Kevin Dispan gewinnt die Stichwahl in Großerlach
Bei der Bürgermeisterwahl erhält der 30-Jährige 58,3 Prozent der Stimmen, Melih Göksu kommt auf 41,7 Prozent. Nach einem turbulenten Wahlkampf hoffen nun alle, dass in der Gemeinde wieder Ruhe einkehrt.
Von Kornelius Fritz
Großerlach. Diese Bürgermeisterwahl hat die Menschen in Großerlach bewegt: Das wurde auch gestern Abend noch einmal deutlich, als fast 200 Leute zur offiziellen Bekanntgabe des Wahlergebnisses in die Gemeindehalle strömten. Bevor der scheidende Bürgermeister Christoph Jäger die Zahlen von seinem Zettel verlas, hatte er allerdings noch ein Anliegen. Die vergangenen Wochen seien „emotional anstrengend“ gewesen und im Wahlkampf sei manches passiert, „was ich mir ehrlicherweise anders gewünscht hätte“, sagte Jäger. Doch nun, wo das Ergebnis vorliege, sei es die Pflicht aller guten Demokraten, dieses auch zu akzeptieren und den Sieger nach Kräften zu unterstützen.
Wer das sein würde, hatte sich bereits im ersten Wahlgang angedeutet, als Kevin Dispan mit 49,5 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit nur knapp verpasst hatte. Diesmal lag der 30-Jährige deutlich darüber: Genau 100 Stimmen konnte er im Vergleich zur ersten Wahl hinzugewinnen und kam auf insgesamt 710 Stimmen. Das entspricht einem Anteil von 58,3 Prozent. Aber auch Melih Göksu konnte zulegen, obwohl er zuletzt gar keinen Wahlkampf mehr geführt hatte. Er erhielt 507 Stimmen – 83 mehr als vor drei Wochen. Die Wahlbeteiligung war mit 58,4 Prozent fast identisch wie beim ersten Wahlgang (58,8).
Gemeinderäte mahnen zur Geschlossenheit
Wahlsieger Kevin Dispan zeigte sich glücklich über das Ergebnis und sprach von einem großen Vertrauensvorschuss: „Ich werde alles daran setzen, dieses Vertrauen zurückzuzahlen.“ Aber auch Melih Göksu wirkte keineswegs geknickt: „Ich bin positiv überrascht. Nachdem ich keinen Wahlkampf mehr gemacht habe, hätte ich nicht mit einem so guten Ergebnis gerechnet.“
Sein größtes Problem sei wohl seine Vergangenheit bei den Grünen gewesen, vermutet Göksu: „Ich hätte nicht gedacht, dass das so deutlich quittiert wird.“ Gut möglich, dass der 33-Jährige irgendwann noch einmal in einer anderen Gemeinde bei einer Bürgermeisterwahl antreten wird. Allerdings hat er es damit nicht eilig: „Ich werde mich nicht gleich in die nächste Kandidatur stürzen.“ Sein nächstes Ziel ist nun erst einmal die mündliche Prüfung zum Verwaltungsfachwirt, die im April ansteht.
Von Christoph Jäger bekamen beide Kandidaten eine Thermoskanne überreicht, auf der neben dem Großerlacher Wappen ein Spruch aufgedruckt ist, der perfekt zu dieser Wahl passt: „Cool bleiben, auch wenn’s heiß wird.“ Heiß hergegangen war es in den vergangenen Wochen in Großerlach tatsächlich. Im Ort machten diverse Gerüchte und Vorwürfe gegen beide Kandidaten die Runde (wir berichteten).
