ist seit Jahren ein Chaos-Unternehmen. Hier liegen vor allem die Gründe für die Schwierigkeiten.
Doch klar ist auch: Es wird in Zukunft Unternehmen geben, die grünen Stahl produzieren. Schon heute gibt es eine Nachfrage danach, etwa von Autobauern. Die Frage ist nur, ob diese Produzenten in Deutschland sitzen werden – und ob Thyssen-Krupp dazu gehören möchte. Das hat das Unternehmen nun in der Hand.