„Es waren unruhige Zeiten, die zu massiven Verwerfungen in der Bevölkerung geführt haben“, berichtet Hans Wohlfahrt, Vorsitzender der Fraktion Freie Wählervereinigung im Großerlacher Gemeinderat. Der Ruf der Gemeinde habe darunter gelitten. Deshalb sei es nun wichtig, wieder zu einer sachlichen Atmosphäre zurückzukehren, erklärte Wohlfahrt: „Ich erwarte von unserem neuen Bürgermeister, dass er das hinbekommt.“
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Ähnlich äußerte sich auch Markus Zick von der Unabhängigen Wählerliste Großerlach: „Mir liegt viel daran, dass wir jetzt wieder alle an einem Strang ziehen“, sagte der Fraktionssprecher. Zick war in den vergangenen Wochen selbst ins Kreuzfeuer geraten, weil er angeblich in Seniorenheimen Wahlkampf für Kevin Dispan gemacht habe. „Das ist eine Lüge“, beteuert der Gemeinderat. Er habe niemals für einen der beiden Bewerber öffentlich Position bezogen. Um sich gegen die Anschuldigungen zu wehren, hat er inzwischen einen Anwalt eingeschaltet und bei der Polizei Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.
Wahlsieger will auch seinen Kritikern die Hand reichen
Die beiden Kandidaten selbst haben sich an den Scharmützeln nicht beteiligt. Wahlsieger Kevin Dispan dankte in seiner ersten Stellungnahme nicht nur der Wählerschaft und seiner Familie, sondern ausdrücklich auch Melih Göksu. Schon zu Beginn des Wahlkampfs hätten sie sich beide vorgenommen, dass sie sich auch nach der Wahl noch in die Augen schauen wollen. „Ich bin stolz darauf, dass wir genau das geschafft haben“, sagte Dispan.
Als Bürgermeister hat der 30-Jährige nun das Ziel, „dass wieder Ruhe in der Gemeinde einkehrt.“ Dafür will Dispan, der im Großerlacher Ortsteil Liemersbach aufgewachsen ist, auch auf diejenigen zugehen, die ihn nicht unterstützt haben: „Ich hege gegen niemanden einen Groll und reiche jedem die Hand“, sagte er nach seiner Wahl.
Wann der neue Bürgermeister sein Amt antreten wird, steht noch nicht fest. Dies will Kevin Dispan nun mit seinem Arbeitgeber besprechen. Aktuell ist er noch als Leiter der Fachgruppe Haushalts- und Rechnungswesen bei der Stadt Remseck am Neckar tätig. Wenn es nach ihm ginge, würde er aber gerne möglichst bald nach Christoph Jägers Ausscheiden übernehmen. „Ich bin voller Tatendrang“, sagte Dispan. Der amtierende Bürgermeister hat am 16. April seinen letzten Arbeitstag.
Von Kornelius Fritz
Die Entscheidung ist gefallen: Wie bereits nach dem Ergebnis des ersten Wahlgangs zu erwarten war, haben die Großerlacher Kevin Dispan zu ihrem neuen Bürgermeister gewählt. Die 58,3 Prozent, die er im zweiten Wahlgang erzielte, sind zwar kein überragendes, aber ein klares Ergebnis gegen einen starken Konkurrenten.
Ob bei Melih Göksus Wahlniederlage neben seiner Vergangenheit bei den Grünen auch sein türkischer Nachname eine Rolle gespielt hat, ist letztlich Spekulation. Fakt ist, dass die Gemeinde einen Bürgermeister bekommt, der mit einem Verwaltungsstudium und Rathauserfahrung die fachlichen Voraussetzungen für dieses Amt mitbringt. Dass er auch die menschlichen Qualitäten hat, die diese Position erfordert, muss er nun beweisen. Für seine abgeschriebene Wahlrede hat sich Dispan entschuldigt, von rechtem Gedankengut hat er sich distanziert. Nun müssen den Worten Taten folgen. Wichtig wird dabei vor allem sein, dass der Liemersbacher wirklich zum Bürgermeister aller Großerlacher wird und sich nicht von einzelnen Interessengruppen beeinflussen lässt, die ihn unterstützt haben. Denn die teils unschönen Begleitumstände dieses Wahlkampfs haben gezeigt: Der Ort ist tief gespalten. Diese Gräben wieder zuzuschütten, wird die erste große Aufgabe des neuen Bürgermeisters sein.
k.fritz@bkz.de